Ein Maß für die Zeit

Erzählung zum Thema Zeit

von  GastIltis

Ratz

Ein Maß für die Zeit


„Rechne ihnen diese Stunde nicht an!“ (angenähert an die letzten Worte des Heiligen Stephanus)

Nun ist unsere Kanzlerin Angela Merkel in der Regierung die Chefin, aber nicht ihre Rolle dort soll beleuchtet werden, sondern das, was ich mit ihr zu tun habe.

Nichts! Also eigentlich nichts.
Ich habe sie weder gewählt, noch bereue ich, sie nicht gewählt zu haben. Dass sie eine GroKo mit einer Partei eingegangen ist, deren letzter Kanzler in einer für ihn verkorksten Wahlnacht, in der er sich schon in einem bejammernswerten Zustand als Wahlsieger wähnte, in dessen Folge er die Partei offensichtlich preisgab und aus dem Parteienspektrum abmeldete, kann man ihr nicht anrechnen.

Apropos GroKo: Dass diese Abkürzung fast schon ein wenig an den Begriff GröFaZ erinnert, ist traurig, aber nicht ganz von der Hand zu weisen.

Nun aber wieder zu Angela Merkel. Dass sie einen Teil ihrer Kindheit und ihrer Jugend in der Stephanus-Stiftung Waldhof Templin zubringen durfte, in der ihr Vater als Pfarrer tätig war, dürfte allgemein bekannt sein. Was ich mit der Stadt oder der kirchlichen Einrichtung zu tun habe?

Nichts! Also eigentlich nichts.
Außer, dass ein Jahr, nachdem die spätere Kanzlerin ihre elterliche Umgebung zu ihrem Studium verließ, von der Firma, mit der ich etwas zu tun hatte, im Ort ein Abschnitt einer Trinkwasserleitung gebaut wurde, bei dem damals nicht zu erkennen war, dass er von städtischer Seite sehr umsichtig geplant war.

Dass ich vier Jahre später von der Betriebsleitung unserer Firma einen Anruf erhielt, mich mit den zuständigen Leuten im Ort zu verständigen, um einen zweiten Abschnitt zu bauen, war erst einmal unverfänglich. Die Sache hatte nur einen Haken, nichts war geplant, keine Kennzahlen lagen vor, alles war unbestimmt. Die „Verständigung“ ergab, dass ein Bauprojekt vorlag, das Material war inzwischen erworben worden (bestes Material) und was wesentlich war, für die Arbeiter standen schon die Quartiere bereit und auch die Versorgung war gesichert. Hatte das nun etwas mit der Kanzlerin oder mit mir zu tun?

Nein! Eigentlich nicht.
Außer vielleicht damit, das der Waldhof, der unter schwankendem Wasserdruck litt, mit an die nun zu bauende Leitung angebunden werden sollte, was der Stadt eine komplette Ringleitung erbrachte und damit eine stabile Versorgung für die ganze Stadt zu sichern versprach.

Es waren nun mehr für als eine halbe Million Mark Bauleistungen technologisch, personell und technisch zu sichern. Außerhalb des Plans. Den Leuten vor Ort war also klarzumachen, dass da etwas „dranhängen“ müsste, das versteht sich von selbst.
Sie hatten offenbar damit gerechnet. Ja, fünf Bungalowstandorte könnten sie bieten.
Eine Rückfrage in der Betriebszentrale ergab, dass kein Interesse vorläge, weil vorgesehen sei, eine Gaststätte in Göhren auf Rügen zu übernehmen und als Ferienobjekt auszubauen. (Was nie geschah). Aber es kam der Hinweis von oben, dass man vielleicht privat …

Wenn ich jetzt nicht zugäbe, dass ich darauf schon Jahre gelauert hätte, müsste ich mich ohrfeigen.

Aber zurück zur Kanzlerin. 1978 hat sie zum ersten Mal, und eben  in Templin, geheiratet, das kann man in ihrer Biografie nachlesen. Und man erfährt weiter, dass sie ein Haus in einem Ortsteil der Gemeinde Milmersdorf besitzt und dass ihr die Natur sehr am Herzen liegt. Das hat nun bestimmt nichts mit mir zu tun.

Nein! Also fast nichts.
Das „fast“ bezieht sich auf die nun inzwischen längst genutzten Bungalowstandorte. Sie gehören auch zur Ortschaft Milmersdorf und liegen an einem schönen neun Kilometer langen See, den ringsum die Wälder der Uckermark mit einer Stille verwöhnen, dass man vor Freude kaum in den Schlaf findet.
Oder, wie es die Kanzlerin einmal formuliert hat:

"Man bekommt beim Schweigen ganz gut ein Maß für die  Zeit."


Anmerkung von GastIltis:

Empfohlen von: EkkehartMittelberg, DanceWith1Life, AZU20.
Gemessen und ...

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (08.02.21)
Hallo Gil, es lohnt sich die lange Spannungsdauer ausgehalten zu haben für den Aphorismus zur Zeit als Schlusspointe,
Herzliche Grüße
Ekki

 GastIltis meinte dazu am 08.02.21:
Danke Ekki,
für uns war es damals ein kleines Bauvorhaben, von den fünf zugesprochenen Plätzen sind immerhin noch vier bei den Erstbesitzern. Nach der Wende gelang es dem Verein mit 140 Mitgliedern, den gesamten Bungalowstandort zu privatisieren. Jeder konnte seine Parzelle erwerben plus Mitanteilen an weit über 120.000 Quadratmetern Gemeinschaftseigentum, darunter 80.000 m² Wald, ansonsten zwei Stränden und Wegen. Einer unserer Bauleute hat übrigens eine Köchin aus dem Waldhof geheiratet. Zu Angela Merkels Vater hatten wir keinen Kontakt; für uns war ein Diakon zuständig. Der See gehört zur Stadt Templin, der flächenmäßig achtgrößten Stadt Deutschlands, das Land zum Amt Gerswalde.
Sei nun herzlich gegrüßt vom alten und immerwährenden Naturfreund Gil.

 FRP (08.02.21)
Sehr interessant.... Wie bei Neil Young: ... was er nur anriß, was er verzögerte, was er NICHT spielte

 GastIltis antwortete darauf am 08.02.21:
Hallo FRP,
es stimmt, man kann nur einiges anreißen. Es geht um einen winzigen Teil Geschichte, den man nicht erlebt haben muss, von dem man aber etwas gehört haben könnte. Dass die Story mit der Kanzlerin erst sehr spät ins Bewusstsein gedrungen ist, versteht sich.
Ich will mich deshalb an die musikalische Seite deiner Zeile wagen. Sehr viele Erstbesitzer haben inzwischen verkauft. Ein Käufer ist z.B. „der“ Trompeter. Wenn ihm mal so ist, spielt er Il silenzio, Amazing grace und andere Stücke mit einem derart sauberen und schönen Ton, dass es ringsum still wird. Dann: Mein Nachbar, (ein Neuer, Lehrer am Waldhof), hat vor Jahren für seinen Schwiegervater zwei Sänger von der Komischen Oper Berlin verpflichtet, die ihm eine halbe Stunde lang seine Lieblingslieder auf der Terrasse geträllert haben. Für uns gratis. Und dem Sohn des Lehrers habe ich zu seiner Hochzeit Goethes Mignon mit Gitarrenbegleitung als Ständchen serviert, was offenbar gefruchtet hat, denn die inzwischen auf drei Personen angewachsene Familie freut sich, jedes Jahr aus Baden-Württemberg zu Besuch anreisen zu dürfen.
Gut, Mark Knopfler hätte wahrscheinlich weg gehört. Felix, dem Bräutigam blieb nur das Zuhören. Immerhin.
Danke und sei gegrüßt von Gil.
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