Das Lebewesen

Kurzprosa zum Thema Einsamkeit

von  niemand

Diese Leblosigkeit und Stille brachte sie fast um. Tapeten und Möbel. Ab und an mal das Poltern der Waschmaschine und das leise Brummen des Kühlschranks, wenn er mal wieder zu kühlen anfing. Radio und Fernsehen waren kaputt und Geld für Reparatur, oder für den Kauf neuer Geräte, hatte sie nicht. Also Möbel abstauben, Tapeten anstarren und dem Brummen und Poltern der Maschinen zuhören. Bis vor zwei Tagen, da war plötzlich Leben in der Wohnung und sie kam gar nicht nach, diesem Leben hinterher zu laufen, so flink und wuselig wie dieses war. Ständig woanders. Grad noch in der Küche und schon wieder im anderen Raum und wieder in der Küche und auf dem Tisch. Dieses lebendige Ding war einfach zu schnell für sie. In ihrem Alter war sie nämlich nicht mehr so gut zu Fuß. Das ständige Gucken, wo es sich grade befand, verlangte ihr so einiges ab. Manchmal, wenn sie den halben Tag hinterher gelaufen ist, hatte es die Gnade sich niederzusetzen. Dann saß sie auch. Was schaust du mich denn so an? Willst du, dass ich dir etwas erzähle? Meistens fing sie damit auch gleich an. Manchmal war sie davon eingeschlafen und wenn sie aufwachte, dann ging die Suche wieder los. Eine ganze Woche ging das so. Durch die viele Bewegung fühlte sie sich irgendwie frischer, lebendiger und abgenommen hat sie auch ein wenig. Na, ja, nicht viel, vielleicht so ein Pfund, schätzungsweise. Langsam konnte sie es sich nicht mehr vorstellen, dass sie alleine in der Wohnung sein sollte. Mit keinem mehr reden? Das ging doch nicht. Ich muss heute noch so vieles loswerden, dachte sie und begab sich auf die Suche. Wo bist du denn jetzt? In der Küche nichts und auch in den anderen Zimmern kein Lebenszeichen. Mach keinen Schabernack mit einer alten Frau, rief sie und suchte weiter. Doch, wie sie sich auch mühte, es war nicht aufzufinden. Plötzlich, als hätte sie eine innere Eingebung, ging sie nochmals in die Küche, suchte dort abermals alles ab und setzte sich erschöpft an den Tisch. Das kleine Stück Kuchen darauf bröselte so vor sich hin, schon seit Tagen. Ihre Hand griff irgendwie automatisch in den Teller und fasste nach einem größeren Krümel. Eigentlich war doch der Kuchen gelb, inzwischen ist er vielleicht sogar ein wenig nachgebräunt, aber doch nicht schwarz. Erschrocken setzte sie ihre Lesebrille auf.  Das Schwarze auf ihrem Finger war kein Kuchenkrümel. Sie ist tot, war ihr erster Gedanke, aber vielleicht doch nicht? Langsam strichen ihre Finger über die zarten Flügel der Fliege. Doch diese rührte sich nicht. Traurig ging sie in Richtung Küchenschrank, riss ein kleines Stückchen Papier von der Rolle. Dann legte sie das kleine tote Wesen darauf, faltete das Papier und malte ein kleines, schwarzes Kreuz darauf. Im Wohnzimmer, in der Erde der großen Pflanze liegt sie nun begraben. Manchmal, wenn sie mal wieder etwas loswerden will, setzt sie sich davor und erzählt ihr alles. Alles was sie so erlebt hat.

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (16.02.21)
Da hat die alte Dame ja noch einmal Glück gehabt. Im Film "Die Fliege" von 1986 mit Jeff Goldblum in der Hauptrolle läuft das ein wenig anders. 🤔

Ciao, Frank

 niemand meinte dazu am 16.02.21:
Ich wusste gar nicht, dass es solchen Film gibt. Kommt aber daher, dass ich fast keine Ami-Filme mehr gucke. Die sind mir zu hysterisch, was ja nicht unbedingt für den obig erwähnten auch gelten muss Mit liebem Dank und ciao, ciao, Irene

 FrankReich antwortete darauf am 22.02.21:
Hysterie ist sicher relativ, dürfte im Fall "Die Fliege" allerdings zutreffen, wenn Du darunter auch das Adjektiv "heftig" verstehst, als "entspannten" US-amerikanischen Film könnte ich Dir aber "Grüne Tomaten" von 1991 empfehlen. 😂

Ciao, Frank

Antwort geändert am 22.02.2021 um 14:45 Uhr
Sätzer (77)
(16.02.21)
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 niemand schrieb daraufhin am 16.02.21:
Apropos Maus und Freundschaft. Ich habe mal einen Bericht gesehen [ich hoffe, der war echt] über eine Freundschaft einer Katze mit einer Maus. Diese Maus durfte sogar auf ihrem Fell herumturnen und ein Nickerchen machen Was es so alles gibt.
Das mit Deiner Freundin und der Maus, samt "aktivem
Liebhaber" ist schon bezaubernd. Mit liebem Dank und lieben
Grüßen, Irene
Agnete (66)
(16.02.21)
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 niemand äußerte darauf am 16.02.21:
Auf jeden Fall fiktiv, aber basierend auf einigen Beobachtungen, die leider nicht so gut waren, liebe Monika. Ja, das von Dir erwähnte Kaninchen kann aber nur dann gut sein, wenn die betreffende Person noch fit genug ist für einen eventuellen Tierarztbesuch und auch wenn sie das nötige Kleingeld hat um diesen zu bezahlen. Wer Tiere hat, weiß was sie kosten können im Falle des Falles. Ich weiß wie viel man so hinblättern darf, wenn ein Tier zum echten Familienmitglied erkoren wurde. Und wie viel Pflege es bedarf und Einschränkungen bezüglich der privaten Freiheiten. Wir konnten es uns leisten, aber ich habe beim Tierarzt oft Menschen gesehen die am Limit waren. Eine Frau sagte mal an der Kasse des Arztes: Das war mein neuer Wintermantel. Traurig, aber wahr ... Mit liebem Dank und Grüßen zurück, Irene
Agnete (66) ergänzte dazu am 16.02.21:
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 niemand meinte dazu am 16.02.21:
Doch, diese Frau war arm. Sie fügte noch ein" das ist es mir aber wert" hinzu. Man sah ihr die Liebe zum Tier an.
Wir unterstützen übrigens eine Tierschutzorganisation, die sich
Arche nennt. Tiere haben keine Lobby.
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