Die Einsamkeit des Träumers

Sage zum Thema Alleinsein

von  Terminator

Ein junger Schüler, der keine Freunde hatte, fragte Zhuang Jack, ob es falsch sei, ein Träumer zu sein. "Schau, ich habe Freunde, und sogar gute", sagte der Meister, "aber hätte ich nur meine Freunde und nicht meine Träume, hätte ich mich längst aus Verzweiflung umgebracht. Hätte ich nur meine Träume, wäre ich genauso glücklich und heiter".


Kommentar des Übersetzers: Es ist falsch, für soziale Kontakte seine Innenwelt aufzugeben. Ein einsamer Träumer kann glücklich sein; wer die innere Quelle des Glücks jedoch aufgibt, um äußerlich nicht allein zu sein, wird nur verzweifeln und auch unter Menschen einsam sein.


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 Graeculus (25.11.21, 23:58)
Die Einsamkeit des Träumers kann auch einen anderen Sinn haben: In meinen Träumen bin ich grundsätzlich (kann mich an keine Ausnahme erinnern) einsam, d.h. ich stehe ohne Hilfe irgendeinem Problem gegenüber; im tatsächlichen Leben ist das nicht so.
Es kommt also wohl auf die Art der Träume an - wobei ich jetzt von Traum im Sinne von somnium (also nächtlicher Traum) rede und Du vermutlich etwas anderes meinst.

 Terminator meinte dazu am 26.11.21 um 00:44:
Ich meine den Begriff Traum hier durchaus mehrdeutig, beeinflusst durch mehrstündige Lektüre der Gedichte von Edgar Allan Poe heute während des Schlangestehens für die Impfung. Das Gedichtband ist auf Englisch mit russischer Übersetzung/Übertragung, und dazu noch zu jedem Gedicht ein Kommentar. Ein wahrer Träumer dieser Poe: Nachttraum, Tagtraum, Traum im Traum, die Realität als die niedrigste Form des Traums.

In nächtlichen Träumen habe ich Erfahrungen von Zweisamkeit gemacht, die in der Realität kaum zu wiederholen sind, sowohl romantisch als auch platonisch (ja selbst erotisch: deine Nachtträume fragen dich nicht, ob du beschlossen hast, enthaltsam zu leben, bevor sie dich heimsuchen). Es waren Erfahrungen von absoluter Unmittelbarkeit und höchster Intensität; alle Mädchen und die paar Jünglinge, in die ich als Kind/Jugendlicher verliebt war, kommen immer wieder in meinen Träumen vor, zusammen mit dem Gefühl, das ich damals für jeden von denen empfand (so verliebt, dass es unvorstellbar ist, diese Person nicht zu lieben), und sobald ich aufwache, sind sie alle tote Vergangenheit, die emotional nicht mehr berührt.

 Augustus antwortete darauf am 26.11.21 um 09:27:
Träume sind dem Reich des Mystischen einzuordnen. Da die Träume vom Logos unbeeinflusst sind, offenbaren sie die Welt der Intuition. Intuitiv spinnt das ureigenste archaische in uns Bilder, die uns erfreuen, beleben und ja neue Kraft schenken. Wir wissen nicht wo diese Quelle ist, wo sie ihren Ursprung hat, aber sie agiert im Hintergrund und tritt in den Vordergrund, wenn wir’s nicht ahnen. 

Es wurde so viel über Träume gesagt und geschrieben und doch ist der Traum so wenig greifbar, wie man denn versucht mit der Hand eine Wolke festzuhalten. 

Gleichzeitig hat der Traum die Fähigkeit auf dem Fluss unserer Empfindungen zu segeln. Er ist also nicht abgekoppelt von ihnen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Traum ist Empfindung, vielleicht sogar die Empfindung, die im tiefsten Grund in uns liegt.

 Graeculus schrieb daraufhin am 26.11.21 um 15:13:
Dieser Gegensatz zwischen nächtlichen Träumen und Gefühlen bei Tage ist es, der mich beeindruckt. Beides basiert auf Empfindungen, aber auf dermaßen unterschiedlichen, daß ich bekenne, auch in meiner Brust sind zwei Seelen.
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