Traktor fahren verlernt man nicht

Text zum Thema Menschen

von  Spezialarbeiter

Wussten Sie eigentlich, dass manche Menschen es vergessen älter zu werden? Obwohl Lutz die 50 schon weit überschritten hat, ist er im Selbstverständnis immer noch 47 und das wird wohl auch noch viele Jahre so bleiben.

Was schenkt man eigentlich jemand zum Geburtstag, der gar nicht älter wird? Lutz fühlt sich am wohlsten, wenn sich möglichst wenig verändert. Fragt man ihn was er gestern gemacht oder morgen vor hat, kann er dazu nicht viel sagen. Seine humorvolle Antwort auf solch eine Frage ist nicht selten: „morgens hell und abends dunkel.“

Ich dachte, dann schenken wir ihm am besten etwas, was er schon hat. Zum Beispiel eine gute Erinnerung.

Davon hat er eigentlich ziemlich viele. Gerne erzählt er von früher, am liebsten von seiner Arbeit bei der LPG. Er hat Landmaschinen repariert und ist Traktor gefahren. Später fuhr er dann riesige LKW´s, über die Alpen bis in die Schweiz. Das hat er nicht vergessen.

Er hat auch nicht vergessen, wer ihm das Alles genommen hat. Die Arbeit, die Familie und das Haus mit Garten: Es war der Alkohol. Davon rührt er seit vielen Jahren keinen Tropfen mehr an.

Er kann zwar im Gruppengespräch nicht berichten, was er am Wochenende gemacht hat. Geht es aber um das Thema Alkohol, findet er klare Worte.


Als Geburtstagsgeschenk bekam er als Gutschein: „einen Tag als Traktorist“.

Unser Geschäftsführer löste diesen Gutschein gern persönlich ein und sie verabredeten sich zu einer Runde mit dem Traktor über unsere Wiesen.

Aber zu erst wurde gefachsimpelt. Es war herrlich mit anzusehen, wie der Hobbylandwirt und der Profilandwirt miteinander ins Gespräch kamen. Lutz kennt alle Traktor Typen, aber auch mit Mähwerken, dem Wetter und wann man am besten eine Wiese mäht, da weiß er bescheid.

Es war schon lange, lange her, dass Lutz das letzte Mal Traktor gefahren ist, wie in einem früheren Leben. Eine Einweisung brauchte er trotzdem nicht. Sie stiegen ein und fuhren los. Ich konnte nur hinterherschauen. Nach einer Weile kam der Traktor wieder angefahren und Lutz parkte ihn präzise auf dem Stellplatz ein, gelernt ist gelernt. Liebevoll entfernte er noch eine Verschmutzung vom Schutzblech.

Es war sein Traktor, zumindest für diesen Moment.


Am nächsten Tag fragte ich ihn, was wir gestern gemacht haben? Fragend schaute er mich an. „Wir sind Traktor gefahren, Sie waren doch dabei?“

Viel später, als ich ihn um Einverständnis für diese Geschichte bat, antwortete er: „Na klar dürfen Sie das aufschreiben!“ „Es war ein wunderschöner Tag! Da bin ich richtig aufgeblüht!“




Anmerkung von Spezialarbeiter:

Bericht aus meiner Tätigkeit mit suchtkranken Menschen,
Name ist verändert

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Kommentare zu diesem Text


 Verlo (26.11.21, 23:31)
--> unsere Geschäftsführer <-- der Suchtklinik? Demenz?

-->Ich dachte, dann schenken wir ihm am besten etwas, was er schon hat. Zum Beispiel eine gute Erinnerung.<--

was er schon hat -> was er gern hat(te), oder was ihm Freude macht(e). 

#

Gern mehr, als Mehrteiler vielleicht.

 AchterZwerg (27.11.21, 06:27)
Tach,

du sprichst ein Problem an, dass in der Arbeit mit Suchtkranken oft vernachlässigt wird.
Haben die entzogen, bedarf es dringend einer Sache / einer Idee / eines Menschen, für die sie brennen können.
Das hast du gut thematisiert.-  Erinnerungen allein genügen nicht.

Schöne Grüße
der8.

 Dieter_Rotmund (29.11.21, 16:23)
Die einleitende Frage wirkt sehr leutselig, fast übergriffig. Die würde ich weglassen. Satz 2 ist ein guter Anfang.

Das sog. Deppenapostroph würde ich auf jeden Fall entfernen, das ist sehr peinlich...

Ansonsten gerne gelesen, ich mag so einfache, kurze Geschichten ohne viel Gedöns!
Navarone (31)
(06.12.21, 09:07)
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