Der Mensch stirbt nach dem Anthropozän

Essay zum Thema Evolution

von  Jedermann

Illustration zum Text
(von Jedermann)
Um es vorweg zu nehmen, die Epoche, durch Crutzen und Stoermer 2000 und 2002 vorgeschlagen,  wurde nicht eingeführt. Auf dem 35. Internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt 2016 wurden zwar die Thesen der beiden Forscher bekräftigt, allein die Abstimmung in der stratigraphischen Kommission führte zur Ablehnung der Einführung des Anthropozäns. Nun mag es ja egal sein ob der Mensch am Ende einer selbst benannten Epoche oder einfach so ausstirbt!
Stellvertretend für die pessimistische Sicht in unsere Zukunft steht die mittlerweile allgemein postulierte Verantwortlichkeit der Menschen für den Klimawandel. Noch vor einem Jahrzehnt haben Fachpublikationen in und um das Thema Klima zu mehr als 60% keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ursachen der Veränderung gezogen. Das hat sich in den letzten zwei Jahren drastisch verändert. Jetzt benennen mehr als 60% der Publikationen den Menschen als Hauptakteur im Klimawandel.
Da ist es fast schon sträflich zu erwähnen, dass wir in der Erdgeschichte wesentlich höhere Temperaturen nachweisen können, als das schlimmste Szenario des Intergovernmental Panel on Climate Change mit ~5°C Temperaturanstieg in 100 Jahren angibt. Mein Liebingsbeispiel beruht auf dem Nachweis von Mangroven im frühen Eozän von Spitzbergen. Die Kontinente hatten vor 50 Millionen Jahren schon fast die heutige Form und Lage erreicht. Spitzbergen befand sich bereits hoch im Norden aber die klimatischen Verhältnisse waren mit denen der Karibik vergleichbar.
Der Skeptizismus hinsichtlich unseres Überlebens als Spezies beruht auf all den Dingen, die wir negativ wahrnehmen oder über die wir informiert werden: Klimawandel, Artensterben, Übernutzung, Verschmutzung, Überbevölkerung, regionale Konflikte. Es stimmt, wir verändern die Erdoberfläche drastisch in Rekordzeit. So ist die Verlagerung von Material durch den Menschen mittlerweile um den Faktor Zehn höher als der Sedimenttransport der Flüsse. Das ist schon mal ein beeindruckende Zahl.
Das Artensterben wird häufig in Zusammenhang mit unserem möglichen Verschwinden gebracht.
Sechs mal hat es im Verlauf der Erdgeschichte Massensterben gegeben. Die Gründe dafür scheinen jedoch jedes mal anders gelagert gewesen zu sein. Nach diesen Ereignissen erholte sich das Lebenssystem ziemlich schnell. Es dauert in der Regel nicht mal 1 Millionen Jahre und die ungeheuerlichsten Neukreationen in Tier- und Pflanzenwelt kreuchten und fleuchten auf, über und unter der Erdoberfläche. Apropos, 99,9% aller jemals auf der Erde lebenden Arten sind ausgestorben. Legt man diese Zahl zugrunde, dann kann, nein, muss es uns auch erwischen.
Zitat aus Goethes Faust Teil I:
… denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;

Auch Arten und Gattungen altern, brauchen ihren Genpool auf oder entwickeln sich ungünstig. Man spricht im letzteren Fall von evolutionärer Selbsttötung.
Wir Menschen besitzen jedoch etwas, was bisher keine andere Lebensform auf der Erde erreichen konnte. Mit unserer Intelligenz gestalten wir durch Arbeit andere von der natürlichen Entwicklung abweichende Ebenen. Wir produzieren bewusst in immer kürzerer Zeit auf immer höherem Niveau. Vor 20 Jahren war das Smartphone noch nicht erfunden, aber in den Köpfen kluger Menschen bereits erdacht. Hier sei ein kleiner Einschub zu Abhängigkeiten gestattet. Mir wurde bewusst, dass der Verlust des Smartphones auf einer Reise oder auch nur im Alltag zu gravierenden Problemen führen würde. Man kann es durch eine Antwort auf die Frage „Stellen Sie sich vor ihre Wohnung brennt und Sie dürfen nur eine Sache mitnehmen?“ auf den Punkt bringen. „Das Smartphone!“ Ich erwähne das Smartphone explizit, da – obwohl wir viele Abhängigkeiten besitzen – der erste Schritt der Verschmelzung von Mensch und Technik damit vorgezeichnet ist.
Die Menschen haben eine Eigenschaft, die gleichzeitig Segen und Fluch brachte, aber immer die Entwicklung beschleunigte, den Drang nach Expansion; aggressiver Expansion. Die USA wurden innerhalb von 150 Jahren durch die Masseneinwanderung der Europäer zum führenden Macht- und Technologiezentrum. Solcherart Zentren wirken treibend auf die anderen Gebiete. Aus der Geschichte der Menschheit kennen wir einige Zentren der Zivilisation, die aufstiegen und verfielen. Jetzt scheint die Nummer Eins auf China überzugehen.
Genau dieser aggressive Expansionsdruck könnte uns helfen zu überleben. Wir gewinnen der Überbevölkerung eine positive Seite ab. Da die Erde ziemlich dicht besiedelt ist, werden jetzt die Weltmeere einbezogen und bald auch die erdähnlichen Planeten. Die Überbevölkerung besitzt eine weitere positive Nuance. Die Anzahl besonders intelligenter Menschen steigt.
Aber vielleicht müssen wir nicht unbedingt in unserer körperlichen Form weiterleben. Ausreichend wäre doch die Intelligenz. Sie allein ermöglicht die Prozesse des Gestaltens und Erschaffens. Wären wir in der Lage, und sei es nur durch Zufall, eine von uns unabhängige Intelligenz zu schaffen, hätten wir ganz im Sinne der Evolution gehandelt.
Wir sind ein Produkt der Evolution und daher gehandikapt. Das Beispiel einer intelligenten Spezies, die nur zwei Raumdimensionen kennt unterstreicht dies. Die Spezies lebt auf einem Blatt Papier, plötzlich bohrt sich eine Nadel durch das Blatt. Wie würde diese Spezies das Ereignis interpretieren, da ihr doch die Fähigkeit die dritte Raumdimension zu erkennen nicht gegeben ist?
Das Anthropozän, sollte es doch noch eingeführt werden, kann ganz schön lange dauern. Die vergangenen Epochen umfassen Zeitspannen zwischen 45 und 3 Millionen Jahren. Da hat der Mensch noch genug Zeit die Erde kräftigst zu schinden und zu verändern. Aber so ist es nun einmal, das Leben bedeutet Leben zum Selbstzweck. Kein Lebewesen lebt mit bewusster Nichtausnutzung seiner Fähigkeiten. Warum sollte der Mensch es tun. Wir müssen expandieren und sei es in Form der Intelligenz, die den Weltraum füllt, Sonnensystem für Sonnensystem, Galaxie für Galaxie einnimmt. Auf in die Unsterblichkeit!


Anmerkung von Jedermann:

Dieser Text entstand nach dem Lesen von  Graeculus' Bericht  Nach dem Anthropozän?.

Crutzen, Paul J.: “Geology of Mankind.” Nature 415 (2002): 23. http://tinyurl.com/crutzen-geo
Eugene F. Stoermer: “The ‘Anthropocene.’” Global Change Newsletter 41 (2000): 17–18. http://tinyurl.com/crtzen-igbp
Price, S. J., Ford, J. R., Cooper, A. H., & Neal, C. (2016). Humans as major geological and geomorphological agents in the Anthropocene: The significance of artificial ground in Great Britain. Philosophical Transactions of the Royal Society A, 369, 1056–1084.

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (08.07.21)
Bisher haben Menschen (und wohl auch andere Tierarten) auf Überbevölkerung und andere Verschlechterungen von Lebensbedingungen mit Migration, Kolonisation und Expansion reagiert, was natürlich fast immer zu Konflikten geführt hat.
Bietet sich da heute das Weltall an?
Eine Evakuierung der kompletten Erdbevölkerung in Richtung terraförmiger oder terrifizierter Exoplaneten - technisch heute noch nicht möglich - würde unsere Ressourcen bei weitem überfordern: 8 Milliarden Menschen in Raketen zu verpacken und auf eine lichtjahreweite Reise zu schicken ...
Eine Kolonisation hingegen, d.h. einzelne Gründungsteams ins Weltall zu schicken, würde den Rest der Menschheit seinem irdischen Schicksal überlassen.

Deshalb wird auch die steigende Zahl intelligenter Menschen (hoffentlich auch weiser Menschen?) m.E. nichts daran ändern, daß sich 'die Menschheit' auf der Erde wird arrangieren müssen.
Die Erschließung neuer Lebensräume auf dem Meeresboden (wie Exoplaneten: Kosten?) kann das Problem lediglich hinausschieben, falls die bisherige Vermehrungsrate beibehalten wird.

Ich schätze, daß die Erde, soll sie einigermaßen frei von Katastrophen bleiben, nicht mehr als eine Milliarde Menschen verträgt.

 Terminator meinte dazu am 08.07.21:
Ich schätze, daß die Erde, soll sie einigermaßen frei von Katastrophen bleiben, nicht mehr als eine Milliarde Menschen verträgt.
Derzeit leben also 7 Milliarden zu viel. Kein politischer Akteur hat es bisher geschafft, die Vernichtung von mehr als 50 Millionen zu organisieren. Soll die Weltbevölkerung bis 2100 auf eine Milliarde reduziert werden, muss der Großteil der nächsten und übernächsten Generation weltweit vom Antinatalismus überzeugt werden, dann geht es auch friedlich.

 Graeculus antwortete darauf am 08.07.21:
Abgesehen davon, daß solche Entscheidungen (bekommen wir ein Kind oder nicht?) selten nach globalen Gesichtspunkten getroffen werden, bringt der Verzicht auf Kinder für die Sozialsysteme große Probleme mit sich. Die VR China bekommt - selbst bei, wie ich annehme, niedrigem Renteniveau - derzeit die Probleme ihrer jahrelangen Ein-Kind-Politik zu spüren, Japan seine anders motivierte geringe Kinderzahl.
Wie soll man sich das z.B. für Europa vorstellen? Millionen alternder Menschen ohne Kinder (junge Menschen), die sie betreuen. Roboter, wie in Japan? Verbrauchen Roboter weniger Ressourcen als Menschen?
Und erst in Ländern, in denen Kinder überhaupt die einzige Altersversorgung darstellen?

 Verlo (27.10.21)
Das Problem ist doch nicht, daß zu viele Menschen geboren werden, sondern daß zu viele Menschen zu lange leben.

Die meisten Menschen sind ab einem bestimmten Alter nutzlos.

Je mehr Technik Arbeit übernimmt, desto weniger brauche ich Arbeiter, desto mehr brauche ich Techniker.

Nun werden aber mehr Arbeiter als Techniker geboren. Wenn ich Geburten reduziere, noch weniger.

Das könnten Gedanken von Menschen sein, die die Geschicke der Menschheit bestimmen können.

Kommentar geändert am 28.10.2021 um 03:35 Uhr

 Verlo (28.10.21)
[Gelöscht. War unter dem falschen Text.]

Kommentar geändert am 28.10.2021 um 03:51 Uhr

 harzgebirgler (23.11.21, 07:28)
wohin der mensch sich entwickelt
deucht mich nichts was sonderlich prickelt.
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