Bericht.

Bericht zum Thema Krankenhaus

von  franky

Dieser Text gehört zum Projekt    Corona-Texte
Der Bericht stammt von meinem ehemaligen Bandmitglied "Franky Push", die vor einigen Jahren nach Costa Rica mit ihrem Mann ausgewandert ist.   

Liebe Freunde,                                                                                                    im Oktober, 2021     
es gibt gewiss Schlimmeres, doch was ich erlebt habe, wünsche ich keinem noch so schlechten Menschen. Eine kleine Vorgeschichte, damit es alle besser verstehen. Schon seit über 10 Jahren brauche ich Sauertoff zu Hause, in der Nacht und auch auf Reisen, da ich einen Überdruck in der Lunge habe mit einer daraus resultierenden Herzinsuffizienz. Im Januar 2013 erklärte mir mein damaliger Arzt klipp und klar, dass Patienten mit meinem Problem die nächsten 5 Jahre nicht überleben werden, die Sterblichkeit liege bei 50 %. Na ja, dieser Arzt ist inzwischen gestorben, ich habe mich durchgesetzt und versuche durch positives Denken das Beste daraus zu machen. Nun, vergangenen September wurde ich immer schwächer und bekam öfters Atemnot mit Brust- und Kopfschmerzen. Am 15. September ging ich deswegen um 13.00 h zum Arzt, da wurde sofort auf Corona getestet. Um 18. 00 h abends fährt man mich  mit der Ambulanz nach Puntarenas ins Spital Sanabria. Der Chauffeur fährt wie eine Sau, wo wir bei Tag und Trockenheit 1 1/2 Stunden brauchen, braucht er 1 1/4 Stdunden bei Dunkelheit und starkem Gewitter. Ich werde in einem Hinterhof abgestellt mit Covid-Verdacht und es wird sofort wieder getestet in der Nase, im Blut und auch mit Röntgenbildern. Neben mir werden immer wieder neue Patienten reingeschoben. Nach ca. 2 Stunden die erlösende Diagnose: KEIN COVID. Bin sehr erleichtert. Trotzdem immer noch Kopf- und Brustschmerzen. Werde zur Überwachung in ein Nofallzimmer geschoben, da sind nur Männer drin. Muss alle Kleider ablegen, ein junges Mädchen und ein junger Bursche legen mir einen Katheter und ziehen mir Windeln über. Dazu muss ich flach liegen, was grosse Atemnot erzeugt. Grosse Scham überkommt mich. Endlich schlafen, aber nicht lange. Die Männer um mich herum schreien sich gegenseitig an, und beschimpfen Gott und die Welt.
Am 16. September gibts Reis und Bohnen zum Frühstück, ein Sandwich und süsser Milchkaffee. Erneut testen. Mein Katheter ist voller Blut, da meine Blutverdünnung zu hoch ist. Also wird diese Tablette momentan suspendiert. Werde in eine Beobachtungsstation verlegt, da sind nur Frauen und es ist dementsprechend ruhiger. Dann kommt die Hiobsbotschaft: Trotz 2 Impfungen COVID POSITIV!!! Werde in die Covid-Abteilung verlegt. Da sind noch 3 Männer und zwei Frauen. Drei davon haben ein Atmungsgerät über dem Gesicht und werden durch einen Schlauch flüssig ernährt. Eine Frau hat die Hände zusammengebunden, eine weiche Plastickhülle darüber gestülpt, damit sie sich durch Parkinsonzittern nicht verletzen kann. Sie lallt ununterbrochen unverständliche Sachen. Das ist doch kein Leben mehr! Mittagessen kann ich nicht, da ich fast keine Luft bekomme. Ich solle einatmen und durch den Mund wieder ausatmen. Leichter gesagt als getan, zum ausatmen komme ich nicht, habe Angst zu ersticken. Eine Infusion wird gesteckt, die meine Schmerzen lindern sollte. Abendessen geht auch nicht, nur ein Joghurt. Schlafen. 03.00 nachts Blutentnahme, um 5.00h gibts Tabletten und Injektionen, um 6.00 h werden Windeln gewechselt und Hintern geputzt. Das geschieht ohne Vorhang, alle können  zuschauen, doch denen gehts nicht besser.
17.September: Frühstück, nur Joghurt. Ca. um 9.00 morgens stirbt der Mann rechts gegenüber. Für die Angestellten reine Routinesache. Monitor aus, Katheter und Infusionen raus. Wattebäusche auf Augen und Mund, ausziehen und in einen durchsichtigen, menschengrossen Plasticksack gesteckt. Dann wird zugebunden, alles angeschrieben und in einen weissen Leichensack gelegt. Der wird in einer Blechschale rausgefahren. Mittagessen - nur Joghurt. Schlafen. Erwache wegen zischendem, reissenden Geräusch. Der zweite Patient ist gestorben und schon eingepackt. Bekomme mulmiges Gefühl, ich will da lebend raus! Kein Abendessen, versuche nur zu atmen. Kann nur im sitzen schlafen.
18. September: 03.00 h morgens Blutentnahme durch die Arterie {Pulsschlagader} um den Sauerstoffgehalt im Blut messen zu können. Der junge Bursche findet die Arterie nicht und gräbt in meinem Arm wie ein Goldgräber, was einen riesigen Bluterguss hinterlässt und der ganze Arm anschwillt. Morgenessen nur Joghurt, von dem trockenen Sandwich bekomme ich Hustenreiz. Die Schmerzen sind zum Glück abgeklungen. Geht ein bisschen besser mit atmen, aber....  Mittagessen, Nachtessen nein. Schlafen mit den gewohnten Unterbrüchen, diesmal auf der anderen Seite Arterienblut gezapft.
19. September: Die zwei leeren Betten sind wieder belegt, 4 Frauen, 2 Männer. Normaler Ablauf wie immer, bekomme viele Telefonate und WhatsApps, alle denken an mich. Mein Monitor fängt an zu piepsen, da die zweite Infusion leer ist. Niemand kümmert sich darum. Werde verrückt und schreie: " AUXILIO" {Hilfe} Da bemüht sich einer in seinem "Raumanzug" zu mir, um mir lautstark zu sagen, ich solle mich nicht so aufführen, das bedeute nichts. Ja, aber warum piepst denn das so laut? Grosse Wut im Bauch. Ein bisschen Suppe zum Abendessen.
20. September: The same procedure like every day, bekomme endlich eine Fernsteuerung für mein Bett. Neue Infusion wird gesteckt, da die alte rausgefallen ist. In der Zeit zwischen 15.00 h und 20.00 h ist keine Ruhe. Da wird geputzt, Sauerstoffflaschen {200l} mit viel Lärm ausgetauscht, und sonstige Kontrollen vorgenommen. Auf dem Korridor besprechen die Ärzte lautstark jeden Patienten, beziehungsweise jede Nummer, ich bin Nr. 65. Und jeder kann mithöhren wie es dem anderen geht, eigentlich ist das Berufsgeheimnis. Abendessen - Joghurt. Schlafen. 03.00 h Blutentnahme, 04.00 h Blutdruck messen, das Gerät am Arm vergessen und auch die Resultate nicht aufgeschrieben, 06.00 h Medikamente, Injektionen, Katheter leeren und Windeln wechseln mit Körperwäsche, da wird mein Kopfteil immer runtergefahren, muss flach liegen und bekomme so fast keine Luft, dafür Panik. 08.00 h Frühstück, kein Hunger nur müde.
21. September: The same procedure like everyday. Neuzugang. Schaut aus wie der Messerstecher in dem Film "Der Klient" von John Grisham, hat aber kein Messer, nur einen Plastiklöffel zum essen wie alle hier. Heute piepst mein Monitor schon über 4 Stunden. Niemand schaut nach. Auf die Bitte den leeren Infusionsbeutel zu ersetzten, werde ich ignoriert. Schlechte Nacht gehabt, Atemnot. Meine Gasflasche wird gewechselt - Atmung ein bisschen besser.
22. September: Selbe Vorgänge wie immer. Katheter, Windeln, waschen im Flachliegen mit Atemnot. Seit 2 Tagen schmerzt mich die Vagina. Wegen dem Katheter? Na ja, normalerweise hat man da ja auch etwas Angenehmeres drin! Frühstück, nur Saft und Kaffee. Am schlimmsten ist, dass ich nicht aufstehen kann um auf die Toilette zu gehen, immer in die Windeln zu machen ist sehr unangenehm und geht gar nicht gut. Mich schmerzt schon der ganze Hinterteil. Anruf von  meiner Schwester. Sie ist mit ihrer Freundin in Luzern und essen ein Käsefondue, zeigt mir Bilder davon. Abends 1 Austritt und ein Neuzugang. 4 Männer, 2 Frauen. Gewaltiges Gewitter. Abendessen, Kaffee, schlafen. Schlechte Nacht. Schon wieder das Blutdruckmessgerät an meinem Arm vergessen und das Resultat nicht aufgeschrieben. Eine dumme, grosse, dicke Schwester dreht einfach mein Sauerstoff zurück.  Auf die Frage: "Warum?" behauptet sie, das war nicht sie, ich soll ruhig sein.. Ich antworte genau so arrogant, sie solle mich nicht so anschreien. Wieder ein Austritt und ein Neuzugang. Versuch zu schlafen.
23. September: Der Neuzugang wurde auf seinem Motorrad von einem anderen angefahren und als Covid- Patient eigeliefert. Sein Bein ist gebrochen und mit Schrauben und Schienen ruhiggestellt. Habe endlich mal, mit den gewohnten Unterbrüchen schlafen können, da der Sauerstoffgehalt ein bisschen erhöht wurde. Der "Beinbruch" hat kein Handy, seine Familie weiss von nichts. Ich lehne ihm meines aus, damit er ein paar Telefonate machen kann, muss aber nach über einer Stunde insistieren, da ich auch Anrufe erwarte. Das Handy lasse ich  gründlich reinigen und desifizieren.
24. September: Schon um 6.00 h ruft man mich an um mit dem "Beinbruch" zu sprechen. Ich nehme nicht an, schlafe weiter. Arzt sagt, Blutwerte und Urin in Ordnung, man muss nur noch den Bluterguss am Arm runterbringen, damit ich in 3-4 Tagen heim gehen kann. Er erklärt mir, dass ich die nächsten 4-5 Monate  Nachwirkungen mit Hoch's und Tief's haben werde. 1 Austritt. Das "gebrochene Bein" jammert und ist in den Hungerstreik getreten. Er bringe das kalte Essen nicht runter ohne zu erbrechen. Auch Kaffee, MIlch oder Schokolade ertrage er nicht. Auf seinem Tisch lacht mich eine Orange an, habe aber noch nie eine heisse Orange gegessen. Wahrscheinlich würde er sie ausgepresset mit einem Schuss Wodka drin mögen.
25. September: Frühstück und Mittagessen vorbei, schaut immer gleich aus, schmeckt auch so und ist wirklich immer kalt. Abendessen. Neuzugang, 3 Männer 3 Frauen. Schlafen. Lautes Plastickgeräusch. Um 3.00 h morgens wurde die Frau neben mir von ihrem Leiden erlöst, ist schon eingepackt.
26. September: Frühstück, nur Kaffe und Saft. Neuzugang, junger Mann mit Handy, das immer geistliche Musik spielt und er noch mitsingt dazu. Der "Messerstecher" läuft rum und schaut immer auf mein Handy, werde es gut bewachen heut Nacht. Abendessen, das "Messer" wird in andere Abteilung verlegt, gut so. Mein Handy ist noch da. Wertloser Versuch zu schlafen, der Neuzugang hört ununterbrochen mal feierliche Musik wo er mitsingt, dann wieder lautstarke Kriegsfilme mit Flugzeugangriffen, Explosionen, schreienden, flüchtenden Menschen. Mitten in der Nacht frage ich ihn, ob er hier nicht ohne Krieg sein könne, er solle Rücksicht auf uns nehmen. Die anderen Patienten applaudieren mir. Schlafen, doch schon wieder erwacht. Das "gebrochene Bein" weint wie ein kleinens Kind, ihm tut alles weh,  kann sich nicht bewegen und isst immer noch nichts. Wird beruhigt. 3.00 h Blutentnahme. Man findet meine Vene nicht, also wird in die Hand gestochen mit dem üblichen Bluterguss. Verlange schon seit 3 Tagen ein Bidet, kann nicht recht in die Windeln machen, der ganze Hintern tut weh. Aber eben, was man hier braucht ist Geduld und Hoffnung.
27. September: Bin schon 12 Tage hier. Ein Arzt sagt, man wird mich heute heimfahren mit der Ambulanz. Es ist 13.00 h. Hurra! Bekomme noch Medizin und werde meien Mann erst bei Abfahrt anrufen um ihn zu überraschen. Nach 3 Stunden ruft er mich an, er weiss Bescheid. Erst um 19.30 h werde ich rausgefahren, beim Hauptausgang hält man an und ich soll eine an der Wand angebrachte Glocke klingeln. Das ganze Personal klatscht in die Hände und wünscht mir als Covid-Genesene viel Glück. Um 22.00 h zu Hause und nur noch ins Bett. 12 Stunden durchgeschlafen. Freunde organisieren ein Kissen um den Oberkörper hochzulagern und einen Rollstuhl, da meine Beine noch zu schwach sind. Walter unterstüzt mich beim Toilettengang und bewirtet mich hervorragend. Am 4. Tag schon der erste Rückfall. Auf dem Computerstuhl in Ohnmacht gefallen und Ellbogen und Kopf angeschlagen. Wurde wieder in die Klinik gefahren, wo sie mir eine höhere Dosis Sauerstoff gaben. Jeden Tag geht's ein bisschen besser.
Liebe Freunde, ich wünsche euch viel Gesundheit und GUTE ATMUNG!    Liebe Grüsse Kathi

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (15.10.21)
Geduld und Hoffnung sind Eigenschaften, die überall von Nutzen sein dürften, super auch, dass Kathi trotz ihrer Verfassung noch über den Tellerrand zu blicken vermag.

Ciao, Frank

 Graeculus (15.10.21)
Hinterläßt einen starken Eindruck.

 Fridolin meinte dazu am 16.10.21:
"Hinterlässt einen starken Eindruck." Besser kann man es kaum formulieren. Ich wünsche diesem Bericht viele, viele Leser.
Wie schafft man es als Kranker, solche "Behandlung", die für einen Gesunden schon kaum auszuhalten ist, zu überleben? Wie viele Meilen ist das entfernt von dem, was in solcher Situation wünschenswert wäre?

 FrankReich antwortete darauf am 18.10.21:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 18.10.2021 um 00:54 Uhr wieder zurückgezogen.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram