Flügel

Skizze zum Thema Angst

von  nadir

... überdies ähnelt sein Gehirn eher einem Magen, sobald er sich sattgefressen hat an irgend einer Art von Erkenntnis, beginnt er sogleich damit sie zu verdauen. Er bleibt jedoch nie lange genug satt, um von sich sagen zu können; das Neue? Das ist nur eine unbequeme Art des Alten. Aber er ist auch nie lange genug Hungrig um von sich sagen zu können; das Alte? Das ist nur eine unbequeme Art des Neuen. … überhaupt ist ihm alles sehr bequem …

Da ist nur dieser eine Gedanke, den er nicht verdauen kann, nämlich jener, er könne mit einem Gedanken einmal nicht zurechtkommen. Er begräbt ihn sogleich unter einer Flut von nervlichen Überreizungen und hinkt auf eben jenen Beinen fort, mit denen er in dieses Leben hineingeboren wurde, obgleich das Leben ihm soeben Flügel zur Fortbewegung gereicht hat …

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Kommentare zu diesem Text


 DanceWith1Life (15.04.21)
ich mag diese Skizze, ich könnte dir nicht mal sagen warum, aber das stört mich gar nicht.
Nicht weil so undramatisch eine sehr haarsträubende Zwickmühle beschrieben wird.
Auch nicht weil diese so scheinbar unbeteiligt dargestellt wird
Auch nicht wegen der wirklich trockenen Schlussbemerkung.
Und schon gar nicht wegen des fast unsichtbaren Humors.
Ich könnte dir wirklich nicht sagen, was mir daran so sympathisch ist.
Vielleicht wegen des Titels.
Könnte sein, seit ich zu schreiben angefangen habe, vor 50 Jahren übte dieses Wort eine Anziehungskraft aus.

Kommentar geändert am 15.04.2021 um 02:14 Uhr

 nadir meinte dazu am 15.04.21:
freut mich, dass sie dir gefällt. wobei ich hoffe, dass soe dir nicht bloß wegen dem titel gefällt ;) dann wäre dann ein bischen wenig ...

lg
nadir

 DanceWith1Life antwortete darauf am 15.04.21:

 Mondgold (15.04.21)
Die Skizze leuchtet mir irgendwie ein. Aber Warum?
Ich kann eine Resonanz in mir dazu wahrnehmen. Ich meine in meinem Erlebnisfeld-Welt.
Ein Gehirn-Magen, der den Inhalt seines einverleibten Wissens schnell veräußert, um den Erkenntnisprozess des Verdauens nicht "spüren" zu müssen, geschweige dem in diese neue Erkenntniswelt selber leibhaftig einzugehen, muss erst einmal sein Ganzes Wesen verstehen um sich vom Leben ergreifen zu lassen.
Ich fühle ein Mitgefühl des Erbarmens in mir, so dass ich den Impuls verspüre, ihm lieber den einen Flügel wegzunehmen, als ihn so humpelnd weitergehen zu lassen. Aber warum?
Wie du siehst, die Skizze lässt mein Gehirn mit zwei Flügel über den Prozess kreisen.
Sehr inspirierend.
LG MO

 nadir schrieb daraufhin am 15.04.21:
das ist ein sehr schöner kommentar! vielen dank, dass du mich an deinen gedanken teilhaben lässt :)

immer schön, wenn ein text etwas auslöst

lg
nadir

 EkkehartMittelberg (15.04.21)
Hallo nadir, ich interpretiere deinen Text so: Wenn man einen Gedanken nicht verdauen kann, darf man mal davonfliegen. Vielleicht kehrt man nicht als derselbe zurück und dann ist er bei der Rückkehr kommensurabel.
LG
Ekki

 nadir äußerte darauf am 15.04.21:
im hintergrund dieses textes steht eigentlich der gedanke der angst, wie er von kierkegaard begriffen wurde. daher auch die anspielung auf die flügel am ende. aber wer den text anders und eigen lesen möchte, darf dass natürlich tun!

vielen dank, ekki und
lg
nadir

 Soshura (15.04.21)
Die Gegenwart ist wunderbar. Etwas Verrücktes zu tun, bedarf keiner Notwendigkeit.

 nadir ergänzte dazu am 15.04.21:
danke soshura für deine worte.
auch wenn ich probleme damit habe, sie mit dem text in einklang zu bringen.

lg
nadir

 Soshura meinte dazu am 15.04.21:
Ich kann es Dir nicht erklären, halte es auch nicht für ein Problem. Im Gegenteil.

 Artname (15.04.21)
Ich kenne diese Befürchtung. Es ist die Angst eines Dichters, die Krücke komplizierter Bilder plötzlich nicht mehr zu brauchen, weil er es auch ohne sie kann: Fliegen!

 nadir meinte dazu am 15.04.21:
so kann man es lesen, ja. danke dir :)

lg
nadir

 AchterZwerg (15.04.21)
Die Poesie ist ja die natürliche Gegnerin der Philosophie.
Etwas ganz zu Ende zu denken ist nicht deren Aufgabe - eher das Spiel mit den Worten. Und ihr eleganter Flug..
Insofern ist der Autor hier (noch) kein Dichter. Die Angst vor dem Fliegen überwiegt.

Liebe Grüße
der8.

 nadir meinte dazu am 15.04.21:
vielleicht gehört er jener seltsamen zwittergruppe an, die am ende ihres philosophischen schaffen, mit einem seufzer ausrufen müssen; nur narr, nur dichter, und dabei nur knapp an der lüge vorbeischrammen, wer weiß.

lg
nadir
Sin (56)
(15.04.21)
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 nadir meinte dazu am 15.04.21:
o, das ist ein schönes lob :) danke dir!

lg
nadir
Agnete (66)
(15.04.21)
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 nadir meinte dazu am 16.04.21:
die flügel beziehen sich ja aber eigentlich auf die angst. es ist eine lächerlichmachung des sprichwortes, angst verleihe flügel. gleichzeitig aber auch eine anspielung aus die philosophie kierkegaards, in dem die angst, die sich, wie der gedanke im text selber zum inhalt hat, befreiend wirkt. wobei es bei mir nicht die objektlose angst vor dem nichts ist, sondern die angst vor der angst selber.

aber egal, das ist vielleicht zu kompliziert, wenn man kierkegaard nicht kennt, deine lesart ist jedenfalls interessant und natürlich berechtigt :)

lg
nadir
Hilde (62)
(15.04.21)
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 nadir meinte dazu am 16.04.21:
coole interpretation, hilde :)

seltsam, dass wir wohl tatsächlich häufiger hinken wollen, als uns durch die lüfte fortzubewegen, obwohl man die gelegenheit dazu oft genug bekommt ...

lg dir
nadir

 Regina (16.04.21)
Ein Gedanke, der nicht in die gewohnten Bahnen passt, ist wie ein ganz anderes Essen, gegen das der Magen rebelliert. Das Gehirn kann versuchen, davonzuhinken, der Geflügelte aber wird eines Tages wieder vor ihm stehen und angenommen werden wollen. Sehr eindrucksvoll dargestellt. LG Gina

 nadir meinte dazu am 16.04.21:
danke dir gina :) schöne gedanken, die du mir dagelassen hast, danke dafür :)

lg
nadir
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