Das Recht

Verordnung zum Thema Recht und Gesetz

von  Terminator

Vielen Menschen ist die Vorstellung zuwider, dass es eine höchste Gerechtigkeit gibt. Diese Menschen gehören nach der zutreffenden Einsicht des großen Grundlinienzeichners der Rechtsphilosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegel allesamt zum Pöbel - ob arm oder reich, ob unzivilisiert oder wohldressiert. Wer heute noch an das jüngste Gericht glaubt, wird für einen religiösen Fanatiker gehalten und nach seiner vermeintlichen Sektenzugehörigkeit gefragt. Dabei drückt der Glaube an die höchste Gerechtigkeit nur aus, dass die Welt als Ganzes rechtmäßig beschaffen sein soll. Für einen rechtschaffenen Menschen ziemt sich wahrlich keine andere Vorstellung, als dass es im Universum mit rechten Dingen zugeht.

Wer der göttlichen Gerechtigkeit misstraut, wurde anscheinend von Menschen ungerecht behandelt, und kennt das Recht nur als Ungerechtigkeit im rechtlichen Gewand. Es gibt nichts rechtswidigeres, als ungerechtes Recht, denn dieses führt die Idee des Rechts ad absurdum. Wer ungerechtes Recht spricht, parasitiert auf dem Rechtszustand, und zerstört ihn zugleich. Zum Pöbel gehört nach Hegels richtiger und gerechter Feststellung jeder, der sich außerhalb des Rechts setzt, - der arme Taschendieb genauso wie der reiche Steuerhinterzieher. Der Kriminelle handelt nun illegal und illegtitim, setzt sich somit außerhalb des Rechts, und wird von diesem zurecht verfolgt und bestraft. Der vom Prinzip her noch gefährlichere Verbrecher handelt illegitim, aber legal, benutzt das Recht, um Ungerechtigkeit geschehen zu lassen. Wer illegal, aber legitim handelt, ist ein Rebell.

Viele Menschen halten das bloße Dagegensein schon für Rebellion. Doch der Schlachtruf: "Legal, illegal, scheißegal!" zeichnet den Pöbel aus, während die Losung des wahren Rebellen "Illegal, aber legitim!" lautet. Der Rebell kämpft gegen die widerlichsten Schurken, nämlich gegen jene, die unter dem Schutz des Rechts Unrecht tun, die legal, aber illegtitim handeln. Der Rebell schützt den Geist des Gesetzes vor dem Missbrauch seines Buchstabens durch bösartige Menschen. Der Pöbel, zu dem die große mal schweigende mal laut schreiende Mehrheit gehört, ist nicht bösartig, sondern bloß tierisch.

Der Pöbel schert sich nicht darum, ob er moralisch richtig handelt, und damit den Geist des Gesetzes erfüllt. Der vom Recht geschützte bösartige Schurke weiß genau, dass er das moralisch Falsche tut, denn um vom Recht geschützt werden zu können, muss man zunächst wissen, welche unmoralische Handlung nicht illegal ist. Es ist ein wahrhaft versöhnlicher Gedanke, dass es nach dem Tod ein finales Gericht gibt, denn alles menschliche Recht ist unvollkommen, und lässt daher Ungerechtigkeit zu. Für einen vollkommenen Richter ist Illegitimes immer illegal, es gibt keine Schlupflöcher. Es gibt aber das große Loch der Ungewissheit, ob es diesen vollkommenen Richter tatsächlich gibt. Wenn nicht, so wird der rechtschaffene Mensch weiter das Richtige tun, und wenn nötig, als Rebell illegal aber legitim handeln, denn der Geist des Rechts ist derselbe Geist, von dem die Würde des Menschen ist.


Anmerkung von Terminator:

"Das Recht ist der objektive gute Wille als Selbstzweck". John Deader

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (20.12.20)
Gut, einverstanden. Aber: Welchem Recht müssen sich Ungläubige dennoch unterziehen?

 Terminator meinte dazu am 20.12.20:
Für Atheisten gilt immer noch die Sittlichkeit, letztlich aus dem kategorischen Imperativ ableitbar, der im Grunde besagt, dass Menschen als Personen und nicht als Sachen zu behandeln sind.

 harzgebirgler (20.12.20)
Hegels ebenfalls 1770 geborener Freund und Studienkollege Hölderlin schreibt dazu in den erläuternden 'Pindar-Fragmenten':

„Das Höchste

Das Gesetz,
Von allen der König, Sterblichen und
Unsterblichen; das führt eben
Darum gewaltig
Das gerechteste Recht mit allerhöchster Hand.
 
Das Unmittelbare, streng genommen, ist für die Sterblichen unmöglich, wie für die Unsterblichen; der Gott muß verschiedene Welten unterscheiden, seiner Natur gemäß, weil himmlische Güte, ihret selber wegen, heilig sein muß, unvermischet. Der Mensch, als Erkennendes, muß auch verschiedene Welten unterscheiden, weil Erkenntnis nur durch Entgegensetzung möglich ist. Deswegen ist das Unmittelbare, streng genommen, für die Sterblichen unmöglich, wie für die Unsterblichen.
Die strenge Mittelbarkeit ist aber das Gesetz. Deswegen aber führt es gewaltig das gerechteste Recht mit allerhöchster Hand.
Die Zucht, sofern sie die Gestalt ist, worin der Mensch sich und der Gott begegnet, der Kirche und des Staats Gesetz und anererbte Satzungen (die Heiligkeit des Gottes, und für den Menschen die Möglichkeit einer Erkenntnis, einer Erklärung), diese führen gewaltig das gerechteste Recht mit allerhöchster Hand, sie halten strenger, als die Kunst, die lebendigen Verhältnisse fest, in denen, mit der Zeit, ein Volk sich begegnet hat und begegnet. »König« bedeutet hier den Superlativ, der nur das Zeichen ist für den höchsten Erkenntnisgrund, nicht für die höchste Macht.“

 Terminator antwortete darauf am 20.12.20:
Das Eine braucht kein Recht, weil es kein Unrecht kennt. Ist die Unmittelbarkeit aufgehoben, entsteht der Unterschied zwischen Sein und Sollen. Und da gilt in der Tat: "Die strenge Mittelbarkeit ist aber das Gesetz. Deswegen aber führt es gewaltig das gerechteste Recht mit allerhöchster Hand."

 Augustus (20.12.20)
Am Anfang war Unrecht! und erst dann kam das Recht. Das Recht war in Naturvölkern in Form von Rache verkleidet. Das Recht trug allerlei Kleider und Messer und Pistolen, um das Unrecht zu bekämpfen. Man könnte fast meinen, wie Gut gegen Böse.

 Terminator schrieb daraufhin am 20.12.20:
So auch Hegel in der Rechtsphilosophie: wir fangen als Naturwesen vom Bösen an und müssen uns das Gute über die Stufen 1)abstraktes Recht, 2)Moralität und 3)Sittlichkeit erarbeiten.

 Graeculus (20.12.20)
Hinzufügen sollte man, daß nach Hegel die Weltgeschichte das Weltgericht ist. Kein Jüngster Tag.

 Terminator äußerte darauf am 20.12.20:
Hegel ist ein Eschatologe der totalen Immanenz. Von seinem Größenwahn angesteckt, war ich 2008-2010 wie im Rausch, 2011 schlug sich der absolute Idealismus in den absoluten Positivismus um, und 2012 kam ich demütig zurück zu Kant. Seitdem halte ich die Kritik der praktischen Vernunft für das letzte Wort, das die menschliche Vernunft in den letzten Dingen zu sprechen vermag; alles weitere sieht man nach dem Tode (und sieht man danach gar nichts, dann hat das Nichts eben die Wahrheit des Nihilismus gesprochen).

 Graeculus ergänzte dazu am 20.12.20:
Verstehe. Für einen 'Kantianer' habe ich Dich nicht gehalten.

Beim Vergleich zu Dir kämen Nietzsche, Schopenhauer und, etwas später, Wittgenstein hinzu (der Dir wohl gegen den Strich geht, für mich aber sehr wichtig ist); die Phase des Positivismus fehlt bei mir. Das Postulat, alle Aussagen müßten entweder in sich logisch oder empirisch überprüfbar sein, genügt selbst nicht diesem Anspruch.
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