Der Ekel
Monolog zum Thema Abrechnung
von Mondscheinsonate
Jedesmal, wenn ich mir die armselige, dreckige, versoffene, ungepflegte, hässliche und vorallem dumme Person ansah, die meinen Platz einnahm, den ich freiwillig verlassen hatte, um mein Seelenheil wiederzubekommen, kam mir das bereits Halbverdaute wieder hoch, aber gerade noch rechtzeitig, bevor es zutage kommen konnte, besann ich mich nochmals, dass diese Widerwärtigkeit, die da besoffen im Gras saß zu dem anderen Übel passte wie die Faust auf das Auge.
Ich nicht.
Vorallem ist es diese Schwäche, die mich zum Würgen brachte, das Sichaufgeben wegen einem Versager, den ich in den Himmel hob und genau das war es, was mich jahrelang beschäftigte, nicht mehr seine Kränkungen, ja, ich dachte das, aber nein, es war mein Verhalten, warum ich so verfiel, das irritierte mich, besonders die starke Liebe zu meiner Mutter, er war exakt gleich, sogar in den Bewegungen, das Gehabe, die Worte, das Saufen, das Versagen, das Schlechtmachen von jedem, der besser war, erfolgreicher, was soll ich sagen, es war die Liebe zu meiner Mutter, die ich seit seit 25 Jahren nicht mehr gesehen habe, also doch, meine Freundin wohnt um die Ecke, die hat mir ein Bild geschickt, nur noch Haut und Knochen, das blieb übrig von Party und Drogen, ein Gerippe, so sieht sie aus wie ihr Vater, mein Großvater, ein paar Augenblicke vor seinem Tod mit 92 Jahren, Haut und Knochen, Wasser in der Lunge, die Höhlen quollen aus den Augen, nicht umgekehrt, die Nase ragte knöchern aus den eingefallenen Wangen, der Mund war nur noch ein Strich, eingetrocknete Lippen, das Bild hat sich in mir eingebrannt und dann das Foto von seiner Tochter, meiner Mutter, mit 72 Jahren im Wirtshausgarten vor dem x-ten Bier sitzend, die Augen in tiefen Höhlen glänzend vor Trunkenheit.
Am Liebsten hätte ich ihr eine reingehauen, dem Skelett, ja, ich friedliebender Mensch, allein für alles, was sie mir als Kind angetan hat und er, er war genauso, ich durchlebte meine Kindheit und Jugend im Schnelldurchlauf nochmals, traumatisiert.
Und sie, dieses hässliche dicke Mädchen, das sich aufgab, ihre ganze Karriere sausen ließ, mit ihm zum Trinken anfing, weil die Co-Abhängigkeit in Hörigkeit umschlug, pflegt sich nicht mehr, sammelt widerwärtig kranke Menschen im Netzwerk, die von Spiritualität faseln, was in Wahrheit die Ausgeburt von reiner Drogensucht ist und kommt da nicht mehr heraus.
Und so ekelte es mich, ja, mir grauste, wenn ich sie ansah, diese Schwäche, die ich auch hatte, jedoch mich niemals aufgab, wegen niemanden, niemals.
Das einzig Positive an der Geschichte, meine Stärke. Ja, die Zeit mit meiner Mutter hat mich extrem stark gemacht, anders hätte ich die Zeit mit ihm nicht ertragen. Aber, er hat sie kaputt gemacht und faselt von Liebe, das Dreckskind.
Fleißig rennt sie, um ihre letzte Würde zu bewahren, ihre Falten vom Saufen wegspritzen, weil Party ihr einziger Lebensinhalt geworden ist, aber diese Leidenschaft fordert unter 40 bereits ihren Tribut. Gibt nicht einmal Bücher an, nur oberflächliches Zeug, die Schwerkraft hat vom Fressen längst zugeschlagen, pure Depression am ganzen Körper sichtbar, aber wenigstens keine Mimik, die Spritze wirkt.
Populistensch..., lässt auf Festivals die Fahne wehen, peinlicher Mensch, dumm wie Stroh, während ihre Schwester alles geschafft hat, Frau Magistra, auch der Papa, der Herr Magister, sie, die Versagerin, deshalb säuft sie, genauso wie er, nichts gelernt, nichts geschafft, Papi und Mami sind reich, haben aber versagt, alle haben sie versagt.
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit hätte ich noch Kinder bekommen können, mit einem lieben Mann, aber ich musste ja meiner Mutterkopie nachlaufen, alles nochmals durchlaufen, endlich einen Abschluss finden, den ich nicht fand. Sie erinnert mich an Charly, den hat die Mutter plötzlich nachhause gebracht, der soff genauso viel wie sie und heute, 30 Jahre später, pickt er noch immer bei ihr, den Kopf wie eine Schildkröte nach vorne, der Glöcknerbuckel hinten, die kurzen Arme hingen immer herunter, viel zu kurz. Frisör war ihm fremd, er schnitt sich selbst die Haare.
Diesen Ekel bekomme ich nicht heraus, der ist noch da. Die Parallelen sind eklatant. Nur saß er nicht in der Wiese mit Apple-Watch und tat auf Obdachloser, sie schon. Man muss schließlich das Reiche-Leute-Kind bewahren, trotz Drogenabhängigkeit.
Aus.
Ich glaube, mich ekelt es einfach nur vor mir selbst, dass ich mich angreifen hab lassen von dem Müll. Ich bin selbst Schuld. Der Ekel kommt in Schüben, immer dann, wenn ich gar nicht mehr daran denke. Es nervt mich. Ich will raus.