Wehmut

Alltagsgedicht zum Thema Wahrnehmung

von  EkkehartMittelberg

Nachts lasse ich mich von Mozarts Musik einspinnen
und in eine andere Welt entrücken.
Wie oft wird mir diese Flucht noch vergönnt sein?

Ich trinke die Farben der Blumen im Garten
und vertiefe mich in die Grüntöne der Bäume,
als wäre es das letzte Mal.

Ich lausche dem Klang der Singvögel,
den ich früher überhört habe,
wie einem kostbaren Geschenk.

Ich koste den Wein andächtig
und in kleinen Schlucken,
als könnte ich ihn vor dem Verfall bewahren.

Wachsam verfolge ich die politischen Nachrichten,
wissend, dass sie die Welt meiner Enkelin bestimmen,
aber politisches Engagement überlasse ich jetzt anderen.

Ich entstaube Alben von unseren Reisen
und hänge Erinnerungen nach,
die immer wichtiger werden.

Nachts, wenn du schläfst,
lausche ich deinem Atem
und hoffe, dass er mir noch lange erhalten bleibt.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (11.07.21)
Die Wehmut über den Verfall der Welt hast du in diesem Gedicht genau getroffen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.07.21:
Merci, das freut mich, Regina.

LG
Ekki

 Quoth antwortete darauf am 08.08.21:
Ich glaube, es ist mehr die Wehmut über den eigenen Verfall und das Bewusstsein, diese schöne Welt bald verlassen zu müssen.
Jo-W. (83)
(11.07.21)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 11.07.21:
Gracias, Jo, Lyrik ist eine sehr subjektive Ausdrucksform. Umso erfreulicher ist es, wenn sich andere in meinen Gedanken wiederfinden können.
Auch dir einen heiteren Sonntag
Ekki

 Graeculus (11.07.21)
Dein Gedicht macht sehr deutlich, wie durch die Sterblichkeit und den nahenden Tod die einzelnen Momente eine immer größere Kostbarkeit erhalten. Das ist zwar melancholisch, aber doch wunderbar.
Das ewige Leben - wie das der griechischen Götter - inflationiert die Zeit und entwertet dadurch den Moment.

Manche sehen das ja anders, aber ich bin der Meinung, daß wir froh sein können, sterblich sein zu dürfen, mit all den endlichen und dadurch wertvollen Augenblicken des Glücks.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 11.07.21:
Vielen Dank für diesen originellen Gedanken, Graeculus. Den habe ich nicht einmal ansatzweise irgendwo gelesen, geschweige denn je selbst gedacht.

 Graeculus ergänzte dazu am 11.07.21:
Man könnte es die Inflationstheorie des ewigen Lebens nennen: Wenn man unendlich viel Zeit hat, wird der einzelne Moment entwertet.
colonius (69) meinte dazu am 12.07.21:
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 AZU20 (11.07.21)
Ich lese Deine Texte und denke mir, woher weiß er, was ich so treibe. Verblüffende Ähnlichkeiten, muss wohl am Alter liegen. LG in den Sonntag

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.07.21:
Gracias, Armin, es ist tröstlich zu wissen, dass man mit der Wehmut nicht allein ist.

LG
Ekki

 FrankReich (11.07.21)
Das letzte Drittel macht zwar schon etwas wehmütig, allerdings erinnere ich mich an Zeiten in meiner Jugend, an denen ich mich bedeutend älter fühlte als jetzt. 😁😁

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.07.21:
ja, Frank, es ist merkwürdig, dass man sich in jüngeren Jahren älter gefühlt hat. Bei mir ist es mehr das Empfinden der Vergänglichkeit als des Alterns, das die Wehmut schürt.

LG
Ekki

 TrekanBelluvitsh (11.07.21)
Jeder Mensch sollte öfters Mal überlegen, was wichtig ist - und was man selbst nur des Getöse willens macht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.07.21:
Merci, Trekan, ich vermute, die Suche nach dem Wichtigen wird wegen der damit verbundenen Anstrengungen verdrängt.

 AchterZwerg (12.07.21)
Die Melancholie des Alters ist etwas sehr Schönes und Wertvolles.
Es gelingt, Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden und die kleinen Freuden der Gegenwart zu genießen.
Die Gefahr lauert wohl darin, dass man sich allzusehr (!) der Vergangenheit hingibt, denke ich.

Liebe Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.07.21:
Grazie, Piccola, wohl dem, dem freundliche Mahner beschieden sind.
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (12.07.21)
Hallo Ekki,
diese Momente des Rückblicks, der Ruhe und Beschaulichkeit, sollte man sich noch viele Jahre gönnen.

Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.07.21:
Vielen Dank, Tasso, hoffen wir, dass das Schicksal zu unseren Gönnern zählt.

Herzliche Grüße
Ekki
Nola (53)
(12.07.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.07.21:
Grazie, Nola, das Gefühl der Wehmut hat mir dieses Gedicht diktiert.
LG
Ekki

 harzgebirgler (12.07.21)
es wird aus dem vorübergehen
wehmut auch wohl stets entstehen.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.07.21:
Gracias, Henning. Leider stimmt das, denn die unausweichliche Vergänglichkeit nährt die Wehmut.

LG
Ekki
Agnete (66)
(13.10.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.10.21:
Vielen Dank, Agnete, deine Deutung ist ganz in meinem Sinne.
LG
Ekki
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