Blätterregen - 3

Erzählung

von  minze

Als ein Cousin auf die Idee kommt, dass wir ihr jetzt Photos und Briefe schicken, halte ich mich zurück. Ich habe mich bereits vor zwei Wochen mit einem Brief und zwei von den Kindern gemalten Bildern verabschiedet. Sie hat ihn bekommen, als sie noch beisammen war. Wir telefonierten das letzte Mal an diesem Sonntag mit Blätterregen, zwei Tage nach der Ankunft meines Briefes, aber nicht über meine Worte darin.
Dass sie Gott jetzt nicht spürt - ist es das Sterben, ist das eine Depression. Ist das ihr Gott? Meine Mutter schreibt es offen in die Gruppe und außer mir, als Außenstehende, kann keiner aus der Glaubensgemeinschaft reagieren. Es arretiert sie in dem Erlösungsmodus, den sie langsam beschwören: in der Dankbarkeit, wie nah sie jetzt ihrem Ziel sei. Nein, es blamiert sie etwas und ich versuche andere Impulse zu setzen. Wir schicken Photos von unseren Kindern, eine Sprachnachricht mit gekrähtem Laternelied, vielleicht schicke ich sogar zu viel, um das zu übertünchen, um die Einsamkeit vor Gott zu kaschieren. Ich beeile mich, etwas von unserem Zusammenhalt festzuhalten: die Einigkeit in unserem Gefühl für sie. Das soll sie erreichen.


Eine Frau aus dem Ort meiner Großeltern hat eine Tochter, die im Krankenhaus arbeitet. Solche Verbindungen sind immer tragend gewesen. In jeder Kur, in jedem Krankenhaus traf meine Oma eine Person, die verwandt oder verschwägert mit jemand aus dem Ort ist und was so nett ist. Diese Renate kennt Oma wirklich ein wenig besser. Sie gibt ihrer Tochter eine Karte mit und die Tochter will meine Oma mal sehen. Vielleicht erhalten wir wieder Zugriff. Die Handytelefonate, die aus Klagegebeten bestehen, immer noch, befürchtet Oma nicht mehr fortführen zu können. Entgegen ihrer Sorge lädt das Personal ihr Handy auf.

Ich sitze im Luftzug meines Klassenzimmers, die Schüler gehen in die Pause, als mich die Nachricht meines Onkels erreicht. Sie hat mich heute erstmals gefragt, ob es ihr besser gehe. Ich sagte ihr: Ja, du klingst besser. Dann meinte sie, sie sei gestern Abend erstmals klar im Kopf gewesen. Meine Mutter hat ein ähnliches Gespräch, später, eine Krankenschwester ruft mit Omas Handy an. Diese schickt dann mit ihrem persönlichen Smartphone ein Photo an sie. Oma sitzt am Bett, man erkennt sie nicht richtig, so viel Licht flutet sie.



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