Fell

Innerer Monolog zum Thema Alleinsein

von  RobertBrand

So manche weibliche Begleitung, die in den letzten Jahren das Ver- oder Mißgnügen hatte, je nachdem wie man es betrachten möchte, nachts neben mir zu liegen, merkte - und zwar alle unabhängig voneinander - an, dass man an anhand meiner Oberkörperbehaarung die Nähe zu den Baumbewohnern noch erkennen könne.
Und obwohl ich manche dieser verschiedenen Sticheleien gegen mein Fell durchaus unangebracht und manche davon sogar glatt beleidigend fand - so fehlt mir doch eines ganz gewiss - eine sanfte Frauenhand, die erforschend durch meine Haare gleitet und streicht.
Eine Hand, die knapp über meiner Haut entlang streicht und meine Haare sanft berührt und mich so ihre Nähe dennoch spüren lässt.
Aber bitte nicht gegen den Strich bürsten, dass mögen selbst Hunde und Katzen nicht.
Warum sind meine Haare auf den Schulterblättern und auf den Oberarmen länger als auf den Unterarmen, wo diese doch die Mehrheit ihres Daseins im Freien verbringen dürfen aufgrund diverser modischer Entscheidungen wie kurzärmeligen Hemden und T-shirts, während die erstgenannten den Großteil ihres Daseins unterhalb eines Kleidungsstückes verbringen und nur zur Nachtruhe und im Sommer zum Baden freigelegt werden?
Warum sind die so oft von Kleidung bedeckten Körperhaare so vieles dunkler als die Kopfhaare?
„Wird dein Brustfell auch irgendwann mal weiß, wie deine Schläfen?“
„Ich dreh so gerne kleine Kreisel ein mit den Haaren am Oberarm.“
„Du hast ein paar weiße Haare auf der Brust - mittendrin, aber die anderen sind noch schwarz!“
„Du hast ganz witzige Wirbel im Rücken, richtige Muster im Rückenfell ..“
„Igitt, du haarst ja mehr als meine Katze“, sagte eine zu mir, die eine weiße Couch ihr eigen nannte, nachdem wir am Abend im Sommer unbekleidet darauf ferngesehen haben.
Ich habe von jeher dunklere Möbel lieber, dort sieht man den täglichen Verlust an Fell nicht so drastisch.
Ich stutze mein Fell aber nicht. Ich kratze mir zwar regelmäßig das Haar, welches auf dem Gesicht nicht minder schnell oder dicht wächst, eben aus dem Antlitz - aber ansonsten dürfen meine Haare wachsen und gedeihen nach eigenem Ermessen.
Die Hauptbehaarung wird regelmäßig versucht zu behübschen, da eben dort das Wachstum zu Ende meiner wilden zwanziger massiv nachgelassen hat und auf der Platte der Wald doch massiv ausgedünnt wurde. Wohingegen die Schläfen und der Hinterkopf nach wie vor dicht wie eh und je bewachsen sind.
Ungerecht empfinde ich hingegen die scheinbar rasante Vermehrung der Behaarung in den Körperöffnungen wie Nasenlöchern oder Ohren. Ich will Haare auf dem Kopf - nicht im Kopf.
Weil - das Fell am Rücken und auf der Brust wird größtenteils noch akzeptiert und spielerisch geduldet - während hingegen die Nasen- und Ohrbehaarung durchgehend als abstoßend empfunden wird, was ich allerdings auch verstehe, denn ich finde sie persönlich auch nicht besonders anziehend.
Ebenso finde ich den Anflug von Oberlippenbehaarung bei Damen wenig attraktiv.
Hexen- oder Geißenhaare in einer Hautverdickung, man könnte es auch Warze nennen, sind ebenso äusserst wenig anziehend auf mich.
Was ist es schlussendlich, das Fell, dass mich zur Zeit beschäftigt - nein, ganze Industrien und Heerscharen von Menschen beschäftigt?
Schutz vor der Sonne?
Wimpern - schützen vor Schweiß und Verschmutzung im Auge.
Achselhaare - entfernt als Schönheitsideal und doch zur Regulation der Körpertemperatur ursprünglich gedacht.
Warum ist der Mensch ein fast nackter Affe?
Haben wir das Fell zum großen Teil aus Schutz für uns selbst verloren - um weniger Insekten und Parasiten darin unterbringen zu können?
War es zu Beginn Schutz vor Hitze wurde es später vielleicht zur Plage, jeder der schon mal Kopfläuse gehabt hat wird wissen, wie gut Haarlosigkeit sein kann …
Egal wie und warum - ich mag meine Haare.
Und ich mag eine sanfte Hand darin und darüber streichen haben.
Das fehlt mir zur Zeit am allermeisten.

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