Blätterregen - 5

Erzählung

von  minze

Als wäre Joscha ein Flummi, auf und ab, Bumm Bumm Bumm. Oma sagt auf der Terrasse, die Kinder können doch aufs Klappsofa sitzen. Denk dir, es ist unser erstes Sofa. Ich will ihn ja halten, aber er hüpft mit oder ohne Halten. Sie sagt mir, dass es Kinder sind. Kinder sind so.  Zu Opa das ist es jetzt so, früher war das anders.
Sie macht ein zufriedenes Gesicht.

Als wir ankommen, ist Denisa noch da, sie begrüßt mich, auch die Kinder, herzlich. Da ist sie sehr geschäftig in der Küche. Sie macht gefüllte Pfannkuchen mit Thunfisch, in Dreiecken und in Ei gewendet. Oma hat’s angekündigt am Telefon und nachdem ich davon gegessen habe, prüft sie meine Reaktion. Du kannst das ohne Bedenken deinen Gästen anbieten, wenn du mal ohne Fleisch kochst.

Bevor wir nach dem Abendessen gehen, will Mara gar nicht mehr weg von Denisa. Zum Abendessen musste sie wiederkommen. Opa rüttelt zwischendurch an ihrer Zimmertüre, sie soll immer dabei sein; ich schimpfe mit ihm. Wenn meine Eltern da sind, verbringt sie etwas mehr Zeit mit ihnen. Ein bisschen ist meine Mutter auch ihre Arbeitgeberin, denke ich. Wir haben eine freie Beziehung, sehr undefiniert; ich schicke sie eher weg und sie nimmt es gut an. Kommentarlos, aber ich meine einen müden Blick, der ins Zimmer fällt, zu sehn.

Mara sitzt vorm Essen auf ihrem Schoß, ich sag nur kurz etwas, als sie ihr Cola aus dem gibt. Davor eine kurze Diskussion ums Impfen. Nachdem sie meint, sie sei dagegen und ich von Risiken des Virus erzähle, sagt sie mir mit Schrecken im Gesicht, dass eine ihrer Freundinnen in Rumänien gestorben sei an Corona, mit 32 Jahren. Und dann versucht sie mir lange zu erklären, was ihre Haltung sei. Immer noch sehr ernst. So ernst, wie man es sein kann mit ihrer Erfahrung – soweit ich weiß, sind Mann und Eltern auch krank gewesen. Sie ringt mit deutschen Worten und ich interpretiere voll an ihr vorbei. Ich verstehe, dass es ihr um die Immunabwehr geht, dass Karotten, Äpfel und Trinken wichtig sind, aber das Entscheidende sagt mir schließlich Oma. Sie unterbricht Denisa lange nicht, nur schließlich mit ihrem bekannten Abwinken und wir stinken jeden Tag, gell?. Dann geht sie in die Küche und sagt dabei jeden Tag geht das, denk dir, jeden Tag!. Als sie wiederkommt hat sie Knoblauch und ein Glas Wasser dabei. Denisa nickt jetzt und wiederholt deutlich Nicht essen! Ich habe das verstanden, aber dachte an ein Knoblauch-Elixier oder so was. Also eine Scheibe Knoblauch auf die Zunge und dann mit einem Glas Wasser trinken. Denisa, ich mach es jetzt, aber nicht mehr morgen früh. Deren Reaktion will mein Lachen verschlucken.Wir müssen, ist Corona. Und ich stimme ihr zu, bin in mir widersprüchlich, aber lasse den Ernst zu.

Ich sage ihr der Küche, dass sie mutig sei, dann in anderen Worten: stark. Sie wird ein, zwei Jahre durcharbeiten, um ihr Haus zu bauen. Der Mann soll in Rumänien bleiben. Sie hat einmal einen weichen, dann durchdringenden, pragmatischen Blick. Wie ich mit ihr mitfühlen will, sagt sie zu mir, dass es nicht schlimm sei. Wieder will sie mir etwas nonverbal vorwegnehmen, in ihrer eigenen Souveränität. Über die ich nicht wegdenken kann, nicht für sie. Meine Kinder sind groß, weißt du. Sie schaut beschwichtigend, das streicht mir unversehens über den Arm. Wie soll ich mich hinstellen oder schauen oder etwas sagen, wieso sollte ich es wollen. Meine Vorstellungen von freien Tagen kommen nur unbeholfen aus mir heraus und sie lächelt‘s weg. Hält aber inne. Sonst ist sie am arbeiten oder gleich weg.

Oma fehlt das Büro, was nun Denisas Zimmer ist. Sie geht mit mir in den Keller, um zu schauen, wo mein Onkel und meine Mutter die Dinge verstaut haben. Bittet mich, mich hinzuknien und in die unteren Schränke zu sehen. In der Kellerküche wird Marmelade und Apfelmus und Brennesseldünger hergestellt. Es ist ihr so peinlich - überall stehen Kartons und Ordner, sie kann sie nicht aufräumen. Sie will viel wegwerfen bevor ich’s nicht mehr kann und ich nehme manches mit, alte Kinderfibeln von James Krüss, ein Buch über Wehrhaftes Wild in Afrika mit Originalphotos neben Schwarz-Weiß-Illustrationen, auch ihr erstes biblisches Buch in Sütterlinschrift mit Ausmalbildern. Bei manchem kann ich nicht Nein sagen; bei den Seidenmalfarben und  Schondecken des verkauften Mercedes.

 



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