Tischgespräche

Prosagedicht zum Thema Nachbarschaft

von  AvaLiam



Das Haus gegenüber
ist leer.
Die Morgensonne bricht sich
am geschlossenen Fenster.
Die Esse schweigt.

Kisten, die ich packe,
Stück um Stück.
Obenauf und zuletzt
ein Foto von uns.

Auf dem Gartentisch,
der zwischen uns steht,
Bier und Wein
und frische Beeren
vom Gesträuch hinter den Häusern.

Du lachst
und dein Leben
zieht sich in Falten
wie ein Buch sich in Seiten legt.

Rot-trübe Augen
erzählen Geschichten,
die kein Mund
zu erzählen sich traut.
Ich häng an deinen Lippen,
und am Schabernack.


Mir ist,
als zöge dein Gesicht auf dem Bild
sich schmunzelnd in Furchen.
Ich lächle

zurück

und ziehe ins Haus gegenüber.



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Kommentare zu diesem Text


 BeBa (31.03.21)
Ein schönes, am Ende überraschend trauriges Gedicht. Gefällt mir sehr.

 AvaLiam meinte dazu am 03.04.21:
Hallo BeBa

Abschiede sind nie schön... schon gar nicht von vertrauten Personen... doch sie gehören dazu...um so schöner, wenn wir Orte haben, die voller Erinnerungen sind und an denen wir uns ihnen sehr verbunden fühlen.

Ich wünsche dir ein schönes, frühlingshaftes und sonniges Osterwochenende.
LG Ava
Jo-W. (83)
(31.03.21)
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 AvaLiam antwortete darauf am 03.04.21:
Hallo Jo

Ja, ein Abschied... und ein Neubeginn - mit all den wundervollen Erinnerungen...

Ich wünsche dir ein schönes Osterwochenende.
LG Ava

 EkkehartMittelberg (31.03.21)
Liebe Andrea,
nichts macht mehr Mut als ein lachendes Gesicht, das die Falten zeigt, die das leben gegraben hat.
Herzliche Grüßew
Ekki

 AvaLiam schrieb daraufhin am 03.04.21:
Oh ja - mein Freund... so viele Geschichten können diese Gesichter erzählen... so viele Lehren erteilen... so viel Rat und Trost spenden... und Ideen haben diese Gesichter - unglaublich!!

Ich wünsche Dir / Euch ein sonniges Osterwochenende und bleibt gesund.
Liebe Grüße
Andrea

 GastIltis (31.03.21)
Liebe Andrea,
du hast es gut. Fürs erste.
Wir warten darauf, dass man uns
die Wand zwischen Küche und Bad
herausnimmt, alle Leitungen neu
verlegt und uns wenigstens ein paar Tage
vor dem Tag X sagt, wo wir bleiben dürfen.
Außer, um im Baustaub zu schlafen.
In der nächsten Woche hängen sie
uns eine Gardine aus blauem Netz
vor die Fenster, damit wir, falls wir
zwischenzeitlich die Geduld verlieren
und jemand erschlagen, schon mal
ein Vorgefühl für die Monate
oder Jahre danach genießen dürfen.
Vielleicht sortieren wir dann auch
Fotos einer Zeit, die noch nach
Leben geduftet hat.

Mitfühlende Grüße von Gil.

 AvaLiam äußerte darauf am 03.04.21:
Mein lieber Gil...

...gern sitze ich auch mit dir am Gartentisch und lese deine Zeilen... schaue auf vergangene und erschaffe neue... bei Bier und Wein und freund(schaft)lichen Gesprächen ist das blaue Netz sicher bald vergessen.
Fotos sortieren ist übrigens immer wieder schön... eine Feststellung dabei ist: Von Mal zu Mal sortieren sie sich aus. Waren mir die oder die oder das oder jenes seinerzeit noch so unendlich wichtig und jeden Umzug wert, so fällt es mir heute recht leicht, einige dieser Fotos mit einem letzten Blick beiseite zu legen.

Ich bin gespannt auf deine Berichte über die Bauphase....

Liebe Grüße und ein sonniges Wochenende.
Andrea

 AchterZwerg (01.04.21)
Liebe Ava,

du schreibst aus meiner Sicht von einem Abschied, einem sehr traurigen, immerhin weinseligen Abschied.
Zurück bleibt ein Foto, das "obenauf" liegt, ein Bild des erlebten Lächelns, das ab jetzt aus einer gewissen Distanz betrachtet werden will. Oder muss, wenn auch aus keiner großen.

Ein gutes Gedicht, das es dem Leser überlässt, über die Beschaffenheit der Nachbarschaft nachzudenken.
"Die Esse schweigt" legt immerhin eine Spur zur Gegend des Geschehens, lässt mich auch an ein tödliches Finale denken.

Herzliche Grüße
der8.

 AvaLiam ergänzte dazu am 03.04.21:
Geliebter Achter,

ich liebe deine Art, doppel- oder mehrdeutige Dinge zu entdecken.
Die Worte Esse und Kisten waren sehr bewusst ausgesucht - ja.

Was das Thema "Abschied" angeht, so ist es jedem selbst überlassen, ob er diesen rein als traurig empfindet.
Wir alle müssen gehen - irgendwann... Das wissen wir.
Was wir hinterlassen und ob wir uns dabei einsam fühlen - das haben wir (ein Stück weit) in der Hand.
Es ist gut/schön,, wenn man jemanden in seiner Nachbarschaft, seiner Umgebung hat, der sich mit einem an den Tisch setzt, Gespräche führt, auch mal schweigend ein Bier teilt...mit Wein auf einen lauen Sommerabend anstößt.

Und irgendwann wechseln wir die Seite des Tisches...

Ich hoffe, dir geht es nach der Impfung soweit gut.
Hab ein sonniges Frühlingswochenende.
Liebe Grüße
Ava
Agnete (66)
(01.04.21)
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 AvaLiam meinte dazu am 03.04.21:
Liebe Agnete...

...ich hab es offen gehalten...

Meine Gedanken gingen an einen, befreundeten Nachbarn, meinen Opa, eine ältere einsame Dame nebenan und natürlich auch ans Elternhaus.
Es geht um das was wir mit anderen erleben, was wir von anderen lernen, gerade den Älteren, was mir mitnehmen können an Geschichten, Ratschlägen und Lebenserfahrung.
Und wenn der Zeitpunkt des Abschieds da ist, so verlieren wir sie nie ganz.... Ihre Geschichten tragen wir in uns und irgendwann wohnen wir im Haus gegenüber...

Danke fürs Lesen und deine Worte dazu.
Hab ein schönes Osterwochenende und bleib gesund.

Herzliche Grüße
Ava

 FrankReich (01.04.21)
Hi Ava,

ich wollte mich schon zurücklehnen und lapidar bemerken, dass wenigstens das Haus gegenüber nun nicht mehr leer steht, aber darüber hinaus gedacht fiel mir auf, das sich der Schluss bei angepasster Zwischenhandlung auch anders verdichten lässt, nämlich etwa so:

Das Haus gegenüber
ist leer.

...


Ich lächle

und

ziehe mich zurück ins Haus gegenüber.

Das würde dann natürlich ein völlig anderes Gedicht ergeben, ist auch nur als Gedankenspiel gedacht. 😉

Ciao, Frank

Kommentar geändert am 01.04.2021 um 18:20 Uhr

 Meteor (27.03.24, 22:40)
Sehr schön geschrieben, gerade das allein stehende "zurück" mag ich sehr da es schön darstellt wie du aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückkehrst.
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