Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Essay zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Wir lesen im Johannesevangelium, dass der Jünger Thomas den anderen Jüngern nicht glauben wollte, dass ihnen tatsächlich der auferstandene Jesus erschienen war:
Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich's nicht glauben.
Ist dies nicht auch die skeptische Haltung vieler heutiger Naturalisten, wenn Christen von Wundern berichten, die sie erlebt haben wollen?
Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!
Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Tja, da hatte nun Thomas seinen geforderten Beweis und ist überwältigt und bekennt: Mein Herr und mein Gott! Also alles richtig gemacht? Erstaunlicherweise tadelt ihn Jesus ein wenig::
Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Jesus dreht also den Spieß um: Kontrolle ist ok, aber Vertrauen zu den Aussagen deiner Gefährten wäre besser gewesen!

Gedankenimpuls:
Hat Jesus hier Recht? Hätte Thomas eine so unwahrscheinliche Nachricht wirklich ohne Beweis seinen Gefährten glauben sollen? Hat er nicht total normal reagiert?
    Und wie sieht das aus, wenn Menschen wie ich von ihren Gotteserfahrungen erzählen. Soll man ihnen "blind" vertrauen?

Und überhaupt:
Wäre es nicht das erwartbare Minimum, dass Jesus in Vorleistung treten und einen Beweis liefern würde, bevor man (vielleicht) an Ihn glauben kann oder mag?
Stattdessen fordert er das Vertrauen auf die Verkündigung hin, ohne schon einen Beweis zu haben. Schon eine ziemliche Herausforderung, oder?

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 loslosch (08.03.21)
man kann das muster auf einen x-beliebigen religionsgründer übertragen. heraus kommt: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"

da freut sich der potentielle religionsgründer vorab.

 Bluebird meinte dazu am 08.03.21:
Im Grunde genommen geht es hier ja um eine richtige Reihenfolge:
"Vertrau mir auch ohne Beweise, ... (und du wirst nicht enttäuscht werden)" (Jesus)
Das in Jesus gesetzte Vertrauen wird nicht unbeantwortet/unbelohnt bleiben ... auch im Diesseits nicht! Das haben schon viele Menschen - einschließlich meiner Person - vorgeblich erlebt.

Ja, und wie ist das mit den anderen Religionen? Können sie wirklich halten, was sie versprechen?  hier

Antwort geändert am 08.03.2021 um 14:54 Uhr

 Graeculus (08.03.21)
Das in Jesus gesetzte Vertrauen wird nicht unbeantwortet/unbelohnt bleiben ... auch im Diesseits nicht!
Das ist eine allgemeingültige Aussage, d.h. sie soll für alle Fälle gelten.
Deine Begründung:
Das haben schon viele Menschen - einschließlich meiner Person - vorgeblich erlebt.
Nun sind viele nicht alle, und es gibt ja viele Menschen, deren Gottvertrauen im Diesseits (im Jenseits können wir's nicht überprüfen) geradezu spektakulär enttäuscht worden ist. Auf den Fall des Johannes Junius habe ich Dich meiner Erinnerung nach schonmal aufmerksam gemacht. Überhaupt all die Menschen, die im Namen der christlichen Religion, im Namen Jesu massakriert worden sind.

Und ja, natürlich muß man prüfen, weil es eine Tatsache gibt, die Jesus ignoriert: daß es nämlich zahlreiche Glaubensangebote gibt, die alle von uns das sog. sacrificium intellectus verlangen ... "hör endlich auf zu zweifeln, glaube einfach". Aber wem von all diesen? Dem mit den tollsten Wundern?

 Bluebird antwortete darauf am 08.03.21:
Der "blinde" Glaube ist der Anfang eines tieferen Erkenntnisprozesses, nicht sein Ende!

Bei der wundersamen Brotvermehrung ( Johannes 6) opfert ein kleiner Junge 5 Brote und 2 Fische, seine ganze Ration, ohne zu wissen, ob sich dies auch lohnen wird.
Eigentlich eine ziemlich "dumme" Tat, denn womöglich stünde er am Ende mit leeren Händen da.
Aber sein Vertrauen wird überreich belohnt, am Ende ist genug für alle da.

Und genauso ist das, - zumindest haben viele Menschen das schon so erlebt -, wenn man ohne "Erfolgsgarantie" sein Vertrauen in Jesus setzt. Man wird überreich belohnt.
Hätte der kleine Junge gesagt: "Beweis mir erst einmal, dass du der Sohn Gottes bist. Dann bekommst du auch meine fünf Brote und zwei Fische" ....wer weiß, wie die Geschichte dann ausgegangen wäre.

 Graeculus schrieb daraufhin am 08.03.21:
Die Bibel und Du, Ihr habt eines gemeinsam: Ihr berichtet nur die Fälle, in denen das gut ging. Womit wurde Johannes Junius belohnt?

 Bluebird äußerte darauf am 08.03.21:
Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage.

Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!
Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode. (Offenbarung 2, 10-12)
Manchmal scheint dann tatsächlich nur noch der jenseitige Lohn auf einen zu warten( =ewiges Leben)

 Graeculus ergänzte dazu am 08.03.21:
Übrigens, Du magst doch Geschichten über Dämonen. Hier ist eine:
Als sie im Begriffe waren, aus Asien nach Europa überzusetzen, wurde dem Brutus, wie man erzählt, ein bedeutsames Vorzeichen [μέγα σημεῖον] zuteil.

Von Natur war er wenig schlafbedürftig und hatte durch Übung und festen Willen den Schlaf auf eine ganz kurze Zeit eingeschränkt. Am Tage schlief er niemals, und nachts räumte er der Ruhe nur soviel Zeit ein, als er nichts tun noch mit jemand reden konnte, weil alles schlief.

Jetzt aber, da er nach dem Ausbruch des Krieges die Leitung des Ganzen in seiner Hand hatte und durch die Sorge um die Zukunft in steter Spannung erhalten wurde, pflegte er, sobald er nach der Abendmahlzeit nur ein wenig geschlummert hatte, den Rest der Nacht für die dringendsten Geschäfte zu verwenden. Wenn er diese Arbeit aber erledigt und zu Ende geführt hatte, las er ein Buch bis in die dritte Nachtwache, zu der die Centurionen und Kriegstribunen zu ihm zu kommen pflegten.

Als er nun im Begriff war, das Heer aus Asien nach Europa überzusetzen, da war es tiefe Nacht, sein Zelt war nur schwach beleuchtet, und Stille herrschte im ganzen Lager. Da glaubte Brutus, während er etwas überlegte und in Gedanken versunken war, jemand eintreten zu hören. Nach dem Eingang hinblickend, sieht er die grausige, seltsame Erscheinung einer fremdartigen, furchtbaren Gestalt schweigend neben sich stehen.

Er wagt sie zu fragen: „Wer bist du, Mensch oder Gott? Was willst du, daß du zu mir kommst?“
Da antwortet ihm das Gespenst [τὸ φάσμα]: „Dein böser Geist, Brutus. Bei Philippi wirst du mich sehen. [Ὁ σὸς ὦ Βροῦτε δαίμων κακός. ὄψει δέ με περὶ Φιλίππους.]“
Und Brutus erwidert unerschüttert: „Ja, ich werde es [Ὄψομαι].“
(Plutarch: Brutus 36)

Brutus ist der Caesarmörder, und bei Philippi hat er gegen Marc Anton und Octavian Schlacht und Leben verloren.

Antwort geändert am 08.03.2021 um 16:35 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 08.03.21:
Zu der Belohnung im Jenseits gibt es einen schönen jüdischen Witz:
Der alte Schloime: „Wißt ihr, Kinder, hier im Diesseits geht es uns schlechter als den Goim. Dafür wird es uns im Jenseits besser gehen ... das heißt: gelacht hätt ich, wenn es uns im Jenseits auch schlechter ginge!”

 Bluebird meinte dazu am 08.03.21:
Eine interessante Geschichte (Brutus)... übrigens hatte ich selber auch mal einen nächtlichen Besuch der besonderen Art:  hier

Antwort geändert am 08.03.2021 um 20:16 Uhr

 Regina (08.03.21)
Der Glaube ist eigentlich überall gefragt: beim Studium der Naturwissenschaften muss einer erstmal dem Professor Glauben schenken. Und auch dem Schwimm-, Ski-, oder Musiklehrer glaubt man erst einmal, dass er sein Fach und die entsprechenden Lehrmethoden versteht. Warum also sollte man ausgerechnet bei Jesus zweifeln, wo man ihn doch schon heilend durch Handauflegen, auf dem Wasser laufend und Wein aus Wasser hat produzieren sehen. Zweifel kommen mir allerdings, wenn ich Dilettanten Wunder vollbringen sehe. Da zeigt sich dann auch gleich der Pferdefuß, mit dem der Teufel aus dem Bett aufgestanden ist und sich die Fähigkeiten von Jesus anmaßt. LG Gina

 Bluebird meinte dazu am 08.03.21:
Interessanter Gedankengang!

 loslosch meinte dazu am 08.03.21:
es soll ja vorkommen, dass der ältliche professor unsinn verzapft. im günstigen fall ists eine abweichende lehrmeinung.

die (vorläufige) wahrheit setzt sich längst nicht überall durch, aber in der wissenschaft!

Antwort geändert am 08.03.2021 um 14:54 Uhr

 Regina meinte dazu am 09.03.21:
und der Professor möge geschützt werden vor jenen wichtigtuerischen Studenten, die, bevor er ein Wort gesagt hat, ihn schon des Verzapfens einer unsinnigen Lehrmeinung beschuldigen. Lernen beginnt nun mal mit Vertrauensvorschuss. Später kann immer noch kritisiert werden.
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