Windows 2032? – Eine kleine Gute-Nacht-Geschichte!

Skizze zum Thema Aktuelles

von  Thomas-Wiefelhaus

Windows 2032?
©Thomas Wiefelhaus

Mein alter Bildschirmschoner ist eine Bushaltestelle. Busse kommen. Busse fahren. Leute steigen aus und ein. Oft scheint die Sonne. Wenn es regnet - tragen sie Schirme.
Auch unter meinem Fenster ist eine Bushaltestelle. Manchmal kommen die Busse auf dem Bildschirm und auf der Straße zur selben Zeit an. Das ist ganz lustig. Aber meist ist das Wetter unterschiedlich. Hier scheint die Sonne, dort regnet es. Und anders herum. Lässt sich das nicht leicht synchronisieren? Wetter- und fahrplanmäßig? Wir leben doch in einem Zeitalter des hemmungslosen Informationsaustausches? Mein Bildschirmschoner ist nicht up too date!

Auch die Leute auf dem Bildschirm und auf der Straße sind meist nicht synchron. Sie laufen in verschiedene Richtungen. Sind unterschiedlich gekleidet. Das finde ich nicht weiter schlimm. Allerdings ließen sich doch ihre Handy-Standorte leicht synchronisieren? Notfalls mit der Corona-App? (Die Fahrkarten werden bald sowieso alle im Internet gekauft. Dann wüssten wir und unser Bildschirmschoner Bescheid!) Das Aussehen der Haltestelle auf dem Bildschirm bildlich synchronisiert mit Google Maps Street? Wäre das nicht schön? Schnell mit GPS den Standort feststellen und die Haltestelle auf dem Schirm sähe identisch aus, wie jene auf der Straße unter meinem Fenster! Die vollkommene Fenster-Windows-Synchronisation! Das Internet und mein Bildschirmschoner wissen jederzeit, was – wo und wie – Sache ist. Haben nicht die allermeisten Busse schon seit vielen Jahren GPS? Na bitte! Rufe ich mit dem Handy die Fahrzeiten ab, sehe ich bereits meine Bus in Farbe, inklusive der jeweiligen Werbung auf dem Bus und auf der veralteten Litfaßsäule neben meiner Haltestelle.

Könnte man nicht auch das Aussehen dieser Menschen synchronisieren? Man kann doch auch wissen, welche Kleidung sie bei Z… & Co bestellt haben? Schlimmstenfalls sind die Leute auf der Straße aber trotzdem falsch angezogen. Sie wissen nicht, was sie heute hätten anziehen sollen! Dann laufen sie über eine Ampel, die automatische Kamera geht an – und die Ampel schimpft laut: „Ey, du Affe da, mit der Personalausweis- Nummer XYZ! Hast heute die falsche Kleidung angezogen! Die passt gerade nicht mit dem Bildschirmschoner überein. Dass uns das nicht wieder vorkommt!“ Die anderen hören mit, was für ein Außenseiter, wie peinlich! Falsch angezogen! Sie schütteln die Köpfe. Wenn die Technik doch mal ausfällt, schimpfe ich vom Balkon mit dem Busfahrer: „... du hältst mal wieder den Fahrplan nicht ein!“ Für meine Spitzeldienste werde ich von der Bus-Zentrale mit einem kräftigen Fahrkarten-Bonus bezahlt. Bespitzeln, damit alles glatt läuft; die Arbeit der Zukunft. Wer nicht spitzelt, verdient bald nichts mehr.

Computer wissen genau, was wir wollen. Überhaupt bestellen moderne Menschen die Ware zukünftig nicht mehr selber, sondern werden bestellt. Das wäre jedenfalls praktisch! Computer kennen die geheimsten Wünsche und wenn sie diese einmal nicht kennen, kennen Sie sie eben doch. Sie haben das letzte Wort.
Seit langem tragen wie T-Shirts mit Firmenlogos, aber schon bald wird es keine Kleidung ohne Werbung mehr geben. Oder sie wird unbezahlbar sein?

Vielleicht ließe sich die Funktionen des Bildschirmschoners auch erweitern, man könnte so in alle Firmen und vor allem die Wohnungen der zahlreichen neuen Home-Arbeiter einsehen? Jeder kontrolliert jeden, damit keiner krumme Sachen machen kann! Auf irgendwelche dumme Ideen kommt!
Überall hineinhören und hineinsehen? Mit den vielen Handys und Alexa gar kein Problem mehr!

Und Home Office kombiniert mit künstlicher Intelligenz? Dann bräuchten die Leute nicht mehr mit dem Bus zu fahren und auch nicht zu arbeiten. Sie wären durch den Segen der Technik ersetzbar! Auch mein Bildschirmschoner würde entbehrlich.
Und die Handwerker? Ließen sich durch Roboter ersetzen! Vielleicht noch nicht heute, aber morgen schon! Die Roboter bräuchten nicht Bus zu fahren, weil sie nicht zum unnötigen Schlafen nach Hause müssen!

Vermutlich werde ich und andere Schriftsteller auch bald ersetzt? Computer schreiben Geschichten und Gedichte, die Computer lesen und bewerten. Und wir überflüssigen Menschen können Körper und Geist endlich mal ausruhen. Und am Ende suchen der Computer noch den angemessenen Sarg für uns aus. Und kommt persönlich per Internet zur Beerdigung. Weil die Verwandten, Freunde und Bekannten mittlerweile das Laufen verlernt haben. Andererseits: wenn es Home-Office gibt, kann es ja auch eine Home-Beerdigung geben. Gab es die nicht bereits in den 90iger Jahren für Haustier-Tamagotchis? Bitte auf dem Bestellschein Internet-Beerdigung ankreuzen! Ach, das hat mein Computer für mich – im Hintergrund – ja schon getan! Wenn es soweit ist, werde ich digitalisiert und liege bei Facebook. Mein entschlüsselter Gen-Code kommt in eine Datenbank, damit ich Klonebar bin.

*

Zukunft, aber keine Zukunftsträume. Jedenfalls nicht von mir. Ich nutze gerne mal die Technik von vorgestern. Ist nicht so manches, was ich hier als "Zukunft" bezeichne, längst Gegenwart geworden? Die Welle rollt.

Unsere Computer gehören uns längst nicht mehr. Sie werden jedes Jahr mehr und mehr aufgebläht. Verfügen über eine unnötige Geschwindigkeit, über Unmengen von Speicherplatz. Es sind Computer, die nicht das tut, was wir Ihnen gerade befehlen, sondern die sich im Hintergrund mit der gesamten Welt verbinden. Ohne unser Wissen Daten austauschen, Spuren hinterlassen. Anderen dienen. Wer an die achtziger Jahre denkt, da gab es leistungsschwache Computer wie den Amiga oder den Atari ST. Sagenhafte Technik mit 1 kb Speicherplatz, in Worten ein Kilo Byte, fähig für Schreib- und auch Musikprogramme, wie Cubase, einem prima Schachprogramm und der Möglichkeit, ganze Kraftwerke zu berechnen. Wie stark war das denn? Ich hatte so einen.

Fertig geschrieben. Danach blicke ich meist eine Weile in die Wolken. Um mich vom Bildschirm abzulenken. Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich den Schirm überhaupt einmal abstellen darf! Es gibt ja noch kein Computer-Abstellt-Verbot.

Soll ich meine kleine Grusel-Geschichte nun in die Klaut laden? Oder wird sie dort gecloud?
Schlimmstenfalls was für kein Verlag.de? Ich weiß nicht recht. Sollte ich die Skizze nicht erst mal überarbeiten? Damit kein lästiger Bot-Mund lästert?

Überhaupt sind draußen im Augenblick gar keine Wolken zu sehen. Sondern der blanke Mond. Den können wir nicht synchronisieren. Noch nicht! Er macht noch nicht das, was der Bildschirmschoner ihm sagt. Nein, er bestimmt sogar unser Wetter und die Gezeiten. Wie lange lassen sich das Microsoft, Google & Co. wohl noch gefallen? Und ich gehe jetzt besser schlafen, bevor ich noch weitere Albträume notiere. Und bevor mein neues Handy in Computersprache mit mir schimpft! Das hat es gestern ja auch schon getan. Wenn ich wieder schlecht schlafe, steigen meine Krankenkassen-Beiträge. Das neue Handy überwacht täglich meinen Schlaf. Für die Gesundheit ist uns schließlich nichts zu teuer.

Gute Nacht! Allerseits!
PS.: Morgen denke ich übrigens sicher wieder ganz anders über die Sache!


Anmerkung von Thomas-Wiefelhaus:

Die Zukunft ist nahe! Oder schon da?

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