Dephormorphyten

Text zum Thema Ewig/ Ewigkeit

von  RainerMScholz

Mit spitzen blanken Nadeln pike ich die kleinen Menschen auf samtene Stoffe, wie Schmetterlinge. Ich halte sie an ihren fortsätzigen Arm- oder Beinstummeln und stecke die Nadel durch das weiche Zentrum ihrer Körper. Dann zappeln sie noch, doch das endet bald. Nach dem Exitus bestäube ich sie mit Hybernatpulver, damit sie besser ausdörren und wische die Reste mit einem feinen Pinsel von der Oberfläche des Lepidopterums. Ich stelle mich vor dem Schaukasten auf und bewundere meine filigrane Arbeit, den leicht gekrümmten Mittelleib, die angewinkelten Extremitäten und vielleicht ein gewisser Ausdruck auf den Gesichtchen der Exponate, ein Lächeln, eine Träne, nur unter der Lupe zu sehen, oder ein stummer Schrei - das liegt im Auge des Betrachters. Wie Schmetterlinge, nur dass aus diesen nackten Puppen nie diese wunderschönen luziden Flügelwesen werden können, die schwerelos durch die äolischen Sphären zu gleiten vermögen. Sie, die Menschen, bleiben immer unförmige, fleischige Raupen, und ihre Lebensdauer ist nur kurz, unprägnant und wie der Humus, aus dem sie schlüpfen. Das Herz hält sie fest.
Es schlägt einen rotadrigen Takt. Ich steche in das Fleisch und es läuft aus, Tierlaute erklirren, Blicke sirren, und ich komplettiere meine Sammlung. Süß schmeckt die Haut, wenn sie langsam erkaltet; und salzig, mineralgesättigt wie nackter Ton vor der Hitze des Ofens. Ich pike sie auf und dann schaue ich in ihr Innerstes, und wenn ich den Kopf da herausziehe, weht der Luftstrom ihrer vergangenen Leben kühl mich an. Da ist das, was Hölle sie nennen, aber was schert das einen flüchtigen Gott. Der Augenblick des Teufels dauert für die Menschen eine Ewigkeit.
Auf Samt bette ich sie. Wie klein sie sind und fahl und – wie kalt sie sind. Und niemand und nichts erhebt sich zu den Himmeln. Niemand und Nichts ist das Gewesene, das Seiende und das Werdende immerdar.
Ich steche mit blanken Nadeln in diese Wesen, in die Körper und durch ihre Haut – und keine Seele ist je entwichen. Kein Flügelschlag entspross diesen Herzen.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.07.21)
Der Schluss ist mir persönlich wieder einmal zu schwülstig, ansonsten gerne gelesen.

 RainerMScholz meinte dazu am 09.07.21:
Mir ist auch schon ganz schwul.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 10.07.21:
Was bedeutet...?

 RainerMScholz schrieb daraufhin am 14.07.21:
Zeig mir die Schwülste, mein Lieber.

Antwort geändert am 14.07.2021 um 22:43 Uhr

 RainerMScholz äußerte darauf am 15.07.21:
Dieter, mein Lieber, hast du denn unseren letzten Abend im Juni vergessen, als wir eng umschlungen in der "Maaschanz" saßen und du mir geschworen hast, dass du das nicht mehr machst?! Ich sagte: Dann kommt die Polizei und nimmt dich mit, und mich auch. Aber du wolltest an der Musikbox noch einmal Hans Albers singen und den kleinen Literaten den Finger feucht ins Ohr stecken, bevor sie uns hinauswarfen. Ich bezahlte die ganzen Kurzen, hast du das vergessen? Und dem türkischen Taxifahrer warfst du seine Kommafehler vor. Gottseidank hat der Kreditkarte genommen. Also, und daheim? Also das war schon peinlich. Ich lag längst im Bett, aber da hast du immer noch mit den KarneValisten aus Lummerland konferiert. Dieter, mein lieber D., komm doch einfach ins Schlafzimmer, ich beuge mich wie immer nach vorne und dann kannst du - hallo? Wer spricht denn da? Viktor Orban ist nicht der neue Literaturpapst! Nein, ja, wir sind katholisch. Ich glaube mein Freund D. auch. Ja, der ist gegen alles geimpft. Lobhudelei ist eine Sünde, ich weiß. Vitamin D? Jetzt mach´ aber mal ein Komma! Scheiß Kritiker! Ja, eff dich selbst! Muttaficka!
Dieter? Komm doch, Dieter. Sei doch nicht so.
Der Freund meiner Mutter hieß übrigens Günter.
Der ist jetzt...aber wen interessiert`s.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 15.07.21:
Die Schwülstigkeiten:

Auf Samt bette ich sie. Wie klein sie sind und fahl und – wie kalt sie sind. Und niemand und nichts erhebt sich zu den Himmeln. Niemand und Nichts ist das Gewesene, das Seiende und das Werdende immerdar.
Ich steche mit blanken Nadeln in diese Wesen, in die Körper und durch ihre Haut – und keine Seele ist je entwichen. Kein Flügelschlag entspross diesen Herzen.

 blauefrau meinte dazu am 02.08.21:
Das Gewesene , Seiende und Werdende ist theologisch behaftet. Du solltest die Stecknadeln weglassen, dann fliegt noch etwas davon. Vielleicht nicht zum Himmel, aber umher z.B.

 RainerMScholz meinte dazu am 21.09.21:
Wenn ich die Nadeln weglasse, bleibt doch nichts über das ich schreiben könnte.
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