Murakami lesen

Kritik zum Thema Literatur

von  Jedermann

Richtig gute Unterhaltungsliteratur, das braucht der Mensch gelegentlich! Und, um es vorweg zu nehmen, die kann Haruki Murakami dem Leser geben.
Es begann damit, dass ich ein Buch mit zwei schmalen frühen Murakami Romanen geschenkt bekam. Wenn der Wind singt und Pinball 1973 lasen sich leichthin so weg. Jahre später las ich die Erzählung Schlaf. Eigenartig, anziehend und absurd wirkte auf mich die Mischung der Schilderung bürgerlicher Mittelstandslangeweile und dem Wunsch dieser mit fantastischen Mitteln zu entfliehen. Die Erzählung endet abrupt.
Dann lagen Murakamis Romane gut sichtbar in den Bücherläden aus. Zuerst 1Q84 und später Die Ermordung des Commendatore. Der Ermordung des Commendatore konnte ich nicht widerstehen. Und ich las den ersten Teil nahezu am Stück in mich hinein. Da war sie, die wohl abgestimmte literarische Mischung, ein feinstes Curry: Helden, die zur Melancholie neigen und dennoch kraftvoll sind, mit ihren einzelgängerischen Zügen anziehend wirken und ihre Neugierde zurückhalten können; Menschen die, besondere Fähigkeiten besitzen, diese aber als normal empfinden und nie auf den Gedanken kämen sich damit zu brüsten; Menschen mit Feinfühligkeit und guten Manieren.
Murakami verwebt in der Handlung die Moderne mit japanischer Mythologie und flicht Betrachtungen über Malerei und Musik ein. Er arbeitet dabei gerne mit Kunstformen und Gattungen, die nicht so sehr bekannt sind. Die Musikstücke, die er auswählt, um besondere Wendungen in der Handlung oder der Grundstimmung der Protagonisten zu unterstreichen, machen dies deutlich. Im Roman Die Ermordung des Commendatore ist es Der Rosenkavalier von Richard Strauss, in 1Q84 die Sinfonietta von Leoš Janáček. Beide Stücke besitzen in ihren harmonischen Aufbauten gewisse disharmonische Klangreihen und sind damit für Nichtklassik-Liebhaber sehr schwer zugänglich.
Murakami beschreibt sehr gerne äußerst detailliert alltägliche Handlungen und teilt dabei genau mit, welche Marken gegessen, getrunken, getragen oder gefahren werden.
Murakami arbeitet auch nicht selten mit Wiederholungen. So kann es vorkommen, dass ein Protagonist das vorab Geschehene noch einmal für sich bewusst retrospektiv durchgeht.
Die beiden letztgenannten Punkte führen ganz selbstverständlich zu mehr Text, der in meinem Fall mit dem Mut zum Querlesen verbunden ist.
Ja, die Lektüre des ersten Teils des Romans Die Ermordung des Commendatore empfand ich so spannend, packend, fesselnd, dass ich das Buch bevor ich es auslas – im Übrigen fast ohne Querlesen – nicht zur Seite legen konnte. Ich las mit etwas Zeitabstand Teil 2, konnte jedoch an mein erstes Murakamifieber nicht mehr anschließen. Ein Jahr später las ich 1Q84, in dem sich die Handlung um zwei gegensätzlich Charaktere rankt, die füreinander bestimmt sind, davon träumen und nicht zusammenkommen können.
Es gibt viel spannende Handlung und Einiges zu entdecken in den Romanen des Haruki Murakami; gelegentlich ist die Fähigkeit zum Querlesen von Nutzen.


Anmerkung von Jedermann:

Ich habe auf Inhaltsangaben zu Murakamis Werken verzichtet und ausschließlich meine Leseeindrücke in komprimierter Form geschildert. Rezensionen zu seinen Werken findet man beispielsweise über  Perlentaucher.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (07.04.21)
Von Murakami habe ich noch kein einziges Buch gelesen, muss ich zu meiner Schande gestehen.
Umso mehr freue ich mich über deinen Beitrag und den Link.

Herzlichen Dank

 Jedermann meinte dazu am 07.04.21:
Die Erzählung Schlaf wäre ein Test, ob Murakami etwas für dich sein könnte!

 minze (07.05.21)
mein absoluter Lieblingsautor.
finde, du konntest einige Aspekte gut benennen, die mich auch mitreißen. ich versank unhaltbar in allen seinen Romanen.

LG

 Jedermann antwortete darauf am 07.05.21:
Aber so richtig kann ich es mir nicht einmal selbst erklären, warum ich nahezu süchtig am Teil 1 der Ermordung des Commendatore hing! Vielleicht schreibst Du eine Murakami Reflektion.

 minze schrieb daraufhin am 07.05.21:
interessant, dass es dir beim zweiten anders ging, mir genau gleich. aber wie gesagt: bei allem eigentlich.

ich traue mich glaube nicht an eine Reflektion, könnte aber mein Lesegefühl vielleicht einmal hier wiedergeben, wenn ich mal wieder reinlese. bin keine Romankritikerin, könnte einfach nur sagen, was mein Feeling ist, wie er mich persönlich berührt und packt - evtl.


Hast du auch den Kafka am Strand gelesen?meine Einstiegsdroge

war das erste, was mich total reingerissen hat, aber auch die kürzeren, Naokos Lächeln (übrigens gibts ne gute Verfilmung, hat mich erstaunt, dass ich darauf anspringen konnte).

 Jedermann äußerte darauf am 08.05.21:
Das Lesegefühl wiedergeben, ja das ist die Idee! Ich werde Kafka am Strand lesen.
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