Sperma das Brot

Kurzgeschichte zum Thema Evolution

von  RainerMScholz

Bedauerlich und grotesk, dass die Realität die Fiktion, auch alle Spiegelungen einer gewesenen oder möglichen Wirklichkeit, längst überholt hat. Da schrumpft der Harte Kern zu einem unbedeutenden Sandkorn. Alles, was es auszudenken galt, das Bizarre, die Ekpathie, die Arroganz – alles längst schon da und wir glaubten es bloß nicht in unserem Wolkenkuckucksheim. Rosa Wölkchen ziehen gen Norden, aber das ist nicht Zuckerwatte oder gar der malerische Sonnenuntergang. Die Engel backen keine Plätzchen dort droben im Novemberadvent. Das Blut brandet schaumig an unsere Zehen, und Menschen werden wieder zusammengetrieben hinter Stacheldraht im Osten.
Die Zeiten werden härter, aber im Grunde waren sie es scheinbar schon immer. Wir haben eine trügerische Auszeit genommen. Eine kurze Pause, bevor das Schlachthaus wieder öffnet. Und dann schreien alle nach einem Gott und Erlöser, einem Führer, einer starken männlichen Hand. Sieg Heil, im Namen des Herrn und Gott will es. Rückwärts nimmer, vorwärts...ach, leck mich doch am Arsch.
Da erbricht es sich in meiner Bauchhöhle und der Pankreas wuchert über den Blinddarm meines inneren Jägerzaunes, und das Herz wird von den fremden Eindringlingen infiziert; ich spucke Eiter, klumpigen Speichel und Blut.
Das kannst du dir dann auf`s Brot schmieren und leg´ noch drei daumendicke Scheiben Fettwurst obenauf von dem zu Tode gequälten Tier, das nie die Sonne sah.
Da sind viele von uns ja besser dran.
Wieso komme ich jetzt auf`s Essen? Keine Ahnung. Die Welt wäre besser dran, wenn wir uns gegenseitig vertilgten. Du bist, was du isst. Ich esse Menschen, also bin ich. Ich bin ich. Ich esse mich. Und dazu einen Korn. Alles andere ist hypokrit.
Ob das sinnlos ist. Na klar. Kein Gott, keine Fee, keine außerirdische Intelligenz könnte dem einen irgendwie gearteten Odem einhauchen. Wir essen, wir scheißen und wir pflanzen uns fort. Fertig. Komm her und tritt den Gegenbeweis an.
Was sagst du?! Eben.
Im nächsten Leben erstehe ich als Kakerlak. Da muss ich nicht lügen.
Und ihr denkt vielleicht, ich mache Spaß, ich sei vielleicht nur scheiße drauf. Ja doch. Aber in der braunfleckigen, brummenden Tiefkühltruhe hinter der kleinteilig gekachelten Waschküche liegen die Filetteile meines Nachbarn von obendrüber. Der auch zufällig mein Vermieter war. Den vermisst eh keiner.  Und ich brate mir die fettesten Stücke hinten im Garten mit Blick auf die drei Windrotoren in der einen Hälfte der Feuerschale, die mir gehört, dass es nur so spritzt und pfeift; und ich grüße die Nachbarn rechts und links mit einem legeren Winken und lächle sardonesk ins Feuer. Einer von denen ist dann auch noch dran. Müllers haben Kindergartenkinder. Der kleine Paule, die Namen kommen ja alle wieder, - der kleine Paule sagt immer schön 'guten Tag' und 'dankeschön'. Und er hat schön gesunden Speck angesetzt; manchmal kneife ich ihn in die Bäckchen, wenn der Papa nicht hinsieht. Oder die Mama. An den richtigen Stellen, gell Paule?! Stimmt doch, oder?! Gib einmal die Rassel da am Boden. Ja. Die.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (11.11.21)
"Das Blut brandet schaumig an unsere Zehen, und Menschen werden wieder zusammengetrieben hinter Stacheldraht im Osten."

Es ist, als habe es uns nie gegeben.

 RainerMScholz meinte dazu am 11.11.21:
Alle guten Gedanken, wenn es denn welche waren, sind obsolet - Schall und Rauch und Wahn. Und auch aus Untätigkeit erwachsen Konsequenzen.
Gruß + Dank,
R.
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