Von einem gewagten Gebet und sehendem Unglauben

Anekdote zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! (Johannes 20, 29)
Ein bemerkenswerter Satz Jesu, nicht wahr?
Ich denke, dass die meisten wissen, wie schwer es ist in einer wichtigen Sache blind (jemandem) zu glauben und zu vertrauen. Aber ist es auch umgekehrt auch möglich, dass jemand sieht und dennoch nicht glaubt?

Auf dieses Phänomen des sehenden Unglaubens stieß ich 1985 einige Monate nach meiner Bekehrung zum christlichen Glauben.
  Damals hatte ich mich intensiv bemüht Jürgen, einen engen Freund und überzeugten Atheisten, von der Richtigkeit des christlichen Glaubens zu überzeugen.
Aber was ich auch sagte, es perlte von ihm ab wie Wasser von einem Regenmantel.
Irgendwann begann ich zu begreifen, dass ich ihn durch meine Geschichten und Argumente vermutlich nicht überzeugen würde. Sein Alles ist Natur - Glaube war einfach zu fest in ihm verankert. Ein Wunder, dachte ich, er muss ein Wunder erleben. Dann wird er sich bekehren!
Einige Zeit später besuchte er mich in meiner Unterbacher Wohnung zwecks eines gemeinsamen Spaziergangs im nicht allzu weit entfernten Schlosspark von Eller. Doch es regnete in Strömen:
Nach einer Weile stand Jürgen auf und ging ans Fenster. "Nee", sagte er, "das gibt heute nichts mehr!" Er drehte sich um und setzte sich wieder in den Sessel. "Hör mal", sagte ich, " ich möchte Dir einen Vorschlag machen! Wärst du einverstanden, wenn ich für besseres Wetter beten würde?"
  Er schaute mich verblüfft an: "Ist das jetzt dein Ernst?"
"Ja!", entgegnete ich, "und du wirst sehen, dass es aufhören wird zu regnen. Also, bist du einverstanden, dass ich bete?"
Einen Moment lang schwieg er, dann sagte er plötzlich lachend: "Meinetwegen! Aber nur, wenn ich nicht mitbeten muss!"
War dieses Angebot nicht wirklich sehr mutig von mir? Die Chance einer Blamage nach Lage der Dinge außerordentlich hoch? Einmal in Gang gesetzt, nahmen die Dinge nun ihren Lauf:
Ich konzentrierte mich für einige Sekunden lang und dann begann ich laut zu beten: "HERR, du siehst, dass Jürgen und ich einen Spaziergang im Schlossgarten machen wollen. Für dich ist es ein Leichtes, den Regen zu stoppen und uns besseres Wetter zu schenken. Und genau um dieses Wunder möchte ich dich jetzt - auch als ein Zeichen für Jürgen - bitten. Amen!"
    Während ich betete hatte Jürgen tatsächlich still, fast andächtig,daneben gesessen. Jetzt sagte er: "Da bin ich jetzt aber mal gespannt!" "Du wirst sehen", sagte ich, "Gott wird ein Wunder tun! Komm, lass uns fahren!"
Ein klassisches Glaubensexperiment, oder? Sekt oder Selters, hopp oder topp! Großartiges Wunder oder abgrundtiefe Blamage! Que sera?
 
Natürlich weiß ich nicht, was Jürgen wirklich zu dem Zeitpunkt gedacht hat. Ich gehe aber mal davon aus, dass er fest von einer abgrundtiefen Blamage ausging.
Es regnete nach wie vor in Strömen. So stark, dass die Scheibenwischer an Jürgens Wagen wiederum alle Mühe hatten klare Sicht zu schaffen. Angesichts der Tatsache, dass weiterhin eine tiefdunkle Wolkendecke über uns hing, hätte mir aller Mut abhanden kommen können. In wenigen Minuten würden wir den Schlosspark erreichen und wie sollte sich in so kurzer Zeit noch ein Wetterwechsel vollziehen?
    Schweigend saß ich neben Jürgen auf dem Beifahrersitz und hing meinen Gedanken nach: Egal wie es aussieht. Ich habe ernsthaft gebetet und ich glaube an ein Wunder! Es wird, es muss geschehen! Schließlich geht es ja um mehr  ... wenn er ein Wunder sieht, wird er sich bekehren! , ermutigte ich mich.
    Verstohlen blickte ich zu Jürgen hinüber. Aber der blickte konzentriert nach vorne. Schließlich bogen wir in die Straße ein, die direkt zum Schlosspark führte.
Der Moment der Entscheidung war gekommen. Würde Gott das erbetene Wunder tun oder mich -  im wahrsten Sinne des Wortes – im Regen stehen lassen?
Als wir auf den Parkplatz fuhren, ließ der Regen urplötzlich nach.  "Sieht so aus, als ob der Regen nachlässt!", sagte ich so beiläufig wie möglich. "Ja", entgegnete er ebenso beiläufig, "sieht so aus!" Er parkte den Wagen ein und wir stiegen aus.
    Jetzt tröpfelte es nur noch und ich konnte meine Erleichterung und Triumph kaum noch verbergen: "Sieht so aus, als Gott mein Gebet erhört hat!"
Er schaute mich verblüfft an und lachte dann laut auf. Ich fragte nach: "Warum lachst du? Ist das nicht offensichtlich?" Aber er gab keine Antwort.
     Und in diesem Moment sah ich etwas, was mir geradezu den Atem verschlug: "Jürgen, sieh mal!" Mit meinem Finger zeigte ich in Richtung des Himmels, meinen Augen kaum trauend. Über dem Park, und nur über ihm, war die dunkle Wolkendecke aufgerissen. Ein Stückchen Himmelsblau und die Sonne wurden sichtbar.
    Ich lachte fröhlich: "Na, du alter Zweifler, glaubst du nun, dass Gott ein Wunder getan hat?“
Ein Sieg auf der ganzen Linie, oder? Alles im Vertrauen auf die 7 gesetzt, und bingo! Der Jackpot! Jürgen hatte sein Zeichen von Gott erhalten. Wie würde er reagieren?
Er schaute mich ungläubig an und fragte zurück :"Wieso?" ich blieb abrupt stehen. "Du fragst Wiesooo?  Hat es nicht aufgehört zu regnen? Und  bist du blind? Überall die dunkle Wolkendecke, nur über dem Park ein Stück blauer Himmel und Sonnenschein! Das ist das Wunder, um das ich gebeten habe!"  Jetzt lachte er und schüttelte den Kopf: "Das ist purer Zufall! Sonst nichts!"
Da hatte ich meinen ganzen Glauben in die Waagschale geworfen, das  Wunder war tatsächlich und über das erbetene Maß hinaus geschehen … und er sprach von Zufall. War das auch nur ansatzweise noch nachvollziehbar?
"Wie kannst du sagen, dass das nur ein Zufall ist. Du hast doch gehört, wie ich für gutes Wetter gebetet habe. Und jetzt ist genau über dem Park",  ich wies mit der rechten Hand in den Himmel, "ein blauer Himmel. Und schau dich um." Ich drehte mich langsam um meine eigene Achse und fuhr mit der Hand den restlichen Himmel ab, "ansonsten nur dunkle Wolken.  Das ist das erbetene Wunder. Das musst du doch anerkennen!?"
  Er blieb unbeeindruckt. "Nein, das ist nur ein Zufall, wie es gelegentlich schon mal geschieht! Komm, lass uns in den Park gehen!"

Dieses Erlebnis hat mich damals wirklich etwas verstört. Das jemand sich mit dem Glauben schwertut, der noch nicht gesehen hat, das war für mich nachvollziehbar.
  Aber jemand der ein Wunder sieht und dennoch nicht glaubt, das hätte ich damals eigentlich nicht für möglich gehalten.
"Tatsächlich wanderten wir zwei Stunden bei Sonnenschein im Schlosspark umher. Die dunklen Wolken über den Rest der Stadt blieben die ganze Zeit sichtbar. Natürlich brachte ich die Sprache noch einmal darauf: "Jürgen, wieso kannst du das nicht als ein Wunder akzeptieren? Es ist doch völlig offensichtlich, dass da ein Zusammenhang zwischen meinem Gebet und dem Sonnenschein hier über dem Park besteht!"
    Er blieb stehen: "Nein!", entgegnete er, "das ist einfach nur Zufall gewesen!" "Aber könnte es denn nicht auch ein Handeln Gottes gewesen sein?", versuchte ich ihm eine Brücke zu bauen. "Nein!", sagte er, "denn es gibt keinen Gott!"
So viel ich – allerdings nicht sicher – weiß, hat sich an dieser Grundhaltung bis zu seinem Tode nichts geändert.


Anmerkung von Bluebird:

Die Zitate sind folgendem autobiografischem Text entnommen:  hier

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 loslosch (06.04.21)
o sancta simplicitas!

 DanceWith1Life (06.04.21)
o Faustus, schade dass du das nicht lesen kannst.
Ich hör dich lachen, mit Unterton, der mich stutzig machen würde, aber lachen.
Soll ich bei den zuständigen "Naturgewalten" nachfragen, was sie davon halten?
Ich kann ihm nicht übelnehmen, dass er davon nichts wissen wollte.
Wie wärs, wenn du mal was erzählst, was dir wirklich geholfen hat, in "Zeiten wie diesen", ausser der Klickzahl bei deinen Texten.
Nein, "Dance" du postest jetzt keinen link zu "fütter mein Ego", (tschuldigung, in schwierigen Entscheidungen red ich öfter mit mir selber)
Und eins steht fest, du hast ihn nie verstanden. Schade, ihr hättet euch vielleicht viel zu sagen gehabt.

Kommentar geändert am 06.04.2021 um 15:48 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 06.04.21:
Wenn jemand den "Heinrich Faust" verstanden haben könnte, dann ich: "drum hab ich mich der Magie ergeben" war 1985 genau mein Thema, mit entsprechenden Folgen!

 DanceWith1Life antwortete darauf am 06.04.21:
 einstürzende neubauten
echt jetzt
der einzig wahre faust versteher auch noch

Antwort geändert am 06.04.2021 um 16:58 Uhr

 Bluebird schrieb daraufhin am 06.04.21:
O ja, ich möchte mich da mal aus meinem Vorwort zitieren:
Mephisto: „Was wettet ihr? Den (Faust) sollt ihr noch verlieren, wenn Ihr
mir die Erlaubnis gebt, ihn meine Straße sacht herab zu führen“
Herr: „Nun gut, er sei Dir überlassen! Zieh diesen Geist von seinem
Urquell ab, und führ ihn, kannst Du ihn erfassen, auf deinem Wege mit
herab. Und steh beschämt, wenn Du bekennen musst. Ein guter Mensch
in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl
bewusst.“
(aus Goethes Faust – Prolog im Himmel)

Der moderne und aufgeklärte Mensch von heute mag über die Vorstellung lächeln, dass Gott und der Teufel sich um das Seelenheil eines Menschen streiten könnten. Gilt doch für viele mittlerweile die Existenz Gottes und des Teufels als ein eher lächerlicher Aberglaube,der mit der Realität des Lebens herzlich wenig zu tun hat.
Vermutlich würde ich dies ganz genauso sehen, wenn ich nicht jene Erfahrungen der nachfolgenden Geschichte gemacht hätte. Sie haben mir die Augen geöffnet und mich eines Richtigeren belehrt. So wie Mephisto tatsächlich den Faust zu „fassen“ bekam und ihn „sachte die Straße herab führte“, so geriet ich auf einen gefährlichen Irrweg und machte Erfahrungen mit der dunklen Seite der Macht, die man besser
nicht machen sollte.
Als dann im Juni des Jahres 1985 von einem auf den anderen Moment in meinem Leben die Hölle losbrach, geriet ich an einen Punkt, wo ich wirklich nicht mehr weiter wusste und sogar um mein Leben zu fürchten begann. In diesem Moment griff eine mir wohlgesonnene höhere Macht völlig unerwartet in die Situation ein!
Wer Genaueres wissen möchte:  hier

 DanceWith1Life äußerte darauf am 06.04.21:
ich hör immer nur deine altmodische Meinung über den sogenannten "modernen Menschen", wenn du wirklich "offenen auges" durch die Welt laufen würdest, müsstes Du etwas ganz anderes "sehen".
"Eingreifen" lach, der Computer hängt in einer Befehlsschleife, friert ein und wird neu gestartet, vom Support. Und danach erzählt das Programm, eine "Höhere Macht" hätte wohlwollend eingegriffen. Aber an Gespenstern kommt ihr nicht vorbei, glaubt mir.
Dann erzählt es (Blue) noch nebenbei, ein Programm war nun gelöscht, ohne diese befreiende Formulierung ( den wahren G) je geglaubt zu haben.
Ich will mich ja nicht in dein Feingefühl einmischen, aber bist du ein Staubsaugervertreter vom Teppichladen "Ewige Verdammnis" oder was soll das?
Wenn ich jetzt sagen wir mal, glaube, das war ein "Wunder", was passiert als nächstes, hast du noch andere Tricks auf Lager.

Antwort geändert am 07.04.2021 um 13:42 Uhr

 Dieter Wal (06.04.21)
Inhaltlich zwar wie zumeist bekloppt, doch diesmal erscheint mir der Stil wesentlich besser.
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