Asphalt

Innerer Monolog zum Thema Achtung/Missachtung

von  Mondscheinsonate

Einige Alte hören noch die Stiefel im Stechschritt auf dem Asphalt donnern. Und, damit ist nicht der Electropunk gemeint, wenngleich die Gruppe gar nicht so übel ist, wahrlich nicht. Das also, den Stechschritt, bekommen diese nicht aus dem Kopf heraus. Das merkt man an den Aussagen. Einmal rempelte meine kleine Nichte einen sehr alten Herrn, das war absolut unabsichtlich, sie war erst vier Jahre alt und hatte ihren Blick nicht nach vorne gerichtet, da passierte eben ein kleinen Zusammenstoß, da kniff der Alte die Augen zusammen und pfauchte meine Schwester an, dass es DAS unter dem HITLER nicht gegeben hätte. Ich sagte daraufhin, ich war dabei, dass es allerdings über sechs Millionen Tote gegeben hat, was sagt er dazu? Er schwieg und ging weiter. Solche Menschen sind nicht empfänglich für Gegenargumente und absolut widerlich, das sowieso.
In Wien hat sich so manches in den Sprachgebrauch eingebürgert, das unter jeglicher Kritik ist. So auch das "Da bin ich durch den Rost gefallen" und ich weise jeden darauf hin, dass das eigentlich ein Nazi-Gerede ist, denn es bedeutet verbrannte Juden oder nicht nur die, sondern auch andere Menschen. Jetzt stelle man sich vor, das hat sich wirklich in den Sprachgebrauch eingebürgert. Die Menschen plappern ohne weiter darüber nachzudenken nach, meinen auch gar keine verbrannten Menschen, haben diese nicht einmal im Kopf, das auf keinen Fall, sicher nicht, aber es bedeutet das und das kann nicht sein, dass man alles annimmt, ohne darüber nachzudenken.
So erzählte mein Opa oft Gymnasialzeitgeschichten und einmal meinte er, obwohl er selten eine Nazi-Rhetorik verwendete, dass sie dem Jud´kräftig eine Ohrfeige verpassten. Ich fragte: "Wieso erwähnst du, dass das ein Jud´war?" Er sagte scharf: "Weil es einer war." Ich sagte: "Aber, wenn es ein Christ gewesen wäre, dann hättest du gesagt, dass du einem Christ eine Ohrfeige gegeben hättest?" Er schwieg. Er sagte dann leise: "Das sagt keiner." Ich meinte: "Ah ha."
Da war ich 14, ich las es vor kurzem nach, wir hatten ähnliche Gespräche. Aber, einmal meinte er: "Es ist gut, dass du immer hinterfragst. Nicht immer alles annehmen." Immerhin.

In Wien sagt man auch: "Bis zur Vergasung." Also, eindeutiger kann etwas nicht sein. Das finde ich ganz schlimm. "Ich lerne bis zur Vergasung!" Ein kalter Schauer geht über meinen Rücken.  Was soll das? Was geht in solchen Köpfen vor? Bei dem "Rost"-Beispiel muss man noch kurz nachdenken, aber der Spruch ist eindeutig. Das Schlimme ist, ich sah es vor kurzem im Facebook bei einer Diskussion darüber, dass der Gesetzgeber das Wort "Rasse" aus den Büchern verschwinden lassen wird. Mehr brauchte man nicht, der Großteil regte sich darüber auf. Ich schüttle nur noch den Kopf. Wirklich. Nur, weil etwas immer so war, muss es nicht so bleiben. Ich bin dafür, dass Kinderbücher oder sonstige nicht zensuriert werden, denn die alte Sprache, die teils rassistische Züge aufwies, gehört zu unserer Geschichte und die wird nicht ausgelöscht, wenn man anfängt, Bücher zu zensurieren. Sicher nicht. Das ist der falsche Weg. Allerdings sollten die neuen Bücher nicht solche Ausdrücke wie "Neger" oder "Rasse" (sollte es Menschen betreffen) enthalten. Natürlich gibt es unzählige Ausdrücke, die dazugehören. Gedankengut verändert sich durch Sprache.

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Kommentare zu diesem Text


 DanceWith1Life (11.03.21)
Eines unserer großen Probleme, und damit meine ich uns, als moderner Mensch, der sich über die Aufklärung und vielen anderen Etappen, versucht hat vom Aberglauben zu befreien.
Ist meiner Meinung nach, dass wir so viel "nebenbei" erleben und verarbeiten müssen. Das geht nur mit groben Einschätzungen, sonst ist man überfordert.
Und diese "groben Einschätzungen" sind im selben Raum, auf derselben Etage, wie die von Dir hier so gut beschriebenen Ungereimt- oder Ungenauigkeiten, oder wie immer man das nennen will, denn mir fällt eigentlich kein passendes Wort dafür ein, noch nicht. Weil da liegt vieles im argen.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 11.03.21:
Du, weißt du, es gibt Sprüche, die weisen in keinster Weise auf ein grauenhaftes Regime, Wissen ist eine Holschuld, man kann nicht alles wissen. Aber, so offensichtliche Sprüche lassen mir den Gallensaft hochkommen.

 DanceWith1Life antwortete darauf am 11.03.21:
Ist mir auch aufgefallen. Deswegen der etwas größere Bogen, es gibt nämlich keinerlei Input, welche Sprüche wie lange den, nennen wir es mal "Volksmund" besetzen, bis sie endlich verdaut oder wieder ausgespuckt werden.

 Quoth (12.03.21)
Hallo Mondscheinsonate, unauffälliger ist: Sie waren "am Boden zerstört". Eine Wendung aus der deutschen Kriegsbericht-erstattung über Flugzeuge, die zerstört wurden, bevor sie zum Einsatz kommen konnten. Sehr verbreitet und niemand kennt die Herkunft. Eine Übersetzerin, die ich darauf aufmerksam machte, sagte, seither könne sie diese Redenart nicht mehr benutzen, ersetze sie z.B. durch: Sie waren "am Ende ihrer Kräfte". Sogar dict.cc. gibt an: "He was utterly devastatedt when his wife left him. / Er war völlig am Boden zerstört, als seine Frau ihn verließ."
Es ist sicherlich weniger arg als die von Dir angeführten Beispiele, transportiert aber dieselbe Welt.
Gruß Quoth

Kommentar geändert am 12.03.2021 um 21:25 Uhr

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 12.03.21:
Danke. DAS wusste ich gar nicht. Wo der Titel dann äußerst passend wäre.

Antwort geändert am 12.03.2021 um 21:31 Uhr
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