Gut, dass wir miteinander gesprochen haben?

Text zum Thema Alltag

von  tulpenrot

„Geht’s dir gut?“
„Ja. Und dir, geht’s dir gut?“
„Auch gut.“
„Schön.“
Das ist alles schön und gut.
Denke ich.
Zu oft.


Anmerkung von tulpenrot:

Empfohlen von:
Moja, AZU20, AchterZwerg, minimum, indikatrix, nadir.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (04.09.21)
Da lobe ich mir die Hessen.
"Ei gude wie" erfordert keinerlei Antwort. Allenfalls ein:
"Ei gude wie,
wo mächst'n hie?"

D a s ist schön und gut. :)

 tulpenrot meinte dazu am 04.09.21:
Jetzt habe ich mal gegoogelt - musste ich, denn obwohl ich in Hessen studiert hab, kann ich es nicht mehr Und nun bin ich gaaaanz schlau! Rodgau Monotones kann ich nun auch schon immerhin schreiben, (hihi). Aber wenn ich nu au noch hässisch babbele tu, dann wirds total bunt. Könnte luschtich sein, aber im Grunde ändert es nichts an der blöden Situation.
Immerhin haben w i r etwas zu sagen! LG und Dankefür alles.

 indikatrix (04.09.21)
Die Kölner sind auch lustig:

"Na, wie isset?"
"Wie sollet sein?" -
"Un, wie woret ?"
"Wie sollet jewesen sein ?"
(Könnte Hüsch gewesen sein)
LG
Indikatrix

 tulpenrot antwortete darauf am 04.09.21:
Anregende Unterhaltung. Sehr häufig. Solange das mit anderen passiert, es zu einem Sketch gehört, aber nicht der tägliche Umgang mit einander ist, dann kann man schmunzeln.
LG
tulpenrot

 AZU20 (05.09.21)
Zu oft, ja. Man will es eigentlich garnicht so genau wissen. LG

 tulpenrot schrieb daraufhin am 05.09.21:
Manchmal juckt es mich auf diese unnötige Frage mit "Nein" zu antworten. Es interessiert ja eigentlich keinen, wie es einem geht. Da kann man so oder anders antworten - es ist eigentlich egal.
Danke und LG

 Moja (08.09.21)
Liebe tulpenrot,
mir fällt zu Deinem Dialog das Begrüßungsritual in Gambia ein,
man fragt: Nanga def? - antwortet: Mangi fi. Das ist Wolof und bedeutet sinngemäß: Wie geht es Dir? - Antwort: Ich bin hier. - Dann fragt man wie es der Familie, den Kindern, der Arbeit, den Leuten im Haus geht - und immer lautet die Antwort: Sie sind da! Was heißen soll, es geht ihnen gut, selbst wenn jemand krank ist, denn: Er ist ja da!

Ist man mit der Aufzählung der Fragen am Ende, wiederholt man das ganze mehrmals, bis man ausreichend die Stimmung des anderen erkundet hat und sich auf ein tieferes Gespräch/ Anliegen einlässt, das aber immer wieder unterbrochen wird von der Wiederholung des Begrüßungsritual, vor allem dann, wenn Unstimmigkeiten auftauchen.

Die Worte/ Formeln ergeben eine Melodie, in die man einstimmt, aber wichtiger sind Gestik, Mimik, Beobachtung des Gegenübers, man erspürt, was vor sich geht - und ist umso mehr gefühlsmäßig verwickelt.

Was Du so gut einfängst, sind tatsächlich nur leere nichtssagende Formeln der Höflichkeit.

Umso herzlicher grüße ich Dich heute,
und hoffe, dass Du da bist...
ich bin auch da

Moja

 tulpenrot äußerte darauf am 08.09.21:
Liebe Moja,
das gefällt mir, deine Beschreibung dieser Sitte in Gambia. Man muss aber sehr geduldig sein und hellhörig, denke ich mir. Ich bin inzwischen so ärgerlich über das Verhalten hier, dass ich in das eintönige und lieblose Getue mit einstimme. Inzwischen erzähle ich nichts mehr von mir und will auch vom Gegenüber nichts mehr wissen. Das ist zwar nicht meine Art, aber "man" will es offenbar so.
Ja, ich bin da - das ist eigentlich nicht schlecht, so eine Antwort. Das eröffnet viele Möglichkeiten der Antwort. So etwas Ähnliches hab ich auch schon mal versucht und hab gesagt: "Mich gibt's noch." Oder wenn jemand fragte, wie es mir geht, hab ich "Normal" geantwortet. Aber dann gucken sie mich verdutzt an und wissen nicht, was sie erwidern sollen. Macht nichts, denke ich.
Oder gestern traf ich einen pensionierten Pastor. Von einem solchen Menschen erwartet man (ich) eigentlich, dass er es gewohnt ist, zumindest auf der Straße einen smalltalk hinzukriegen. Er ging gerade an seinem Garten entlang, als ich kam. Gemächlich, mit dem Rollator, freundlich guckend (denke ich). Er: "Na, machst du einen Spaziergang?" Sah es nach was anderem aus?, dachte ich. Es gab viele Möglichkeiten für mich, darauf zu antworten. Wollte ich aber nicht und sagte deshalb nur "Ja". Und wartete, ob noch was von der anderen Seite kam. Kam aber nicht. Wir standen uns eine Weile stumm gegenüber, was für mich eine Tortur war. Aber ich hielt durch. "Ich will dann mal weiter", sagte ich schließlich und ließ ihn stehen. Doof. Stimmt. In Gambia wäre mir das nicht passiert.
Gut, dass du da bist.
Herzliche Grüße zurück
tulpenrot

 Moja ergänzte dazu am 08.09.21:
Nee, in Gambia wäre Dir das nicht passiert, liebe tulpenrot,
sowie man das Haus verlässt, wird man begrüßt, auf dem ganzen Weg wird man von überallher angesprochen, bleibt stehen, redet und scherzt miteinander.
Anfangs war ich verblüfft, auch genervt, man kommt nicht aneinander vorbei, mit der Zeit begriff ich, dass die Wahrnehmung des anderen Respekt bedeutet und Lebensqualität. Man hat keine Zeit trüben Gedanken nachzuhängen, denn man darf niemand außer Acht lassen. Ein Fauxpas - nicht zu grüßen und ein paar nette Sätze zu wechseln - Du bist mir wichtig, wird signalisiert!

Was Du schreibst, klingt trostlos, lieblos, wie schade!
Lässt sich die Sprachlosigkeit nicht irgendwie durchbrechen,
vielleicht muss man sich selbst vorher etwas einfallen lassen?

Hier am Berliner Stadtrand erlebe ich täglich freundliche, persönliche Begegnungen, wir winken uns zu, lächeln, bleiben stehen, reden miteinander, selbst Fremde grüßen, wenn man ihnen eine halbe Sekunde zu lange in die Augen schaut, diese Freude begleitet mich den Tag über. Früher in Neukölln gab es vertraute Begegnungen in den arabischen und türkischen Geschäften, wir blieben im Gespräch. In den Kiezen funktioniert das, aber in großen Wohngebieten, Hochhäusern nicht.

Morgen früh werde ich Dir vom Balkon zurufen:
Naka suba si? Wie ist der Morgen? = Guten Morgen!
Und du rufst zurück: Suba sann fi! Der Morgen ist da!

Auf Wiederlesen!
Moja
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