Die Freiheit begann mit 12

Erlebnisgedicht zum Thema Jugend

von  eiskimo

Du hattest ein Oma-Rad, die Bremse klemmte
es war ständig platt, die Pedale deformiert.
Ich fuhr ein Knabenrad, das vom Sperrmüll stammte
nur Rücktritt, keine Gänge, drei Mal neu lackiert.
Aber wir waren Entdecker, konnten fliegen.
Wilde Glücksritter, stark, nie mehr klein zu kriegen!

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Kommentare zu diesem Text


 BeBa (28.11.20)
Ja, eiskimo, so war es ...

... und so übel war es nicht.

LG
BeBa

 eiskimo meinte dazu am 28.11.20:
Genau! Und schau, was aus uns geworden ist!
ciao
Eiskimo

 Enni antwortete darauf am 01.12.20:
... und diesen "Mangel an Perfektion" gab es damals nicht nur bei den Rädern.
Uns wurde dadurch auch ein Stück Freiheit geschenkt, die heute mit dem "absolut perfekten Funktionieren" oft fehlt. Eine Leichtigkeit, die ich heute vermisse. Etwas im Kleinen bewegen, uns selbst erproben ...
Ja, damals - schöne Erinnerung.

Lieben Gruß
Enni

 Thomas-Wiefelhaus (28.11.20)
Schön! Nur nicht neidisch werden!
Obwohl ich auch mit 12 -zwischen Sektenerfahrung und Schlafsaal - eine vergleichsweise normale Zeit hatte: beispielsweise im Schullandheim an der Nordsee. Und ein etwas zu kleines Fahrrad hatte ich damals auch, obwohl meins nicht leider fliegen konnte, nur fahren. Schule war ok!
Und mit 12 Jahren war ich bestimmt körperlich stärker, als mit 16!

Erinnert mich auch ein Gespräch mit einem Heimjungen, er sei immer vom Vater vertrimmt worden, aber mit 12 habe er zurückgeschlagen und das "besoffene Schwein lag im Keller!"

Ich habe den Text nicht als Gedicht empfunden. Auch nicht als konkretes Erlebnis.

 eiskimo schrieb daraufhin am 28.11.20:
Danke trotzdem, dass Du so konkret darauf eingegangen bist - jetzt kriegen meine Gedanken doch viel mehr Substanz.
Bei mir waren diese Kinder- und Jugendjahre sehr unbeschwert. Ich bin das letzte von 5 Kindern; da hatte ich es relativ leicht.
lG
Eiskimo

 Thomas-Wiefelhaus äußerte darauf am 28.11.20:
Wieso ich das Gedicht nicht als Gedicht empfinde, trotz der Reime, kann ich nicht genau sagen. Im Augenblick denke ich: Man kann es doch als Gedicht gelten lassen!
Jedenfalls ist die Jugend eine wichtige Zeit: viele Weichen werden gelegt, oder auch eben nicht (!) gelegt.

Denke:
Eine Jugend in Freiheit - oder in Gefangenschaft? Weil einen niemand beschützte, möglich!
Wer nicht beschützt wurde, war als Kind und Jugendlicher Vogelfrei. Frei von Rechten. Man konnte über ihn Bestimmen. Konnte versuchen, ihn kleinzukriegen!

Ich hoffe: heute ist das anders?

Antwort geändert am 28.11.2020 um 11:43 Uhr

 eiskimo ergänzte dazu am 28.11.20:
Das Gedicht ist so wie die darin beschriebenen Fahrräder: Es läuft nicht so richtig rund und hat so seine Macken...
Ich war in einer Großfamilie nie allein, wurde eng begleitet, hatte aber auch viele Freiheiten - siehe die Fahrradausflüge.
Es waren wohl sehr glückliche Umstände.
LG
Eiskimo

 FrankReich meinte dazu am 02.12.20:
Alles, was Verse hat, ist ein Gedicht, auch ohne Reime, ein Vers mehr und es wäre sogar ein Halbsonett. 😂

 AchterZwerg (28.11.20)
Lieber Eiskimo,

auch ein Spätjugendlicher wie ich kann sich noch gut an diese Zeit erinnern.
Mein Fahrrad wurde seinerzeit selbstverständlich auf Zuwachs gekauft, und ich musste zwei Jahre lang im Stehen fahren, weil ich nicht an die Pedalen ranreichte. Für Zwerge allerdings nix Ungewöhnliches ...
Dein Kurzgedicht wirkt aufgrund des besonders gelungenen Endverses sehr stark auf mich.
Die Doppelaussage des Kindes "nie mehr klein zu kriegen" bringts.

Herzliche Grüße
der8.Fruchtzwerg

 eiskimo meinte dazu am 28.11.20:
"Auf Zuwachs" gekauft...das waren noch Zeiten. Man musste auf etwas warten, lange sparen, mit der drittbesten Lösung vorliebnehmen....
Heute sehe ich 12jährige, die schon das vierte oder fünfte Rad verschlissen haben, natürlich neu gekaufte!
Können die je Glücksritter werden?
salut
Eiskimo

 minze meinte dazu am 28.11.20:
niemals! nur die, die früher Kind waren, haben großartige Werte und Lebenserfahrungen!

boah nervt mich dieses ewige "frühe wars noch ne richtige Kindheit". aber ist wohl ein Kennzeichen des ständigen Abgrenzens der Generationen zueinander, des sich in seiner Generation angehörig fühlen und heimelig und wohlig kopfschüttelnd auf die andern zu schauen - schade :/

 eiskimo meinte dazu am 28.11.20:
Wir waren früher mehr draußen, wir hatten weniger Spielzeug und es gab weder (eigene) Fernseher noch Computer noch tragbare (eigene) Telefone - das alles war objektiv anders und hat auch eine andere Lebenswelt für Kinder mit sich gebracht. Materiell gesehen waren wir definitiv "ärmer" . Dass wir trotzdem schöne Dinge erleben konnten, das Recht, das zu erzählen nehme ich mir einfach raus. Schade, wenn es Dich nervt.

 minze meinte dazu am 28.11.20:
Ich finde die Beschreibung dieser wertvollen Erfahrungen und Lebenswelten schön und finde, du hast natürlich jeden Grund dazu. Was mich stört ist das Bewerten und Kategorisieren, das Glorifizieren von damals zu heute, das Lamentieren über die "heutigen" Kinder und eingleisige Wahrnehmen von "wir,damals"...ich als heutige Mutter&Lehrerin finde die Möglichkeiten, sein (Familien-)Leben zu gestalten sehr verschieden und vielseitig. Das sehe ich auch in der Retrospektive so in meiner Kindheit der 90er und der erzählten meiner Eltern in den 70ern. Was Bewegung, Medienkonsum, Freiheiten oder Begrenzungen, was Konsum allgemein angeht.

Für mich sind die subjektiven Geschichten interessanter als der Bezug oder die Identifikation und Bewertung allgemeiner Werte und Erfahrungen mit einer großen Zeit / Generation.

Hoffe,mich mehr zu erklären. dieses Labelling bringt mir nix. Naja.

Sorry für den scharfen Ton zuvor ;)

Antwort geändert am 28.11.2020 um 17:54 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 01.12.20:
Wir "Alten" neigen dazu, diese "schwere Zeit" zu glorifizieren. Tatsächlich steckten wir aber so in dieser Zeit drin, dass wir das Mögliche halt genossen.. so wie die Kinder ihre Möglichkeiten heute genießen. Was sicher anders geworden ist: Das Überfrachten mit immer Neuem, und das immer schneller. Das ist auch für die Eltern heute ein viel stressigeres Geschäft, da ein bisschen Maß zu halten.
lG
Eiskimo

 minze meinte dazu am 01.12.20:
ich habe noch viel über meine und deine Kommentare nachgedacht. es stimmt schon, dass es typische Bedingungen/"Normalitäten" einer Zeit gibt, die dann Eltern/Kinder vielleicht leichter da hineinbringen, diese "typischen" Erfahrungen zu machen, Bedingungen, die automatisch beeinflussen. Die dann, wie du auch schon erwähnst, den Eltern beispielsweise eine Abgrenzung oder Bekennung dazu, dass sie es anders machen wollen oder müssen, schwieriger machen.

Zu deinen Beispielen musste ich in meinen nachgehenden Gedanken lächeln, weil ich auch gegenläufige Erfahrungen und Werte da mit hineinnehmen musste. Ich habe fast ausschließlich Dinge in Gebrauch für die Kinder, die xmal gebraucht sind. Meine Oma hat mich mehrmals darauf angesprochen (sie ist 83 Jahre alt), dass das damals keiner gemacht hätte. Ob es mir nicht peinlich sei. Ob ich mir meinen Kindern nichts Neues gönne, was richtig funktioniere ;)
lg

 eiskimo meinte dazu am 01.12.20:
Interessant, wie sich die Dinge verkehren. Die Reaktion deiner Oma kenne ich von meiner Mutter, die sich für "alte" Sachen fast schämte. Als ich mal kundtat, dass ich Flohmärkte mag, schüttelte sie sich geradezu.... Ganz anders bei meinem Sohn: Wenn ich begeistert bin über selbstgemachte Marmelade, löffelt er noch einmal eine extra Portion Nutella....
C´est la vie, glaube ich.
lG
Eiskimo
Al-Badri_Sigrun (61)
(28.11.20)
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 eiskimo meinte dazu am 28.11.20:
So hattest Du für später noch Wünsche offen, konntest Dich verbessern...
Ich sehe da viel Positives!
Einen schönen Advent wünscht Dir
Eiskimo
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