Verschwundene Kunst in einer nicht verschwundenen Stadt – Meine Tipps für die Bielefelder Kunsthalle

Text zum Thema Kultur

von  Thomas-Wiefelhaus

Natürlich gibt es selbst  in einem Museum einer real existierenden Stadt wie Bielefeld auch das Verschwinden der Kunst, bzw. die Kunst des Verschwindens.
In der Kunsthalle Bielefeld, die ich meist nur sporadisch besuche, hing vor vielen  Jahren für längere Zeit, ich glaube in der 2. Etage, also an bevorzugter Stelle, ein schwarzes Bild. Nein, nicht ein schwarz-weiß Bild, sondern ein Bild das dunkel übertüncht war. Darunter stand ein Titel, an den ich mich nicht mehr erinnern kann. Hier wurde nach der Vorstellung des Betrachters gefragt! Wir zeigen nicht mehr die Kunst, Fantasie allein soll ausreichen! Sie selber ist die Kunst!

Ich meine, gelesen zu haben, dieses Kunstwerk habe ein nicht eben klägliches Sümmchen gekostet.
Wäre ich selbst der Künstler, hätte ich wohl ein weniger gut geratenes Werk mit klangvollen Titel zum Übertünchen ausgesucht!

In einer Galerie, schräg gegenüber der Kunsthalle, sah ich vor Jahren ein Bild eines Bielefelder Künstlers, mit dem es eine besondere Bewandtnis hatte. Sah ich mir das Bild vom nahen an, konnte ich nicht viel erkennen. Nur irgendwelche merkwürdigen Farbflecken ohne erkennbare Bedeutung? Was wollte der Künstler damit sagen? Ein paar Schritte zurück, plötzlich entstand Figürliches. Das konnte ich so oft wiederholen, wie ich wollte, es klappte immer! Nanu? Ist es nicht eine Regel, dass man besser erkennt, wenn man näher heran tritt? Hier war jedenfalls das Gegenteil der Fall! Dies Bildnis war wie ein Symbol für die angeblich verschwundene Stadt Bielefeld: vom weiten glaubt man etwas zu sehen. Will man dorthin gelangen, verschwindet die Stadt wie in einem Nebel! Genauso wie die Bielefeld-Verschwörungs-Satire es behauptet hat.

Im Keller der Kunsthalle wurden dagegen 2011 eine Zeitlang Bilder von Patienten aus Bethel gezeigt. Auf einem Bild waren ein Junge und eine Frau (Die mich merkwürdigerweise an die Frau eines Heim-Erziehers erinnerte.) mit freien Oberkörpern auf einer Couch sitzend zu sehen, die Verbotenes taten. Die unteren Regionen des Bildes waren, diesmal aus Pietätsgründen, (Sicher nicht um die Fantasie anzuregen?!) abgedeckt, aber damit nicht verschwunden!. Auf der Texttafel stand, dass es einen Missbrauch darstelle und dass der Künstler Selbstmord verübt habe. Ich konnte mir das jedenfalls viel viel besser vorstellen, als das verdeckte Kunstwerk im Beispiel eins.

Ich persönlich hätte ja die Bethel-Ausstellung (des Künstlerhauses Lydda) nach oben und das verschwundene teurere übertünchte Bild lieber gleich in den Keller gehängt. Sicher ließe sich mit den Bildern von Bethel-Patienten die Kunsthalle mehrfach bis unters Dach füllen. Selbst wenn man nicht mal den heute gebotenen Mindestabstand einhielte!  Das wär viel preiswerter und bestimmt nicht die schlechteste Ausstellung.

Ich stelle mir 3 verschiedene Ausstellungen vor. Die Kunsthalle Bielefeld, voll mit Werken:
1. mit übertünchten Bildern bekannter Künstler,
2. mit Bildern deren Umrisse und Aussagen beim nähertreten in nichts sagenden Farbfeldern verschwinden
3. mit den Werken von Psychiatrie-Patienten oder Körperbehinderten.

Welche wäre wohl am interessantesten?
Welche Ausstellung würden die meisten Kunstinteressierten besuchen?

Ich befürchte, die erste, denn bekannte Namen „ziehen“!

Natürlich käme es nicht kostengünstig, einen Chagall oder Dali zu übertünchen, nur um ihn dann eine Weile auszustellen. Dazu müsste man in Bielefeld erst eine Farbe entwickeln, die man hinterher weg pusten kann, um die Leihgabe später unbeschadet zurückzugeben.

Das Rezept wäre einfach: man nehme das echte Kunstwerk, eine Leihgabe aus Paris oder New York, dann Leinwände in der Originalgröße, male munter Strichmännchen auf, und übersprühe diese dann in den passenden Lieblings-Farben der Maler. Für van Gogh würde sich zum Beispiel Sonnenblumen-Gelb empfehlen. Dann einfach die Namen der berühmtesten Künstler und deren Titel drunter schreiben! Fix in der Kunsthalle verteilen und fertig wäre die Ausstellung der übertünchten weltweit bekannten und berühmten Künstler! Das Publikum darf staunen! Wer möchte hier von Fälschungen reden? Sieht doch alles genauso bunt übermalt aus, als wäre es echt!
Das wäre dann die stolze Rache an all denjenigen, die immer nur auf Preise und Namen achten und unbekannten Künstlern keine würdigen Blicke schenken.

Und zum weg pusten der Farben und wieder herbeizaubern der Originale würde ich einfach die Ehrlich-Brüder aus dem nahen Herford engagieren! Die nehmen sicher einen guten Stundenlohn, wären aber immer noch kostengünstiger, als ein ausgeliehener, übertünchter Rembrandt, van Gogh, Picasso,  oder ???, die man nach der Kunstaktion aufgrund ihrer Zerstörung leider entsorgen müsste. … es sei denn, sie wären durch die Kunstauktion und das Übertünchen im Wert gestiegen!

Persönlich bevorzugen würde ich aber Ausstellungen der 2. und 3. Kategorie! Man soll die Werke von Körperbehinderten oder Psychiatrie Patienten, gerade auch in Bielefeld, nicht verschwinden lassen!

Es gibt auch noch eine 4. Art Kunst verschwinden zu lassen! Ein Bekannter zeigte mir ein Bild mit Feldern, die in Umrissen einen schlafenden Hund darstellten.
Doch der Künstler höchst selber meinte: "Da ist kein Hund!"

Nanu? Ein Künstler, der einen Hund malt, den er selber gar nicht sieht? Wo ist der nur hinverschwunden? Magie?

(Ich wollte schon protestieren. Aber mal sollte ja keine schlafenden Hunde wecken!)


Anmerkung von Thomas-Wiefelhaus:

Meine vier Wände
Etwas mutig von mir, hier ausgerechnet über Kunst zu schreiben. Ich bin nicht der eigentliche Kunstkenner, male wohl selber ab und zu das ein oder andere Bild. Bilder,
mit denen ich dann meine heimischen 4 Wände zieren. An jenen hängen, außer eigenen Werken, ausschließlich Originale von Menschen, die ich irgendwann in meinem Leben kennengelernt habe.
Darunter eines in Öl und eine Zeichnung von eben dem Daniel aus meinem Buch, den ich mit 14 Jahren zum 1. Mal in Bethel gesehen und später wiedergetroffen habe. Das erste Bild hat er mir nach mehreren Selbstmordversuchen geschenkt. Aber das wäre eine andere Geschichte. Für das andere habe ich 50 DM bezahlt. Ich kann es schwer beschreiben. Betiteln würde ich es mit: der Kopf im Strudel des Poseidon.

Es gibt nur eine Ausnahme-Bild, auch ein Original von einen mir vollkommen unbekannten Künstler, – auf einem Hausflohmarkt für 5 Euro erstanden, weil es mich thematisch an ein eigenes Bild erinnert.

Und neulich habe ich Lithographien mit Wasserschaden auf dem Sperrmüll gefunden! Habe ich die nicht schon mal in irgendeiner Ausstellung gesehen? Ein Déjà-vu?
Vielleicht hänge ich mir die auf?

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (05.05.21)
Flott geschrieben, aber ich hätte die (Ab-)wertungen rausgelassen, sodass man sich als Leser ein eigenes Urteil hätte bilden könne, anstelle eines ungefragt mitgeliefert zu bekommen. Zu meiner Schulzeit war es noch üblich, die eigene Meinung nur im letzten Absatz wiederzugeben. Das empfinde ich auch heute noch als sehr rücksichtsvoll und anständig. Ist heutzutage natürlich völlig "out", es zählt nur noch die Meinung uns sonst nichts.

 Graeculus meinte dazu am 05.05.21:
Die Hälfte der Schüler, so las ich heute in einem Forschungsbericht, kann zwischen Fakten und Meinungen gar nicht mehr unterscheiden - sie können einen Text nicht zuordnen.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 05.05.21:
So ist es, leider.

 Thomas-Wiefelhaus schrieb daraufhin am 06.05.21:
Ich las mal in einer Studie, dass Leser eines Romans bei Befragungen nicht einmal der selben Meinung waren, welches die Hauptperson(en) war, usw.

Offenbar hat, wer ein Buch schreibt, dass dann 1000 Lesen, quasi 1000 Bücher geschrieben.

"Ein eigenes Urteil" ist sicher in aller Regel richtig, aber der Text steht für eine Bielefeld Kolumne, die ich ja zukünftig maximal unregelmäßig schreiben möchte. (Weil mich andere Themen mehr drücken!) Dort schreibe ich auch über meine Person und meine Gedanken, Ansichten und Gefühle.
Eine Kolumne ohne Kommentare? Geht das? -- Kann ich ja mal drüber nachdenken?


Sie ist ein Meinungsbeitrag und spiegelt somit die Ansichten des Autors zu einem Sachverhalt wider.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 06.05.21:
Wieso steht der Text dann nicht bei den kV-Kolumnen?

Webmaster richtet dir es vlt. so ein, dass man sie nicht kommentieren kann...

 Jedermann (21.06.21)
Ich würde auch eine Ausstellung der Kategorie 2 oder 3 bevorzugen. Zum einen finde ich es sehr bedauernswert, wenn Kunstwerke übermalt würden :(.
Zum anderen bieten die Techniken des Spachtelns und Tupfens von Öl- oder Acrylfarben genau den beschriebenen Effekt: Mit der Entfernung entsteht das Bild :). Verblüffend!
Und letzendlich, die Kunst aus der Psychatrie ist auch sehr interessant, vorallem die Selbstdarstellungen der Patienten.

Gruß in die nichtexistente Stadt mit Kunsthalle.
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