verjährt

Gedankengedicht zum Thema Leben

von  AvaLiam

jung und wild und frei
und ungeduldig
atmet kühnes Bunt
einhundert Leben

der Tau ahnt Blüten
im stillen Knospen

ungestilltes Kind
in Hoffnung badet
wie der Arbeit Frucht
in Staub und Schweiß

Licht aus den vollen
Händen des Sommers

Illusionen
fliehen wie Wasser
über glühende,
steinerne Wege

Bewusstsein blättert
im Grau vergebens

an trüben Fenstern
frieren Eisblumen
Erinnerungen
ein - zieht Schnee sich weiß

und weise durchs Haar
wirft Jahresringe
um den Hals, knüpft an
die Hände Ketten

letzter Träume

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Kommentare zu diesem Text


 nadir (12.12.20)
was für ein interessanter schreibstil! vorallem der anfang gefällt mir! das ende mit den träumen eher weniger ... aber das ist bloß geschmackssache, keine ernste kritik.

lg
nadir

 AvaLiam meinte dazu am 13.12.20:
Hey nadir

Hier darf jeder sagen, was er denkt/fühlt... ich empfinde das nicht als Kritik - sondern als Arbeit an der Sache und der Möglichkeit, sich zu verbessern.

Mir gefällt in dem Bild auch nicht, dass jemanden da die Hände gebunden sind und man sich die letzten Träume nicht mehr erfüllen kann.... oder das die Träume eben jene Ketten selbst sind.

Doch das ist eben Leben - gehört dazu und in meinem Zeilen rufe ich mich wahrscheinlich selbst dazu auf, mir meine Zeit gut einzuteilen, bevor die Träume verjährt sind....bzw. das Leben selbst.

Ich danke dir für deinen Blickwinkel und die Worte dazu, wie auch für Empfehlung.

Liebe Grüße
Ava

 AchterZwerg (13.12.20)
Liebe Ava,
ein wenig stimme ich Nadirs kritischer Bemerkung zu.
Aus meiner Sicht gibt es allerdings am Inhalt nix zu mäkeln, eher an der Aufteilung des Textes.
Wie wäre es beispielsweise, wenn du ab "Illusionen" rechtsbündig schriebst oder I. und II. teiltest. - Dann gäbe es einen Cut, der aber doch einen Zusammenhang der Verse zulässt.

Du stellst die wilde, aufmüpfige Jugend dem Alter gegenüber, wobei Letzteres nicht sonderlich gut wegkommt. Hier gibt es natürlich verschiedene Wahrnehmungen (ich selber empfinde diesen Lebensabschnitt als ausgesprochen bereichernd, denn er lässt mir Zeit für das Ausleben von Kreativität, was früher in diesem Maße überhaupt nicht möglich war.

Sprachlich finde ich das Gedicht sehr gelungen, insbesondere die Jahresringe und die Handfesseln.

Liebe Grüße
der8.

 AvaLiam antwortete darauf am 13.12.20:
Geliebter Achter,

ich hatte meinen Antwortkommentar fast fertig und komme auf so ne doofe Taste.

Zur Aufteilung: Ja, da war ich dran, aber dann auch nicht mehr mutig genug.
Dein Vorschlag mit dem Versatz links- und rechtsbündig finde ich super - so nach einer Art Gegenüberstellung und die Übergangszeilen dann mittig vielleicht - wird auf jeden Fall nachgeholt.

Was das Alter betrifft, so hast du ja noch ein mind. ein Vierteljahrhundert vor dir.
Bist doch quasi im besten Alter.
Weise genug, Fehler nicht zu wiederholen und noch genug Saft in den Knochen, die Zellen zum Kochen zu bringen.

Gedanklich hatte ich einige Gespräche von 90+ bzw. 95+ im Kopf und die Beobachtungen, wie sie auf ihre letzten Jahre sehen.
DA war viel Reue, Bedauern...aber auch ein unschätzbares Maß an Weisheit... viel von Vergessen...aber auch noch Träume...

nur dass sie eben nie mehr erreicht werden können

Was du beschreibst mit dem Ausleben der Kreativität, was früher nicht so möglich war, ja - das beobachte ich auch an einigen Autoren im Autorenkreis, deren Hauptlebensinhalt daraus besteht, zu malen oder zu schreiben. Und das ohne Zeitdruck - ohne "Störungen" von Kindern... sich einfach ganz auf das Papier einlassen... auf die Farben... oder auch auf Klänge am Klavier.

Ehrlich gesagt freue ich mich auch ein wenig auf diese Zeit und beneide jeden, der sich der Kreativität uneingeschränkt widmen kann.

Danke und bleib gesund.
Herzlichst
Ava

 TassoTuwas (13.12.20)
Hallo Ava,
verjährt lässt manche aufatmen.
Für andere bedeutet es Resignation.
Jeder hat dafür eine eigene unvergessliche Geschichte.

Herzliche Grüße
TT

 AvaLiam schrieb daraufhin am 13.12.20:
Mein lieber Tasso,

manchmal denke ich: 100 Leben/Jahre... das ist lang...unüberschaubar... wer will schon so lange unter diesem Himmel dümpeln? Wie soll man die Zeit herumkriegen?

Und dann gibt es so viel zu lesen, zu sehen, zu hören...zu lieben, zu lachen... zu kreieren, zu formen, zu erleben.
100 - was ist das dann schon? Viel zu wenig, viel zu kurz.

Und dann lese ich Schlagzeilen zu Corona...
...und denk bei mir: 100 Jahre Corona?!

So hat jeder seine Geschichte(n) und seine Hintergründe/Gedanken/Gefühle, der 100 zu begegnen.

Gut, dass wir noch ein bisschen Zeit haben.

Liebe Grüße
Ava
Agnete (66)
(29.01.21)
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 AvaLiam äußerte darauf am 14.02.21:
Liebe Agnete,

danke für deine Spuren hier...

Mir ging es ganz besonders um den Schluss... das Vergessen und an den Händen "kleben" quasi noch die Dinge, die noch nicht ganz vergessen sind, irgendwo noch ruhen, nie ganz loslassen lassen und manchmal, da scheint es egal wie alt man ist, als habe man noch mal 100 Leben.. manche Träume sind vielleicht sogar der Grund, warum man verwaist/verweist... und ohne den ein oder anderen Traum wäre man vielleicht nie weise geworden...
ich fand das Bild einfach "schön" - den Schmuck wie wir ihn kennen etwas zu entfremden, so dass ein neuer Blickwinkel entstehen kann... aus manchem (Ehe)-Ring ist eine schwere Kette/Fessel geworden... und aus mancher hübschen Kette ein schwerer Ring um den Hals (wie im Mittelalter) ... bzw. gibt es ja so einen Eingeborenenstamm, wo immer mehr Ringe mit dem Wachstum und Älterwerden um den Hals gelegt werden... ohne diese Ringe können die Menschen nicht mehr leben, da die Halsmuskulatur so geschädigt ist wie auch die Wirbelsäule, dass sie sich das Genick brechen würden, entfernte man diese Ringe...So kann man die Jahre/Reife zählen, wie an einem Baum... äquivalent auch zu den Falten am Hals mit zunehmenden Alter... das als kleinen Ausschnitt meiner Gedanken...

Herzliche Grüße und bleib gesund
Ava

 EkkehartMittelberg (20.02.21)
Wie berührend, Andrea. Eine schöne Metapher gebiert die andere.
Wenn auch im Leben vieles verjährt, dieses feine Gedicht werde ich nicht vergessen.
Herzlichst
Ekki

 AvaLiam ergänzte dazu am 27.02.21:
mein lieber Ekki...

...Ketten letzter Träume...

... heißt ja auch, dass nicht alles vergessen wird, immer etwas bleibt...es in jedem Zustand des Vergessens etwas geben wird, was uns erreicht und auf eine ganz bestimmte Art erinnert...

Schön, dass du nicht nur das Trübe der Vergänglichkeit und des Vergessens gesehen hast.

"Und ist das Jetzt auch gleich vergangenen, so ist es eben dieser Moment, der es groß, bunt und lebenswert macht."

gutgelaunte Grüße
Andrea
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