Das schwarze Hotel

Rezension

von  Hans

Poeme  Michael Arenz
Fotografien Hansgert Lambers

Die Pointe eines Witzes lüftet sein Geheimnis. Das nachfolgende Lachen erschüttert jegliche Autorität, weil ihm etwas Befreiendes innewohnt.
Kein Wunder, dass Witze in repressiven Regimen blühen und dort als Majestätsbeleidigung oft brutal verfolgt werden. Die Witze natürlich nicht, sondern diejenigen, die sie erzählen oder sich daran ergötzen.
Doch Vorsicht: jedes Schwert ist zweischneidig und so auch Witze. Es gibt reaktionäre Spielarten, diskriminierend und verachtend im Dienst der Unterdrückung.
Auch Gedichte können auf Pointen zulaufen.Gleichzeitig widerlegen sie die Vorurteile der Spaßbremsen aller Länder, es handele sich lediglich um oberflächliche Effekthascherei. Keineswegs Madame!
Pointen sind Geistesblitze. Für einen kurzen Moment erhellen sie die Szene, und das folgende Lachen gleicht dem Donner.
Bei Gedichten ersetzt Staunen oder eine überraschende Einsicht das Gelächter. Doch das ist nicht der einzige Unterschied. Auch die Gestaltung der Situation ersetzt Eindeutigkeit durch Komplexität. Aha. Was bedeutet dieses interpretatorische Gequatsche denn nun?
Beispiel: „Here Comes the Son“ lautet der Titel des Gedichts von Michael Arenz (S. 128). Michael, der seine Gedichte gerne englisch betitelt, variiert hier das berühmte Beatleslied „Here comes the sun“, wobei er den Gleichlaut in der Aussprache von son und sun für sein Anliegen nutzt. Das erzeugt beim Leser eine erste Irritation. Ein Druckfehler? Ausgeschlossen bei so einem akribischen Dichter wie Michael Arenz. Und prompt geht es weiter: ...“da wir nicht/ wissen, was wirklich/ wichtig ist, erzählen/ wir, was/tatsächlich geschah...“ Dann folgt der Auftritt von Lucinda (the son?), die im Mai mit ihrem Gettoblaster einen Kreis von Tieren anzieht, die um sie lagern und sie anschauen. Das Gedicht endet: ...Wie unendlich lange hatten sie/ alle auf einen solchen/ Moment warten müssen.“
Zur Erinnerung: George Harrison singt (aus dem Gedächtnis, das ja bekanntlich häufig trügt): „... it`s been a long and lonely winter, it seems like years since it`s been here...“
Was für eine geistreiche Variation auf das Thema. Das Gedicht steuert auf eine Pointe zu, aber die Komplexität bleibt.
Oder: „Sweet Things“ (S.97) Das lyrische Ich beschreibt in Begleitung seiner Mutter eine Begegnung mit der seit zwanzig Jahren verstorbenen Oma. Diese „...steckte im Körper/ eines etwa vierjährigen /Mädchens, das an der/ Hand einer Frau/ unterwegs war....“
Die Mutter bestätigt, dass es sich tatsächlich um die Oma handelt. Man isst
Eis. Jahre später bei Kaffee mit Apfelkuchen und Sahne erinnern sich beide an den Vorfall. „...dabei/ war auch sie schon/ lange tot, hatte sich/ aber für eine andere/ Form der Begegnung/ entschieden.“
Oma und Mutter, Vanilleeis, Kaffee und Kuchen mit Sahne – sweet things.
Und: „Lutz sah es so“ (S.123) Ein überraschender Rollentausch, der wieder als überraschende Pointe daher schlendert, aber im Gegensatz zu dieser alles offen lässt.
Die Vielseitigkeit dieses Dichters schafft Freiräume für die Phantasie.
Gerhard Köpf schlägt in seinen einleitenden Worten einen weiteren Zugang vor: „...hatte ich sogleich den Eindruck, ein detailliert ausgearbeitetes Drehbuch für einen Film vor mir zu haben: einen Film in Schwarz-Weiß,...Michael Arenz liefert die Story-Gedichte, er ist ein lyrischer Kurzfilmer und Geschichtenerzähler, und Hansgert Lambers ist für das Setting zuständig,...und widerlegt damit den weit verbreiteten Irrtum, Fotos seien statisch.“ (S.7)
Folgerichtig erwähnt er das Photo (wie alle anderen in Schwarz-Weiß) S,20/21, entstanden 1985 in Berlin-Kreuzberg und abgedruckt in der Besprechung von Gerd Adloff im nd vom 15. Juli 2021. Es zeigt eine Friedhofsszene. Am linken Rand eine Statue, die betend auf den Treppen eines Grabmonuments steht, den Blick in die Ferne gerichtet. Der weiße Stein, aus dem sie gemeißelt ist, betont ihre Konturen im Kontrast zum schwarzen Grabstein des Hintergrunds. Rechts von ihr die alte Frau mit dem Laubrechen in der Hand und der Handtasche am Gürtel schaut entschlossen in ihre Richtung, den Körper leicht gedreht, als wolle sie ihr folgen. Dadurch kriegt das Bild eine erstaunliche Dynamik, als wolle Hansgert Lambers die These Gerhard Köpfs veranschaulichen.
Dieses Photo steht für sich allein und fesselt den Betrachter. Gleichzeitig passt es  hervorragend zu den Gedichten.
Gleiches gilt für das Photo S. 117, (Wien, 1985), das auch als Cover dient. Nur scheinbar schauen die beiden Frauen in die gleiche Richtung, die fast parallel zur Leiter verläuft. (Auch hier schneiden sich die Parallelen nicht erst im Unendlichen).
Manchmal kommentieren sich Poem und Photo gegenseitig, so etwa bei dem titelgebenden Gedicht (S.13) und dem Photo (S,12, Berlin 2002). Hier besticht die Handhabung der Hell-Dunkel-Kontraste.
Obwohl der Humor nicht fehlt, (S.37, Berlin-Prenzlauer Berg 1996) und Seite 59 (Berlin-Kreuzberg 1972) überwiegen nachdenklich-stimmende Photos.
Axel Sommer meint, die Gedichte von Michael Arenz würden gegen Endes des Buches „...versöhnlicher, freundlicher und heiterer.“ (S.131)
Und weiter: „Lambers hat auch dazu eine widersprüchliche Begleitung gefunden. Ein Schild verkündet:“Frieden“. (S.129 Das Schild hat schon etwas gelitten, ist an den Ecken abgeplatzt. Und im Hintergrund verweist eine Sirene auf das mögliche Ende des Friedens.“ (S.131)
So klingt das Buch aus und jede/r entscheidet für sich, ob das pessimistisch oder realistisch ist.
Man merkt Michael Arenz und Hansgert Lambers an, dass sie ein eingespieltes Team sind, das schon mehrere Bücher gemeinsam gestaltet hat. Arenz, der in Bochum lebt, war von 1994 – 2013 Herausgeber der Literatur- und Kunstzeitschrift „Der Mongole wartet“. Ich hole tief Luft, bevor ich dazu was schreibe. Und atme wortlos wieder aus in meditativer Ehrfurcht versunken. Übersetzungen seiner Gedichte ins Englische, Arabische und Chinesische usw. stehen noch aus.
Hansgert Lambers lebt in Berlin. Er fotografiert seit 1951 (ein Jahr vor meiner Geburt), seit 1956 mit der Leica. 1986 gründet er den ex pose verlag, in dem auch das vorliegende Buch erschien. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt einen repräsentativen Band mit seinen Arbeiten heraus zu bringen, z.B. im Taschenverlag. Zumindest bis Weihnachten 2022 sollte das möglich sein.

Michael Arenz Poeme/ Hansgert Lambers Fotografien: Das schwarze Hotel. E-pose-Verlag, Berlin 2020, 135 S., br. 33 €.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (08.06.22, 18:08)
Wirr.
Keine Ahnung davon bekommen, um was es in diesem Buch gehen soll.
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