Die Komplizen

Tragödie zum Thema Toleranz/ Intoleranz

von  Terminator

Elif traute ihren Ohren nicht, aber sie hörten richtig. Der junge Mann an der Bar lobte Trump und sogar Duterte, nannte ein Dutzend westlicher Regierungschefs Hurensöhne, jedes fünfte Wort aus seinem Mund war “Neger”, und seine Beispiele, um Kants kategorischen Imperativ zu veranschaulichen, waren extrem rassistisch. Als Elif an ihm und seinem Gesprächspartner vorbeiging, bemerkte er, dass ihm nichts an dieser jungen Frau gefiel außer ihrer Größe, sie sei nämlich so herrlich klein, wecke Beschützerinstinkte, und Mädchen müsste man beschützen, insbesondere vor ihren Familien. Elif verließ die Kneipe und lief nach Hause. Der blonde hochgewachsene verständnisvolle Traumtyp war nicht gekommen, also schrieb sie ihm die fünfte Email, in der sie ihn aufforderte, ein gemeinsames Foto von seiner Facebook-Seite zu entfernen.

Kaum geschlafen, ging es schon zum Mathetest in der elften Klasse eines Großstadtgymnasiums. Elif traute sich nach drei Tassen Kaffee endlich, den Vertrauenslehrer aufzusuchen, der ihr freundlich einen Kaffee anbot, und die Tatsache, dass sie schon drei hatte, als Zurückweisung empfand. Er sagte ihr vorweg: “Ich bewundere deine Kultur, Elif. Du darfst dir von den anderen nichts sagen lassen. Du bist die beste Schülerin in deiner Klasse. Wer auch immer Druck auf dich ausübt, dass du seit einiger Zeit ohne Kopftuch zur Schule kommst, du kannst mir ihre Namen aufschreiben, sie werden was erleben, das sage ich dir!” Elif wusste nicht, wie sie anfangen sollte, woraufhin er weiterredete: “Der Ben mag noch so cool tun und damit prahlen, dass er angeblich mit dir zusammen ist, nimm diesen Trottel einfach nicht ernst. Es wäre schade um Leonie, falls sie ´s glaubt. Du musst dich nicht gleich als lesbisch outen, aber besuch doch mal den LGBT-Schulverein, um ein Zeichen zu setzen. Vielleicht möchtest du lieber mit einer Frau darüber reden...”

Die Schulpsychologin gab Elif einen kurzfristigen Termin, und es sah fast schon wieder nach Hoffnung aus, als Elif den blonden hochgewachsenen Ben am nächsten Morgen auf dem Schulhof zur Rede stellen konnte. “Egal, was die anderen sagen, ich behalte das Foto mit dir auf meinem Account. Ich bin nicht rassistisch oder islamophob, das sollen alle auch ruhig sehen. Oder ist es dir peinlich, dass du auf dem Foto ein Kopftuch trägst?” Da klingelte es, und sie verstand ja schon, dass Ben lieber virtuesignallte, als ihre Sorgen ernst zu nehmen. Drei Stunden später saß Elif bei der Schulpsychologin im Zimmer und wusste nicht, wo sie anfangen sollte. “Wir sind ein offenes und tolerantes Gymnasium”, war die 60-jährige Frau stolz. Während sie sich und die Schule weiter beweihräucherte, merkte Elif, dass ihr der Atem stockte, und sie jetzt ein kein Wort mehr herausbekommen würde.

Am nächsten Morgen, das war ein Freitagmorgen, da weinte sie still in einer Ecke des Schulhofs. Um sich besser zu verstecken, hatte sie wieder das Kopftuch an. Der Lehrer für evangelische Religion lobte und ermutigte sie im Vorbeigehen, dass sie das Kopftuch trug. “Lass dich von denen nicht unterkriegen”, war seine freundliche Empfehlung. Nur hatte es auf jener Schule seit Jahren keinen rassistischen oder islamfeindlichen Vorfall gegeben. Nach der Schule ging das Mädchen nicht nach Hause, sondern in diese Bar; sie war so verzweifelt, dass sie hoffte, diesen Rassisten dort wiederzusehen, doch er war nicht da, und auf dem Heimweg wurde Elif in einen schicken Mercedes gezerrt und zu einem Waldstück außerhalb der Stadt gefahren. Da wartete schon ihr älterer Bruder Abdul neben einem frischen tief gegrabenen Erdloch. “Hure” rief er in seiner und ihrer Muttersprache und tötete seine Schwester mit einem Kopfschuss.


Anmerkung von Terminator:

2.2019

2021 Großes "Esisthaltso" der kulturrelativistischen Toleranzbewegung (d. h. aller im Bundestag vertretenen Parteien ohne AfD).

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