Irritierende Erfahrungen eines berühmten Schriftstellers

Bericht zum Thema Allzu Menschliches

von  Bluebird


Ich bin in Verwirrung gesetzt durch persönliche Erfahrungen und Beobachtungen, die zugleich in dem Grade läppisch und in dem Grade unerklärlich sind (wenn es Grade der Unerklärlichkeit gibt), daß ich nicht darüber hinwegkomme, daß ich mich für die Beschäftigung mit den lauteren, der Sphäre gesunder, wenn auch verfeinerter Menschenvernunft angehörigen Themen, mit denen ich soviel mehr Ehre einlegen könnte, für den Augenblick wenigstens verdorben finde.  ...
Es ist nicht anders: ich bin den Okkultisten in die Hände gefallen.
Was den Thomas Mann seinerzeit ( ca. 1923) vorübergehend etwas aus der Bahn geworfen zu haben scheint, waren drei spiritistische Sitzungen bei dem Baron von Schrenck-Notzing.
  Er hat darüber minuziös und ausführlich in seinen "Okkulten Erlebnissen" berichtet. Dies ist um so bemerkenswerter, da er als Augenzeuge über jeden betrügerischen Zweifel erhaben sein sollte und auch eher angewidert, aber eben der Wahrheit sich verpflichtet fühlend, darüber berichtete.
    Wer ein wenig mehr drüber lesen möchte, kann ja hier mal schauen:   Das fliegende Taschentuch

Illustration zum Text
(von Bluebird)

Anmerkung von Bluebird:


1 "Okkulte Erlebnisse" von Th. Mann - Einleitung

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (05.10.21)
Ich setze einmal den Kontext zu deinem Zitat, den du ausgelassen hast:
... unterstehe ich mich, vor Sie zu treten mit einem Thema, das ich selbst gar nicht umhinkann als schrullenhaft, abwegig, gewissermaßen ehrlos zu empfinden und durch dessen Wahl ich zweifellos das geringschätzige Befremden der meisten von Ihnen errege.
...
Ich sage "verdorben", denn es ist wirklich und deutlich eine Art von Verderbtheit, die ausgeht von der Welt, die mir im Sinne liegt, dem wahrscheinlich nicht tiefen, aber untergründigen, trüben und vexatorischen Lebensgebiet, mit dem ich mich leichtsinnigerweise in Berührung gesetzt: eine Verführung fort von dem, was mir obliegt, zu Dingen, die mich nichts angehen sollten, die aber gleichwohl auf meine Phantasie und auf meinen Intellekt einen so scharfen, fuselartigen Reiz ausüben (fuselartig im Vergleich mit dem Wein des Geistes und der Gesittung), daß ich wohl verstehe, wie man ihnen lasterhafterweise verfallen und über eine monomanischen, närrisch-müßigen Vertiefung in sie der sittlichen Oberwelt auf immer verlorengehen kann.
Später im Text heißt es:
... und einen einzigen okkulten Fall auch nur als wahr unterstellen heißt seinen kleinen Finger einem Teufel reichen, der fast unfehlbar in der Folge die ganze Hand und den ganzen Mann nimmt. Principiis obsta!
Es ist leicht zu erkennen, mit welcher Distanz Thomas Mann nicht den Dämonen, sondern dem Thema gegenübersteht. Seine Grundhaltung - bis hin zu dem überdeutlichen Schluß - ist die der Ironie.

Und nun ist dir eines gewiß völlig wesenfremd: Ironie.

Kommentar geändert am 05.10.2021 um 18:13 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 05.10.21:
Ich werde noch eionige weiter Zitate bringen, die eindeutig belegen werden, dass Thomas Mann keineswegs die Evidenz des erlebten Phänomen bezweifelt hat. Aber fasziniert und angewidert zugleich davon war ... überigens auch das Wort "dämonisch" in diesem Zusammenhang erwähnt hat

 Regina antwortete darauf am 05.10.21:
Ein Schriftsteller, der dem Okkultismus und seinen Merkwürdigkeiten definitiv verfallen war, ist Gustav Meyrink.

 Bluebird schrieb daraufhin am 05.10.21:
Danke für den Hinweis, Regina!

Thomas Mann war eher jemand, auf den okkulte Erlebnisse eine unangenehme Faszination ausübten. Er wollte eigentlich nichts groß etwas damit zu tun haben, aber eben diesen Teil der Realität auch nicht ausblenden oder leugnen.
So jedenfalls habe ich ihn verstanden.

Antwort geändert am 05.10.2021 um 19:37 Uhr

 DanceWith1Life äußerte darauf am 05.10.21:
wenn ihr schon eine zeitreise in diese epoche macht, ouspensky und gurdjieff nicht vergessen.

 Graeculus ergänzte dazu am 05.10.21:
überigens auch das Wort "dämonisch" in diesem Zusammenhang erwähnt hat
Ich kenne den Th.-Mann-Text und weiß, daß er das Phänomen nicht mit Dämonen, sondern mit telekinetischen Fähigkeiten des Mediums in Verbindung gebracht hat.
Aber literarisch wunderbar ist sein ironisches Spiel mit seiner eigenen Faszination.

 Graeculus meinte dazu am 05.10.21:
Er macht sich ja auch noch lustig über die Läppischkeit dieser Phänomene. Fliegende Taschentücher ...

 LotharAtzert meinte dazu am 05.10.21:
Was, lustig macht er sich?
Ei verbibscht! Bin völlig irritiert.

Antwort geändert am 05.10.2021 um 22:09 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 05.10.21:
Ich habe damals (1985 in meiner vorchristlichen Phase) einmal mit einem Freund eine gemeinsame spiritistische Sitzung gemacht.
Er war - davon bin ich überzeugt - zutiefst geschockt, wie hätte es auch anders sein können, aber er hat anschließend auch ein paar ironische Bemerkungen fallen lassen. Seine Art der "Wirklichkeitsbewältigung", die ich schon bei anderen Gelegenheiten zuvor beobachtet hatte.

Thomas Mann bringt eher ein entsetzt-angewidertes Fasziniertsein zum Ausdruck. Eigentlich die Sache nicht wirklich Ernst nehmen wollend, aber dennoch nicht umhin können, es trotzdem tun zu müssen.
Da ich mir nun mal das e-Book gekauft habe, werde ich da noch einige Beispiele zu bringen.

 Graeculus meinte dazu am 05.10.21:
Schon den Begriff "Spiritismus" lehnt Thomas Mann für sein Erlebnis ab. Und - ich wiederhole mich - er spricht in keiner Weise von Dämonen, sondern von Telekinese.
Er läßt auch nicht "ein paar ironische Bemerkungen fallen", sondern die Ironie durchzieht den gesamten Vortrag.

Daß er auf ein Phänomen gestoßen ist, für das es auf dem Stand seiner Zeit keine wissenschaftliche Erklärung gibt, macht er allerdings deutlich.
Ich selbst halte Telekinese und Telepathie für ernstzunehmende und mit einer - wie Thomas Mann es ausdrückt - "positiven Skepsis" zu prüfende Phänomene.

Deine Tendenz, überall Dämonen am Werk zu sehen, ist bekannt; es ist nicht die Tendenz von Thomas Mann.

 Bluebird meinte dazu am 05.10.21:
Deine Tendenz, überall Dämonen am Werk zu sehen, ist bekannt; es ist nicht die Tendenz von Thomas Mann.
Wir werden es sehen, ob es sich wirklich so verhält, wie du behauptest. Ich meine schon, dass Thomas Mann durchaus da ein "Geist-Wirken" andeutet ... aber egal, werden wir in Ruhe klären.

 DanceWith1Life meinte dazu am 05.10.21:
blödsinn, gar nichts werden wir sehen, jemand wird recht behalten, das hat nicht mit sehen zu tun.
erkenntnis ist kein diskussionsergebnis.
und du wirst höchstwahrscheinlich dann deine meinung gegen die eines anderen usw.
same old soup.

Antwort geändert am 05.10.2021 um 23:35 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 05.10.21:
Klar, ein Geistwirken ... des Mediums. Das ist der Begriff für Telekinese, den Th. Mann selber verwendet.

 Graeculus meinte dazu am 06.10.21:
Hier ist noch gar nicht von dämonologischen Erkenntnissen, sondern von korrekter Textinterpretation die Rede. Bei Bluebird, der dazu neigt, Autoren aufgrund isolierter, aus dem Kontext gelöster Sätze für seinen Standpunkt zu vereinnahmen, findet diese Interpretationsarbeit in der Regel nach der Veröffentlichung eines Textes statt.
Falls sie zu Ungunsten seiner ursprünglichen Annahme ausfällt, hört man dann nichts mehr davon.

(Auf die Darwin-Zitate im Kontext warte ich noch.)

 Bluebird meinte dazu am 06.10.21:
In der Tat bewege ich mich gelegentlich in Themenfelder hinein ohne schon fundiert analysiert zu haben. Mir reicht dafür oft ein erster Eindruck. Und meist stimmt der auch! Muss dann vielleicht noch ein wenig präzisiert werden.
Sollte ich mich allerdings mal grundlegend geirrt haben, habe ich auch keine Probleme damit dies zuzugeben. Da bricht einem doch kein Zacken aus der Krone, und wenn doch, wäre es auch verschmerzbar!

Antwort geändert am 06.10.2021 um 09:41 Uhr

 loslosch (05.10.21)
was, Thomas Mann wurde aus der bahn geworfen?

er hatte ironiepotential. als der junge Robert Neumann 1927 seine parodiensammlung "Mit fremden Federn" herausbrachte, in der er sämliche lit. größen incl. thomas mann vergackeierte, bezeichnete Thomas Mann postwendend dieses buch als bestes des jahres. eine bravour-pirouette.

okkulte erlebnisse von Mann? lieber bluebird, fokussiere dich wieder aufs schach.

ps: ich blättere in der parodiensammlung immer wieder gern.
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