Hannes verknallte sich

Erzählung zum Thema Allzu Menschliches

von  Judas

Wir sind Freunde, seit ich denken kann. Ich glaube, wir gingen in die selbe Kinderkrabbelgruppe oder so ein Scheiß. Du warst schon immer größer als ich, hab dich nie eingeholt, bei keinem Wachstumsschub, aber ich war schon immer fetter als du. Liegt vielleicht daran, dass du nicht still halten kannst – weder die Füße, noch den Mund. Als wir Kinder waren, hast du mich immer zum Tümpel im Wald geschleppt, da haben wir Frösche gefangen. Später hast du mich zu dieser Stunde Fußweg ins Kirschbachtal überredet, so einmal die Woche, da haben wir uns dann 'ne Erkältung gefangen, beim Kiffen und Bier trinken.
Dafür konnte ich dich überzeugen, Magic The Gathering mit mir zu spielen. Und dir meine Modellschiffe anzuschauen. Ich war schon immer mehr der Bastler von uns beiden – im Kindergarten warst du sauer, weil du das mit Schere und Kleber nicht hingekriegt hast, ich aber schon. Später warst du nicht mehr sauer, als wir in der Werkstatt meines Vaters saßen und ich klebte und schraubte und schnitt und dir zu hörte. So ist das eigentlich auch heute noch – du redest, ich hör dir zu.
Wenn wir alleine in der Werkstatt sind, ist dir mein Nerdsein egal. In der Schule musst du dich natürlich immer über mich lustig machen, klar. Zeigen, wer von uns beiden der Alpha ist. Ist mir egal. Ich weiß, dass du es nicht so meinst.

Ich schreib das jetzt hier in meinen Mathehefter, während ich beim Nachsitzen hocke. Ich könnte auch Hausaufgaben machen aber hab keinen Bock drauf. Ich musste ihm eine rein hauen, Mike. Er hat's verdient. Rudi und seine hässliche Fresse. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob meine Wut wirklich ihm und seinem Kommentar über deine Frisur galt oder was anderem. Aber ich bin mir sicher, dass er das trotzdem verdient hat.

Seit du Klassensprecher bist, hab ich irgendwie das Gefühl, dass wir auseinander driften. Mir ist aber bewusst, dass das nicht der Grund ist. Du hast halt viele Freunde – Alter du kommst sogar mit den Lehrern klar – aber ich hab halt nur dich.
Fuck.
Mike, ich vergötter dich.
Das wirst du nur nie erfahren. Ich weiß ja selbst nicht mal, warum ich das jetzt aufschreibe. Vielleicht muss es raus.
Okay. Hand auf's Herz. Das Problem ist nicht, dass du andere Freunde hast, das Problem ist nicht mal, dass du nicht mehr so oft mit mir abhängst oder dass du deine Magic Karten alle bei Ebay verkauft hast, das Problem ist auch nicht, dass du mich nicht mehr mit meinen Modellschiffen aufziehst. Das Problem ist Anne. Das wird mir jetzt klar, weil ich jetzt gerade aus dem Fenster schaue und euch beide da sehe. Hand in Hand. Gibt's irgendeinen Grund, warum du mich nicht alleine abholen konntest...

„Hannes, was schreibst du da? Das sieht nicht aus wie die Mathehausaufgaben, Alter...“
Ich schlag den Hefter schnell zu. Du darfst das nicht sehen.
„Nichts. Notizen. Egal. Lass abhauen. Schule stinkt.“ Ich schau kurz zu Anne und sie zu mir. Sie hat wieder diesen komischen Blick in den Augen, so abfällig, so wertend und reckt ihr Kinn ein bisschen und drückt sich an dich. Wahrscheinlich denkt die Alte, ich steh auf sie oder so ein Mist. Vielleicht fragt sie sich aber, genauso wie ich, warum sie nicht allein mit dir sein darf. Ist mir egal. Ich kann's nicht leiden, wie sie deine Hand hält.

Eine halbe Stunde später stehen wir im Park und du machst mit Anne rum. Warum ich da dabei sein muss, ist mir ein Rätsel. Dir ist das offenbar egal, Anne aber nicht, sie schiebt dich irgendwann mit sanfter Gewalt von sich und sucht 'ne Entschuldigung, allein nach Hause gehen zu können. Sie faselt irgendwas von ihren Eltern und dass sie das nicht wissen sollen. Ich steh etwas abseits und tu so, als höre ich nicht, was sie zu dir sagt. „Mann... Mike... sanft auf die Lippen. Nicht wie so ein Spüllappen.“ Ich sehe im Augenwinkel, wie knallrot dein Kopf wird aber stell mich weiter taub und blind, bis sie dann endlich weg ist.

Du schaust ihr lange nach, dein Blick definitiv nicht auf ihrem Rücken und grinst mich dann breit an. „Alter. Mit Zunge. Ich sag dir, ich bin bald bei der nächsten base, wenn du verstehst, was ich meine. Ich hab beim Küssen schon gemerkt, wie ihre Nippel sich durch ihren BH und ihr Shirt gegen meine Brust drückten, so geil, Mann...“
Ich rolle mit den Augen. „Ja, großen Dank für die Details.“
Du klopfst mir auf die Schulter. „Ach Hannes. Du kriegst auch schon noch eine ab. Ich glaube, Melanie in der C findet dich süß.“
Ich nicke langsam. Du wirst nie erfahren, wie das ist. Melanie aus der C geht mir am Arsch vorbei, aber deine Hand auf meiner Schulter schickt ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper, dass ich fast kotzen muss.

Du verabschiedest dich an der üblichen Straßenbiegung. Sagst, dass wir bald mal wieder ins Kirschbachtal müssen und ich Gras mitbringen soll.

Ich schau dir nach, bis du hinter den Häusern verschwunden bist.
Heute Nacht werd ich mich anfassen und dabei an dich denken.


Anmerkung von Judas:

Das ist alles nur geklaut...  

keinB wollte es.
Für loslosch in Ich-Perspektive.

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Kommentare zu diesem Text


 keinB (02.12.20)
Hab ich eigentlich schon die 'Magic The Gathering'-Karten gelobt? Nein? Hach! :)

 Judas meinte dazu am 02.12.20:
Nein hast du nicht, gut, dass du das noch nach geholt hast sonst...! Hätte ich...! Aber mit Nachdruck! :D

 Melodia antwortete darauf am 03.12.20:
*suche mein Eichhörnchendeck*

 Judas schrieb daraufhin am 04.12.20:
*hab mein Artefaktdeck immer parat*

 Melodia äußerte darauf am 05.12.20:
Ich fordere dich bei der nächsten Z/K heraus!

 Judas ergänzte dazu am 09.12.20:
Deal!

 loslosch (02.12.20)
"Heute Nacht werd ich mich anfassen und dabei an dich denken." für fakire und hungerkünstler!

 Judas meinte dazu am 02.12.20:
Und nur für dich in Ich-Perspektive!
Paulila (55)
(02.12.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Judas meinte dazu am 02.12.20:
Ich lebe um zu dienen ;)
(Danke für den Hinweis im privaten Kommentar)

 drmdswrt (15.12.20)
Das Original ist ja so grottenschlecht, dass es (und das ist keine Kritik an deinem Text) schon fast unmöglich ist, eine Neuerzählung zu versemmeln.
Deine Ausführlichkeit entspricht in etwa dem Fantasie- und Gelüstespektrum des Originalverfassers, weshalb es stellenweise sogar von ihm geschrieben sein könnte.
Der Schlussabsatz ist Knaller. Und der Schlusssatz entspricht, wie zu befürchten ist, bestimmt seiner Gegenwart.

 Judas meinte dazu am 15.12.20:
Ich glaube nur nicht, dass der ursprüngliche Verfasser im Sinne hatte, dass der (ab der Hälfte vom Originaltext ignorierte) beste Freunde schwul ist.

 drmdswrt meinte dazu am 16.12.20:
Tja, ob er es im Sinn hatte oder nicht, aber so ist es wohl. Die Figuren erzählen ihre Geschichte schließlich selbst, und ich denke, das müsste nun auch dem ursprünglichen Verfasser die Augen geöffnet haben.

 Judas meinte dazu am 16.12.20:
Das glaubst du aber nicht wirklich, oder, als den letzten Teil vor dem Zwinkersmiley :D

 Alazán (17.12.20)
Das klingt nach 2003, jetzt hab ich auch Lust auf eine partie MTG. Unter der Bedingung, dass Du auch mal wieder ein Gedicht schreibst ;D

 Judas meinte dazu am 17.12.20:
Gedichte! Niemaaaaaaals! Nicht mal für dich ;)

 Rudolf (17.12.20)
Ich bin so froh, dass ich Dir einmal in Person begegnen durfte. Ein Gruß  für Dich

 Judas meinte dazu am 17.12.20:
Dankeschön - das ist mal ein sehr schönes Kompliment. Ja das war auf meinem ersten kV Treffen, oder? (also wo ich selbst das erste Mal dabei war)

 Rudolf meinte dazu am 26.12.20:
Yep, kV Treffen - mein bisher einziges. Womit die Bedeutung dieses Treffens noch einmal unterstrichen wird.

 Isensee (17.01.21)
Dachte mir so "Ha, hat die Olle zu viel Herrndorf gelesen" Nö Sätzer. So geil! Text geht gut rein. Liebe und so

 Judas meinte dazu am 17.01.21:
:D
Liebe zurück

 Judas meinte dazu am 19.01.21:
Du solltest das auch mal probieren. Sätzer bietet so krasse Vorlagen....

 Willibald (10.08.21)
Kritik auf Luxusniveau, die erzählende Hauptfigur schreibt gerade ins Matheheft, dann geht das Treffen los und die Geschichte geht sich selbst schreibend naja - weiter, einfach so.
Bedenkenswert... ein bisschen. H
atte mal ein ähnliches Problem mit einer Miltenberg Schüler Geschichte und Schulzeitung (kv). Erzähltechnisch nicht sehr sauber gelöst von mir.
Greetse

 Judas meinte dazu am 10.08.21:
Naja das hier ist 'ne Persiflage oder Homage oder wie auch immer auf einen Sätzer Text gewesen. Ich musste natürlich irgendwie mit dem umgehen, was das Original bereit hielt.

Aber ähm... nur aus Neugier... woran siehst du hier Kritik auf Luxusniveau oder Kritik generell?

Antwort geändert am 10.08.2021 um 16:25 Uhr

 Willibald meinte dazu am 10.08.21:
Ne, naja, das erzähltechnische Problem kann man hier als das Luxusproblem bezeichnen...."Ich schreib das jetzt hier in meinen Mathehefter..."
Greetse

 Judas meinte dazu am 10.08.21:
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dir folgen kann? Meinst du, dass der Prot das Problem hat, dass er seinen Mathehefter als Ersatztagebuch/Liebesbriefpapier benutzt?

 Willibald meinte dazu am 10.08.21:
Kritik auf Luxusniveau: Die erzählende Hauptfigur schreibt gerade ins Matheheft, dann geht das Treffen los und die Geschichte geht sich selbst schreibend naja - weiter, einfach so.
Bedenkenswert... ein bisschen.... Erbsenzählerei?

 Judas meinte dazu am 10.08.21:
Oooooh mein Gott, ich glaube, ich hab's gerafft :D
DU übst Kritik auf Luxusniveu am Text. Weil er erst schreibt und dann erzählt. Ja. Ja jetzt kapier ich's. Ich bin heute sehr langsam, entschuldige.
Ich dachte, du meintest, dass der Text an irgendetwas Kritik übt... Jesus, haha.
Ist berechtigt. Aber gut, man könnte jetzt sagen, dass er die ganze Zeit schon inneren Monolog geführt hat, oder? Also auch beim Schreiben.

 Willibald (10.08.21)
Ja, das kann man ansetzen, das mit dem inneren Monolog, aber dann hat man diese andauernde, ziemlich exzessive Aussenweltwahrnehmung. Wie schon gesagt, Mäkeln auf highbrowniveau.

 Judas meinte dazu am 10.08.21:
Akzeptiert, den Text hab ich an einem Abend aus dem Handgelenk geschüttelt :D

 Willibald (11.08.21)
Jou, feine Version, schnelle Version von Dir.

Aside: Erzähltechnisch wurde in dieser Ich-Erzählung "Mindblowing Poems" nach einigem skrupulösen Rumgeeire eine Tonbandsituation/Aufnahme mit Reportagenähe eingepflegt:

Tja, das hat Mirjam geschrieben. Erschütternd. Bin seit zwei Stunden so was von erschüttert, musste alles auf Band sprechen, für das Tagebuch, fiebrig, heiß die Stirn. Hab an Mirjam gemailt. Vielleicht ist sie doch noch wach und liest es. Wenn nicht, spätestens morgen.

 Mindblowing Poems

 Judas meinte dazu am 11.08.21:
Hach ja, Literatur, Abitur und die Liebe. Und dann auch noch Whiskey trinken wie Bukowski! Aber der Mirjam auf's Tonband sprechen? "Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit" sang schon Tocotronic.
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