Die 6 Werte

Erörterung zum Thema Selbsterkenntnis

von  Terminator

Das sind die 6 moralischen Werte nach Jonathan Haidt:

Reinheit

Freiheit

Fairness

Loyalität

Autorität

Fürsorge


Aufgezählt sind die Werte nach meiner persönlichen Hierarchie. In  Tests wie diesem bekomme ich Freiheit als höchsten Wert heraus, weil Fragen, die Reinheit/Heiligkeit betreffen, bezüglich falscher Religionen gestellt werden (vom Christentum halte ich nicht mehr als Karlheinz Deschner, vom Islam nicht mehr als Geert Wilders). Wer unsicher ist, welchen Wert er für sich selbst am höchsten hält, kann aber durch einen solchen Test seinen inneren moralischen Kompass durchaus besser verstehen.

Politisch sagt die Hierarchie dieser Werte aus, ob man liberal oder konservativ, libertär oder sozialistisch ist. Aber auch der Rang in der soziosexuellen Hierarchie lässt sich damit bestimmen (ich bin ein Sigma; wäre ich ein Alpha, würde bei mir Autorität höher stehen, wäre ich ein Beta, dann Loyalität). In der anthropologischen Trias bedeuten die Werte Reinheit und Freiheit, wenn sie die höchsten sind, einen solaren Menschenschlag, Fürsorge und Loyalität einen chthonisch-tellurischen, und Unentschiedenheit bzw. wechselnde Werthierarchien einen lunaren.


Fürsorge ist der letzte Wert in meiner Wertehierarchie nach Jonathan Haidt. Gerechtigkeit ist mir tausendmal wichtiger. Immer wenn ein Gegner der Todesstrafe sagt, es sei falsch, für den Mord ein weiteres Leben zu nehmen, wird mir übel. Mich ekelt die Gleichsetzung des Mörders mit der strafenden Gerechtigkeit an. Eigentlich ist die bloße Tötung des Mörders zuwenig, eine gerechte Todesstafe muss brutal sein, denn das Mordopfer hat nicht um einen Tausch "Leben gegen Leben" gebeten, hat nicht einmal zugestimmt, sein Leben gegen das Leben des Mörders zu tauschen. Mord ist unendliches Unrecht, die Todesstrafe ist der bestmögliche Versuch, der Gerechtigkeit zumindest teilweise gerecht zu werden. So sehe ich das.


Einmal bemerkte ich als Student, während ich meine Eltern besuchte, im Nebensatz, wie mein Professor die Formulierung "dann danach" benutzt hatte. Ich merkte an, dass ein Philosophieprofessor sich meiner Ansicht nach gewählter ausdrücken sollte. Mein Vater war aufgebracht, und ich wusste nicht, warum. Mit Jonathan Haidts Einordnung der Autorität als eines der 6 Grundwerte verstehe ich endlich den Grund. Wäre ich meinem Professor während eines Seminars elegant in den Arsch gekrochen, wäre dafür gelobt worden, und hätte davon erzählt, wäre mein Vater stolz auf mich. Autorität ist für meinen Vater anscheinend ein wichtiger Wert. Bei mir steht dieser Wert nach Reinheit, Freiheit, Fairness und Loyalität auf Platz 5.


Mein schlimmstes Kindheitserlebnis war, nicht in Ruhe gelassen zu werden. Ich war ein sehr einsamkeitsbedürftiges Kind, time alone war meine Atemluft. Und so bin ich kollektivierungsgeschädigt und als introvertierter Mensch extranormativ traumatisiert. Wenn ich Freunde hatte, war ich ein sehr guter Freund. Aber mein Bedürfnis, Freunde zu haben, und vor allem, viele Freunde zu haben, war sehr überschaubar.

Ich liebte Bücher, allein in der Natur zu sein, allein den ganzen Tag Fahrrad zu fahren. Und ich schätzte schon immer quality time mit quality friends. Wenn wir uns auseinanderentwickelten, so war mir meine und des Freundes Freiheit wichtiger, als dass wir aus Loyalität an etwas festhielten, das uns innerlich nicht mehr hielt. Wer Loyalität besonders hoch schätzt, sieht in der Freiheit Verrat. Wer Freiheit liebt, sieht in der Loyalität Fesseln. Ich bin, auch was romantische Beziehungen betrifft, lieber allein und frei als glücklich gebunden und zugleich unerträglich gefesselt.


Ein anständiges Dreieck besitzt die Eigenschaft Gleichschenkligkeit, ein einständiger Großelter Gleichenkligkeit. Für meine Oma waren alle Enkel gleich, mein Opa machte Unterschiede: der Intelligenteste ist auch der Beste. Ist das fair? Oder ist in diesem Fall Gleichheit fair? Gleichheit, würde ich sagen. Für unsere Großeltern waren wir in erster Linie Enkel; als Kinder hatten wir noch gar nicht die Möglichkeit, Leistungen zu erbringen, um dann gegen Gleichheit zu sein und auf Leistungsgerechtigkeit zu pochen.

Ungerecht ist, wenn Ungleichen Gleiches und Gleichen Ungleiches widerfährt, so Aristoteles. Meine Oma war gerecht, besser: fair. Fairness ist apriorische Gerechtigkeit: Chancengleichheit ist fair. Gerechtigkeit als ihr eigener Wortlaut hat etwas Aposteriorisches: gerechte Strafe, gerechte Bezahlung, gerechtes moralisches Urteil. Aber da sind wir schon auf der Reflexionsebene; darum ist es exakter, den Grundwert Gerechtigkeit "Fairness" zu nennen.


Freiheit als höchster Wert wäre eine leere Freiheit-von, d. h. eine Freiheit zu nichts. Darum bin ich froh, dass Freiheit mein zweitwichtigster Wert ist: so kann sie sich auf den höheren Wert beziehen, als die Freiheit zu etwas, zum Ideal der Reinheit. Nach dieser ist Freiheit auch der zweitabstrakteste Wert.

Seit der Aufklärung findet eine immer weiter fortschreitende Befreiung des Individuums statt. Der Einzelne wurde von seinen sozialen, familiären, und nun auch biologischen Fesseln befreit (freie Wahl der Geschlechtsidentität). Und wozu? Zu was? Freiheit von allem ist Freiheit zu nichts. Die Menschen werden immer orientierungsloser und unglücklicher; die Überversorgung an Vergnügungsmöglichkeiten vermag dies immer weniger zu kaschieren.

Doch wer nicht frei ist, weiß den Wert der Freiheit zu schätzen. Egal wie destruktiv die sozialen Folgen zu großer Freiheit sind, mein Respekt vor dem politischen Liberalismus bleibt bestehen. Lieber zu viel als zu wenig Freiheit, habe ich mit hoher Intelligenz und großer Selbstdisziplin leicht reden. Wer aber sich nicht selbst führt, wird verführt. Wer sich nicht selbst beherrschen kann, braucht einen Herrscher, oder er geht an seiner Freiheit zugrunde.


Warum ich nie Sex hatte? Weil ich Angst habe, im Bett zu versagen. Warum ich gegen Sex vor der Ehe bin? Weil ich mich an allen rächen will, die Sex hatten. Würden viele intuitiv für wahr halten, weil sie, allzumenschlich, von sich auf andere schließen, und für die Meisten Reinheit nicht nur nicht der höchste Wert ist, sondern zu abstrakt, um als Wert überhaupt wahrgenommen zu werden.

Und jetzt nochmal, und zwar, wie es wirklich ist. Warum ich nie Sex hatte? Weil ich Angst hatte, dadurch unrein zu werden. Wenn man sich um sein Seelenheil fürchtet, macht auch Gelegenheit keine Diebe. Beim Sex versagen? Lächerlich aus meiner Perspektive, Angst davor zu haben. So, als ob: "Warum trinkst du keinen Whisky?" "Weil ich Angst habe, das Glas falsch zu halten".

Warum ich gegen Sex vor der Ehe bin? Weil es diese Art von Intimität und Vertrautheit nur einmal gibt. Ist es durch Promiskuität entweiht, gibt es diesen intimen exklusiven Kern der Zweisamkeit nicht mehr. Wenn man das Gleiche mit jedem haben kann, ist es eine Zumutung, sich für den Rest des Lebens an einen Partner zu binden. Die, die dann noch in ihrer Ehe bleiben, haben keine Optionen auf dem sexuellen Markt, weil sie zu alt, zu hässlich oder zu arm sind. Und auch der Ehepartner wird nicht als der auserwählte Einzige, sondern als einer von vielen möglichen Partnern betrachtet und nach dem sexuellen Marktwert bewertet, sprich zum Objekt gemacht. Das dehumanisiert die Ehe. Die Atmosphäre der Exklusivität, Wärme und Geborgenheit kann dann auch den Kindern nicht fühlbar gemacht werden, weil es sie unter den Ehepartnern nicht gibt.

Wenn jeder Mensch dieselben 6 Grundwerte hat, und nur die Hierarchie dieser Werte bei jedem anders ist, haben wir keinen Grund, uns gegenseitig aufgrund unterschiedlicher moralischer und politischer Ansichten zu hassen. Zu verstehen, was die jeweilige Hierarchie der Werte für die eigene und fremde Weltanschauung bedeutet, ist eine Grundlage für ein verständnis- und respektvolles Miteinander.

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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (30.12.22, 20:19)
Ein Recht auf Freiheit ist immer, die des anderen.
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