Psychiatrie-Tagebuch, Teil 11

Tagebuch zum Thema Psyche

von  Koreapeitsche



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Mo. 23.03.2009
 
Eben noch war die eine Schwester hier mit auf Visite, die recht kurz verlief, jetzt steht sie unten vor dem Haupteingang und raucht eine Zigarette. Ich gab während der Visite Dr. Seeck-Hirschner meinen Berlinroman und das Ergonomie-Skript mit auf den Weg. Ich soll beides von ihr morgen zurückbekommen. Mona erzählte mir vorhin, dass Frau Dr. Wilms uns am Freitag am Pennekamp bzw. am Hindenburgufer _ftn1">[1] gesehen hätte. Es ist hier im Hause anscheinend nach wie vor nicht gerne gesehen, dass ich mich mit Mona unterhalte. Es ist gleich Mittagszeit, genau 11 Uhr 11 Uhr. Ich war heute morgen beim Kneipen. Heute Nachmittag will ich mich um 15 Uhr mit Silke Schönfeld vor dem Café Kessel treffen. Gestern in meiner Wohnung übersetzte ich noch drei setze aus "Bloody Hell". Ich war gestern auch für fast 15 Minuten am Ergometer _ftn2">[2] in Gruppenraum.
 
 
 
 
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Do. 24.03.2009
 
Seitdem ich hier auf der P3a bin schreibe ich deutlich weniger in mein Tagebuch. Es gibt auch weniger dringende psychische Probleme, seitdem mich Dr. Kruse nicht mehr so bedrängt. Stattdessen gibt es hier kleinere Miseren. So hat mir der eine Pfleger ein schmutziges Handtuch gegeben, als ich ihn um ein frisches Handtuch zum Kneipen bat. Aber wahrscheinlich ist es nur ein brauner Fleck, der sich nicht herauswaschen lässt. Heute war ich in Monas Wohnung, nachdem ich sie von der Waschschale aus im Zip ansimste. Ich durfte meine Wäsche bei ihr waschen, trocknen musste ich sie in der Waschhalle am Minetti-Platz. Monas Wohnung war zwar aufgeräumt, aber ein wenig versifft. Als ich auf Mona wartete, ging ich im Colosseum auf Toilette. Es roch herrlich nach Pizza. Um 13 Uhr hatte ich mich noch mit
 

 
 
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Silke Schönfeld getroffen, die mir zwei ihrer Gedichte zeigte. Sie hatte anfangs ihre Schwester ins Café Kessel mitgebracht, die in Kiel Theologie studiert. Ich war auch wieder am Ergometer, spielte Mona hier im Gruppenraum mit Lewins Gitarre vor, spielte später mit Mona eine Partie Tischtennis. Mona und ich kamen uns mehrmals sehr nahe. Doch bisher lief noch nichts. Auf dem Rückweg von der Waschhalle hakten wir uns für ein paar Minuten ein, vielleicht für 100m. Die Initiative ging dabei von mir aus. Sie fragte mich mehrmals, ob ich mit ihr nach Hannover ziehen wolle. Ich musste sie bremsen, sagte, sie solle doch einen Ort finden, an dem sie ihr Studium zu Ende bringen könne. In Monas Wohnung brannten wir ein Lemon Räucherstäbchen ab. Das roch dabei wie an der „Küste". Am kommenden Dienstag werde ich voraussichtlich morgens entlassen. Ich bin gespannt, wie das klappt. Ich gab Mona heute einen „Coffee to go“ aus.
 
 
 
 
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Mo. 30.03.2009
 
Es ist jetzt 21:17 Uhr. Es ist nichts Aufregendes mehr passiert. Hier auf den Boden im Gruppenraum läuft ein Silberfisch herum. Es ist wohl der einzige hier. Spaß beiseite. Eben waren wir zu viert Tischtennis spielen - erst ein Doppel, danach zwei Einzel. Wir hatten einen Zuschauer, waren also zu fünft auf dem Flur vor der P6. Danach gingen wir noch raus, Gunnar nach oben, ich ging zu Mona auf den Hof. Es war sternenklar. Bald standen auch zwei Schwester neben uns, die sehr attraktiv sind. Vorher wunderte ich mich um eine Assistenzärztin, die uns - wohl aus Versehen - zweimal grüßte. Ich kritisierte das, ohne dass sie das hörte. Nach dem Abendbrot mach die ich kurz alleine einen Spaziergang ins Gehölz, als Mona auf dem Ergo-Trainer saß. Ich spielte ihr zuvor ein paar Songs auf der Gitarre vor, darunter auch “No Fun”, "Ring of Fire" und „Viva St. Pauli".
 

 
 
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Ich fühlte mich etwas plump und primitiv, wollte deshalb einen Spaziergang machen. Als ich im Gehölz war, machte ich mir ein paar Notizen, was ich noch in mein Tagebuch nachtragen möchte. Ich bin nämlich der Meinung, dass es mir nicht unbedingt schlecht geht. Dennoch habe ich festgestellt, dass ich ein schlechtes Namensgedächtnis habe bzw. eine lange Leitung. Ich notierte mir auch, dass die Musiktherapie heute sehr gut war. Wir waren in dem Musiktherapie-Raum, in dem gut 40 Instrumente stehen. Wir durften viele ausprobieren, sangen auch wieder „Dat du min leevsten büst". Ich durfte wieder "Cockles and Mussles" singen und spielen. Gunnar spielte Klavier, bzw. Orgel. Es brachte viel Spaß. Bei der Ergotherapie malte ich ein keltisches Mandala aus, erzählte, dass ich zu Hause einen Roman mit dem Titel "The Secret Mandala" _ftn3">[3] liegen habe. Morgen soll ich entlassen werden. Ich fühle mich
 
 
 
 
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zwar gut, aber gleichzeitig schlecht darauf vorbereitet, da ich nicht weiß, von wem ich das Rezept bekomme. Richterin Isermeyer traf ich im Café Kessel. Sie sagte mir: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag“ oder so ähnlich. Als ich das erwiderte, sagte sie: „das klingt nicht so überzeugend", und ging an ihren Tisch, lies dort ein Ei fallen, das ich aufhob, sagte: „Es ist doch noch kein Ostern!“ Heute war Visite durch Dr. Kurt und Fr. Metzner. Frau Dr. med Hirschner ist derweil im Mutter Kind Urlaub, Frau Dr. Wilms soll morgen wieder hier sein. Nach wie vor schreibe ich auf der P3 seltener Tagebuch. Es ist auch mehr los. Ich weiß noch nicht, was ich die nächsten Wochen machen soll. In 2 bis 3 Wochen soll ich erst in die Tagesklinik Karlstal.
 
 
 
 
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In meinem Zimmer ist es übrigens sehr staubig, ich finde auch Schwarzschimmel bzw. Asche. Im Zimmer 6 ist es nicht viel besser. Mona hat erzählt, es sind ihr hier bei einem anderen Aufenthalt Klamotten geklaut worden, die ihr jedoch ersetzt worden sind. Der Sex mit Mona von Samstag auf Sonntag war für uns beide eine Nullnummer (3x). Ich prägte den Ausdruck „Risperdallatte". Meine regelmäßigen Aktivitäten hier sind Tischtennis, Ergometer und Gitarre spielen. _ftn4">[4]
 
 

(Hier endet das Tagebuch.)
 
 


 _ftnref1">[1] Das Hindenburgufer wurde am 16. Januar 2014 per Ratsbeschluss in Kiellinie umbenannt.
 _ftnref2">[2] In diesem Fall ein Fahrrad-Ergometer.
 _ftnref3">[3] Der Roman heißt tatsächlich "The solid Mandala" und ist von Patrick White.
 
 _ftnref4">[4] Nach diesem letzten Eintrag ist der Patient entlassen worden.

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