Mainstream und Privileg

Brief zum Thema Gesellschaftskritik

von  Terminator

Dieser Text gehört zum Projekt    Corona-Texte
Der politische, soziale und kulturelle Mainstream gibt die Meinungen der Privilegierten wieder. Ob diese Meinungen der Wahrheit entsprechen, ist meistens irrelevant, weil sich das soziale Leben in virtuellen Blasen des Real-Life-Blabla oder des Internets abspielt. Doch manchmal, z. B. in einer Pandemie, gibt es nicht nur ein tatsächliches Wahr und Falsch, sondern es ist auch existenziell relevant.

Privilegierte haben mehr Vertrauen in das politische System, in dem sie leben (ein No-Brainer), sie haben weniger Existenzängste (durch höheren Wohlstand und sozialen Status), weniger Skepsis gegenüber Big Science und Big Business (durch höhere Bildungsabschlüsse und evtl. durch Jobs in diesen Bereichen). Nur was privaten Frust betrifft, sind Priviegierte nicht privilegiert.

Das "Covidioten"-Bashing ist ein Ablassventil für privaten Frust. Anstatt einzusehen, dass die eigene Meinung in der Corona-Debatte durch soziale Privilegien geprägt ist (und nur teilweise durch fundiertes Wissen), werden sozial Schwächere zu Sündenböcken in der gesellschaftlichen Krise durch die Pandemie gemacht. Im Nachhinein werden die eigenen Privilegien damit gerechtfertigt, auch moralisch die besseren Menschen zu sein.

Das Leugnen des Coronavirus und die Willkommenskultur für diesbezügliche Verschwörungstheorien sind ein Protestventil für den Frust der Benachteiligten oder Abgehängten. Wenn die Privilegien totalitäre Züge annehmen (die Privilegierten setzen das Narrativ durch, dass sie die moralisch Besseren sind: "Es ist gut, dass es uns gut und euch schlecht geht, denn uns geht es gut, weil wir gut sind, und euch geht es schlecht, weil ihr schlecht seid"), richtet sich der Protest der Abgewerteten gegen das System als Ganzes.

In der Sache haben die Corona-Leugner Unrecht. Umso trauriger ist es, dass manche dennoch aus Protest sich an das Falsche halten, denn nur so können sie sich gegen das Falsche der Gesellschaftsordnung stellen. Aus privilegierten Kreisen greifen Populisten (Trump, Bolsonaro, AfD) die Scheinargumente des Anti-Mainstreams auf, um Wähler für eine Gegenelite anzulocken (jede Gesellschaft hat eine alternative Elite, die an der Stelle der derzeit Herrschenden herrschen könnte).

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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (01.11.21)
was man so gerne zeitgeist nennt
ist weder geist noch kompetent.
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