Ich hoffe es ist gleich um 7:00. Denn ich habe große Lust auf Hackbrötchen die ein bisschen nach Furz riechen.

Kurzprosa zum Thema Esoterik

von  Isensee

Die Stadt nervt, wie alle Städte nach einem Jahr. Randbezirke die mit Altbau flexen, niedlich dekorierte Treppenaufgänge. Menschen die bei dem Satz, "Hier wurde besonders darauf geachtet, dass die Bausubstanz erhalten bleibt" in Begeisterung ausbrechen. Werden aufdringlich, suchen Nähe. Wollen heilen, gut zuhören. Freundschaften und sich verknüpfen.
Ist doch so, dass es einen nur noch durch die Nächte schleppt und man sich fühlt. Ein Zigarettenautomat in der Wildnis sein. Strahlst als Leuchtreklame über eine sinnlose Straße. Mit einem Permanentmarker beschmiert "Du funktionierst gut, passt aber nicht in diese Landschaft,. Schade, dass es dir keiner gesagt hat. “Spast"
Ich habe mir diesen Ort nicht ausgesucht. Ich musste noch nie die Notbremse ziehen oder war in Gefahr. Behütet aufgewachsen und beständig für alles gelobt. In Lego gebadet und regelmäßig sauniert. Gestrandet in der Unbeständigkeit zu nehmen was kommt. Leben wie ein Serienmarathon auf Netflix, Intro überspringen und Abspann überspringen, Intro überspringen Abspann überspringen.

Leipzig ist eine Stadt die mich an Kinderwurst erinnert. Diese eingeschweißten Presswurstscheiben mit Gesichtern und Tieren. Als Politiker ist Leipzig sicher Renate Künast. Harte Konturen die sich in Niedlichkeit auflösen.
Hier wache ich seit Monaten gegen 13:00 uhr auf und betrachte meine nackten Füße. Die Tage fangen gut an, ich habe es geschafft meine Hose auszuziehen. Meine Chefin lässt mich in einer viel zu großen Wohnung über einem Nachtclub wohnen und renne barfuß über Echtholzboden, nicht dieses Klicklaminat, dass egal wie es verlegt oder beschaffen ist, wie eine furnierte Küchenfront aussieht.

Ich habe es geschafft, den Zustand der Wohnung innerhalb von fünf Tagen in eine Höhle zu verwandeln. Das liegt daran, dass ich vom Kokain und Gras betäubt auf Pizzaschachteln durch die Wohnung rutsche und mein Befinden sich an der Taubheit meiner Schneidezähne messen lässt. Dennoch erfülle ich die Erwartungen der Menschen die mir Geld geben und vernachlässige jene die meine Freunde sein möchten.
Es ist nicht so, dass Freunde in meiner Welt keine Rolle spielen. Doch genauer betrachtet sind es weitere Personen, die Anforderungen an dich stellen und deren Erwartungen du nicht erfüllst.

Hänge auf einer neun Jahre alten Dokumentation.
Thessas Geburtstagsfeier: Unkontrollierbare Facebook-Party in Hamburg - SPIEGEL TV Magazin. Werde direkt sentimental und muss Weinen. Frage mich, was aus Tessa geworden ist. Der Staat hat vor dem Internet kapituliert, Tessa wurde beschädigt und keiner hat Geschenke mitgebracht. Scheiß Welt. Fick dich Welt und so.

Nach einer Talkshow, in der jeder angestrengt um seine Glaubhaftigkeit bemüht ist und periodisch zwischen Museumsverwalter in Pirmasens  und “Das glaube ich Dir nicht” Gesicht switcht, fühle ich mich wie marode Bausubstanz, in Angst vor jedem weiteren Winter, so Gemäuer, das nichts dagegen machen kann. 15:30  Workshop für eine Startup auf der Karl Liebknecht Straße. Große Fensterfronten zur Hauptstraße, open workspace und schüchterne Sitzsäcke in ocker, im stumpfen Winkel ein Tischkicker und als Kontrast dazu hat sich Vicky was ganz besonderes ausgedacht und grüne Flusenteppiche in die Halle geschmissen. “Wunderbar” eröffne ich unser Gespräch. “Eure Glaubhaftigkeit ist schon mal für den Arsch, warum kauft Ihr euch nicht noch ein paar Lamas und stellt euch zwei drei in die Gänge oder werdet Sponsor für ein E-Sport Turnier” Jedenfalls mangelt es dieser Firma an Aufmerksamkeit. Der Ben erzählt mir dann irgendetwas von ökonomische Standards etablieren, europäisch, ok cool, wegen Globalisierung, ok cool, und mit Strafen durchsetzen, dass weiterhin schöne kleine Dörfer in Autobahnnähe sprießen, die mit blauen Schildern umringt die Ernsthaftigkeit des europäischen Gedankens bekräftigen. Kann dazu nur sagen, dass die Schönheit dieses Gedankens von Menschen transportiert wird, die machen, dass sich Europa wie Deutschrap aus den 90ern anfühlt. In einem Internet, dass zu 80% aus Pornografie und 20% Homevideoclips besteht. Zugegeben, ich selber folge mehreren Haustieren mit Social Media Kanälen und freue mich über sprechende Huskys und Katzen in Herbstmode. Instagram ist eine so wunderbare Plattform. Was Ben angeht, habe schnell das Interesse verloren und beschlossen einen Wald aufzusuchen. In einer Stadt wie Leipzig, von der behauptet wird, dass sie so unfassbar grün ist. Nichts davon stimmt. Es ist hier kein echter Wald zu finden. Nur so angelegte Waldkulturen mit Forstfunktion und Regelbestand an Tieren und Menschen.
Dann doch Lieber wieder in eine Wohnung die darauf ausgelegt ist, Licht optimal auszusperren und ununterbrochen bei zwei offenen Fenstern zu heizen. Kann mir das auch nur Leisten, weil mir ein guter Freund den Zähler manipuliert hat. Das Gerät simuliert einen Eine-Person-Haushalt auf Studenten Niveau. Oder so Menschen mit Fragen nach der Duschzeit, Fleischkonsum und Haltung zu aktuellen Krisen.


In der S-Bahn treffe ich dann auf Katharina.
“Mir gefallen die alten RTL Logos, eine Wohnzimmerwand aus Eiche dazu. An der nicht mit Ornament gespart wird. Heile Welt”
Ein Mensch der nicht begrüßt oder verabschiedet, Menschen direkt mit Aktuellen Gedanken konfrontiert. Ich habe sie tatsächlich nur als Freundin gewählt, weil das eine doch eher seltene Eigenschaft ist und mal ehrlich, sind Begrüßungen auch nur Rituale aus längst vergangenen Zeiten. “Heile Welt klingt wie Heil Hitler” sage ich und da wir uns mittlerweile in einer Straßenbahn Richtung Roßplatz befinden, höre ich mit weiterer Argumentation aus folgendem Grund auf.

Vor zwei Tagen musste mich Katharina vor körperlichen Schäden durch andere schützen. Wir waren auf einer Party, Freunde von ihr und so ein Typ, der regelmäßig containern geht, Ethno Klamotten trägt und für 150 Euro in einer WG wohnt und vier Stunden in der Woche arbeiten geht. Ja ja ja, der Typ macht überhaupt nichts falsch. Vielleicht hatte ich auch Angst davor, dass er mich nicht mögen könnte und dann habe ich halt mit dem nicht mögen angefangen. Jedenfalls kam es zu einer ähnlichen Diskussion mit viel Kommunismus und 150 Euro, ich wohne in einer Gegend die sich gegen Gentrifizierung wehrt und das sehen andere Menschen mir an -Peter, fordert die Abschaffung des Privateigentums.
Ich habe dann gesagt, dass es auch nur wieder ein Ideal ist, welches schon mal versagt hat und so ein paar Nostalgiker sich einreden, dass es besser geht. “Richtig geht” sagt Peter- ich sehe in jeder Situation lässig aus und als Charakter in einem Computerspiel würde mir die Menschen ständig Schwerter überreichen und mit anerkennenden Gesten werfen. Wäre ich in einem Computerspiel, würde ich Peter zu Wurst machen. Wurst die nach Hirse schmeckt und ich werbe mit dem Spruch “Mett aus einem Stuka Zwölfzylinder-V-Motor” Alle Nazis und Fleischesser werden die Wurst lieben. Da Peters Körper relativ schnell verbraucht ist, kaufe ich Hirse und mache Wurst aus richtiger Hirse. Natürlich merkt das keiner und nach 10 Jahren lüfte ich mein Geheimnis, habe alle Menschen zu Veganern gemacht und das nicht Peter, weil ich in Humana Klamotten rumgerannt bin. Naja, ich habe mich mit Apfelwein besoffen und irgendwann erst leise dann immer lauter “Heil Hitler” gesagt und dass man Symbole entmachten muss. Dann hab ich die Playlist manipuliert, das Marschlied Erika angemacht und bin im Kreis um Peter marschiert und anstatt “Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein und das heißt Erika” sang ich “Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein und das heißt KaaAArl MAaaaArx”. Dann haben wir gerungen, Katharina ist gekommen, hat sich für mich entschuldigt und auf dem Nachhauseweg habe ich geweint.

Der Low-Lyfe-Typ ist eine Person, die von ihrer Gemeinde als moralisch inakzeptabel angesehen wird. Beispiele für Menschen, die häufig [von wem?] Als Low-Lyfe bezeichnet werden, sind aggressive Betrüger, Mobber, Kriminelle, Drogendealer, Freeloader, Hobos, Gangster, Menschen, die mit dem Festhalten an niedriger Kultur in Verbindung gebracht werden, Menschen, die ständig Schimpfwörter benutzen, Prostituierte, Zuhälter, Betrüger, sexuelle Missbraucher, Drogenabhängige und Diebe.

Ich bin Low-Lyfe. Drogenabhängig, gehe zu Nutten und schreibe Texte auf einer Internetliteraturplattform. Die eigentlich eine Insel voller Low-Lyfe ist. Alles isolierende Low-Lyfe.
Nur Peter ist nicht Low-Lyfe. Der interessiert sich für die Welt und traut der Menschheit noch was zu. Es liegt entweder an Tocotronic oder meiner Mutter. Auf jeden Fall im Zweifel für den Zweifel. Lässt sich auch gut auf ein Plakat schreiben.

Katharina ist noch mit zu mir gekommen und wir haben bis in den Sonnenaufgang gekokst, Wein getrunken und waren uns irgendwann einig, dass psychoanalyse immer eine schlechte Entscheidung ist. Wenn nicht sogar komplett sinnlos. Also so sinnlos, wie neue Möbel in einer Suma oder Moma Möbelhalle zu kaufen. In einer Halle die nach Katze und Apfelmost riecht. Menschen, für die es sicher auch eine Berufsbezeichnung gibt, imitieren darin Lebensraum mit Plastikbüchern. Danke Mitteleuropa 1984 bis 2020, das schlimmste in meinem Leben war der Besuch einer Suma-Möbelhalle, die nach grau gerauchten Menschen roch. Keine abgetrennten Gliedmaße wegen Kriegstdienstverweigerung. Keine Verstümmelung aus religiösen gründen. Psychoanalyse ist so Liga Körperteile aus religiösen Gründen abschneiden.

“Ein Trauma ist zu behandeln wie eine Wunde auf der Haut. Am besten in Ruhe lassen” sagt Katharina und wir pennen dann irgendwann ein.


Anmerkung von Isensee:

Ähnlich wie das Nildelta in Unterägypten und abhängig von einer Hauptader, die im Fall von Niedersachsen A1 heißt und sich sonst in nichts von Ägypten unterscheidet. Dreckberge, offene Kloaken an Autobahnraststätten, die aus sanitären Gründen über ganz Niedersachsen verteilt werden. Heißt, jedes kleine Kaff hat seine eigene Autobahnraststätte, die nach Busfahrerpisse riecht.
In einem dieser Orte, an denen die A1 besonders laut ist, kam Tessa am 21.08.1986 durch die Hände einer Hebamme zur Welt.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (03.12.20)
uhr -> Uhr

 Judas (03.12.20)
"Es liegt entweder an Tocotronic oder meiner Mutter." Vermutlich.
Palytarol (59)
(03.12.20)
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 Isensee meinte dazu am 16.01.21:
Danke, mit Menschen die Sofas in Gärten stellen kann ich mich identifizieren. Das mit den Kommas halte ich wie mit den gelungenen Leben. alles Uninteressante Geschichten. Herz und so
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