Weltfremde Foltermuffel

Aufruf zum Thema Herz

von  Terminator

Wenn ich schon lese "Es könnte der Eindruck entstehen, dass Väter und Mütter sich für die Folter des Kindesentführers aussprechen würden", und zwar als Vorwurf an einen Fernsehfilm, dann frage ich mich ernsthaft, in welcher Welt solche Leute leben. Anscheinend in einer Blase. Der Aufklärer Cesare Beccaria argumentierte im 18. Jh. gegen Folter und Todesstrafe und hatte zumindest bei der Todesstrafe alle größeren Geister gegen sich. Todesstrafen zu seiner Zeit waren so barbarisch, dass die Guillotine als ein humanes Hinrichtungswerkzeug erfunden wurde.

Seit wann wird eigentlich nicht mehr gefoltert? Das Ideal, dass zu Ehren der Menschenwürde nicht gefoltert werden darf, hat sich erst nach dem 2. Weltkrieg zumindest in den zivilisierteren Ländern durchgesetzt. Zwischen der Zeit der Aufklärung und 1945 kam es in den entwickelten Ländern zu krassen Exzessen, was die Anzahl der Gefolterten und die Schwere der Folter betrifft. In sozialistischen und postkolonialen Ländern wurde auch später noch fröhlich gefoltert, viele Staaten, darunter die USA, foltern heute noch. Folter, wohin man schaut.

Und die Rede war von bürokratischer Folter ohne persönliche Extremsituation. Wenn nun jemand mein Kind entführt hat, und ich durch die Folterung des Verbrechers das Kind retten kann, habe ich es nicht mit einem Pechvogel aus politischen Gründen zu tun, sondern mit einem Menschen, der sich freiwillig für eine böse Tat entschieden hat. Und da soll mir die Würde des Übeltäters am Herzen liegen und nicht die Unversehrtheit eines Unschuldigen? Der moralische Terror des Zwangs zur Unparteilichkeit ist weltfremd. Natürlich würde ich alles tun, um einen Unschuldigen zu retten, auch wenn es nicht mein Kind ist, und selbst wenn es kein Kind ist.

Der utilitaristische Zugang zur Folterfrage zeugt von Dehumanisierung. Jeder außer mir soll mir egal sein. Ich darf nicht lieben (und als nächstes vielleicht gar nichts mehr fühlen wie im Film "Equilibrium"?), außer mich selbst. Um eigenes Leid zu verhindern, darf ich ziemlich alles tun. Eine kollektive narzisstische Persönlichkeitsstörung: nur ich bin wichtig, die anderen sind egal; nur ich bin Selbstzweck, die anderen sind bloßes Mittel. Und ausgerechnet diese Soziopathie begründet sich mit dem kategorischen Imperativ, keinen Menschen als Mittel zum Zweck zu benutzen. Wenn man einen Verbrecher foltert, tut man das. Wenn man einen Unschuldigen opfert, um sich darauf einen runterzuholen, dass man ein hohes moralisches Ideal befolgt hat, dann tut man das wohl nicht.

Das wahre Problem ist die politisch motivierte Folter durch die unkontrollierte staatliche Macht. Gefoltert, weil man Muslim ist, und deswegen Terrorist sein könnte. Gefoltert, weil man Informationen über kriminelle Handlungen der Geheimdienste öffentlich gemacht hat. Gefoltert, weil man in der Türkei Kurde ist. Damit muss Schluss sein. Was Verbrecher angeht, stellt euch nicht so an, es ist ekelhaft.


Anmerkung von Terminator:

"Was ich mit narzisstischer Gesellschaft meine? Wenn mein Kind an Krebs stirbt, dann geht es nicht um mein Kind, sondern und mich, schaut mal, wie ICH gelitten habe, dass mein Kind so früh und so unfair sterben musste! Wenn ich eine Beziehung verkackt habe, dann schaut alle auf MEIN gebrochenes verficktes Scheißherz! Wenn ich jemanden umgebracht habe, dann scheiß auf den, scheiß auf seine Familie, wollt ihr wissen, was ICH für ein Motiv hatte? Vielleicht schreibe ich ja ein Buch darüber... Wenn es um soziale Missstände geht, dann scheiß drauf, ob mein Geschrei hilfreich oder kontraproduktiv war und überhaupt etwas bewirkt hat, Hauptsache ICH werde gehört, wie ICH meine Meinung gesagt habe! Schaut mich an, ICH bin so gut, so genial, so menschlich, - und so verhält sich jeder. Dieses Irrenhaus nenne ich narzisstische Gesellschaft". Rafael van den Kiffen

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