Was tun mit einem erklärten Pyromanen

Groteske zum Thema Verantwortung

von  eiskimo

Sie: Man muss so ´n Brandstifter  wegsperren, ganz klar.

Er:  Wie barbarisch, Schatz. Du machst mir Angst. So reden sonst nur alte weiße Männer.

Sie: Es geht doch um unser aller Sicherheit.

Er: Es geht um ein Individuum, um das Grundrecht der Freiheit, unser höchstes Gut!

Sie: Unser höchstes Gut ist die körperliche Unversehrtheit, die muss man schützen.

Er: Eben. Und wenn Du einen Kranken einfach wegsperrst, ist dessen Unversehrtheit massiv in Gefahr, denk mal an die seelische Belastung, womöglich in Einzelhaft.

Sie: Aber er gefährdet doch sonst seine Mitmenschen, deren Hab und Gut!

Er: Deswegen müsste man erst einmal versuchen, diesen Menschen zu verstehen. Was treibt ihn an? Was ist bei ihm schief gelaufen? Was will er uns mit seinen Taten sagen?

Sie: Und ihm weiter seine Zündelei ermöglichen?

Er: Nein, man müsste ihn stark machen, seine Selbstkontrolle aktivieren, ihm einen Lernprozess ermöglichen.

Sie: Und hoffen, dass er  uns den Gefallen tut, mit dem Zündeln aufzuhören?

Er: Natürlich dürfte er in dieser Bewährungszeit keinen Zugriff mehr haben auf Zündhölzer oder Feuerzeuge…

Sie: Und Du glaubst tatsächlich, dass sich das kontrollieren ließe? Mann!

Er: Naja. Eine Garantie gibt es nicht. Das Beste wäre,  wir rodeten alle Wälder , die ihn in Versuchung bringen könnten. Roden oder zumindest mit einem schwer entflammbaren Schutzfilm besprühen…

Sie:  Grrrrrr….



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Kommentare zu diesem Text


 monalisa (04.02.22, 08:27)
Hi eiskimo,

mir gefällt die Dialektik in deinem Text, der die Stimmen von IHM und IHR wiedergibt, ohne abschließend zu einem Urteil zu kommen.
Obwohl natürlich SEINE Argumente zum Ende hin schon ins Absurde abdriften. Vielleicht bleibt aber gerade deshalb "etwas hängen" in den Windungen von Gemüt und Geist der Leser*innen.

Mir gefällt auch, dass der "Brandstifter" auf so viele Bereiche bezogen werden kann, und Leser*in sich selbst eine Hintergrundgeschichte ausmalen darf. Brandstifter sind schon irgendwie auch wichtig für die Gesellschaft, weil sie gezwungen ist, sich damit zu beschäftigen. Ob Wegsperren wirklich die einzige Option ist?

Liebe Grüße
mona

 eiskimo meinte dazu am 04.02.22 um 08:48:
Liebe Mona!
Du zeichnest sehr gut die Spannung nach, die es zwischen "Wegsperren" und "Verstehen" gibt, und dass man es sich mit "Unruhestiftern"  nicht so leicht machen sollte.  Wie weit darf die Toleranz gehen?  Wo wird sie zur Farce?
Ich bin da auch noch nich fertig mit IHM und IHR.
LG
Eiskimo

 AZU20 (04.02.22, 10:03)
Roden, das wärs doch. Das Holz in den Ofen. LG

 Fridolin (05.02.22, 04:20)
was ist ein erklärter Pyromane? Vermutlich denkst Du an Menschen, die sich mit ihren wiederholten schlimmen Taten identifizieren, und das, glaube ich, ist ein Mythos.
Ich hatte beruflich viel mit Gefängnisinsassen zu tun und bin dabei nie einem "bösen" Menschen begegnet, sondern nur solchen, die Böses getan hatten und das in der Regel auch so ausgesprochen haben. Mancher hat sich auch  selbst mit seiner Tat identifiziert,  das heißt, an seinem Mythos mit gestrickt, aus welchen Motiven auch immer; aber keiner hat mich davon überzeugen können, dass das die Grundlage seines Wesens sei. Der Mensch ist immer mehr als seine Taten, seien sie auch noch so spektakulär.


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Kommentar geändert am 05.02.2022 um 04:26 Uhr

 eiskimo antwortete darauf am 05.02.22 um 09:31:
Du beeindruckst mich mit Deiner radikalen Gut-Gläubigkeit, und ich sehe das im Prinzip positiv.
Anders herum gälte ja: Wenn man jemandem lange genug einredet, er sei böse, dann wird er einem irgendwann den Gefallen tun, tatsächlich böse zu agieren.
Frage: Warum reden da Menschen auf den vermeintlich  Bösen so ein ? Sind die letztlich die "Bösen"?
Danke für Deine Offenheit!
Eiskimo

 Fridolin schrieb daraufhin am 06.02.22 um 06:19:
Auch auf der anderen Seite gibt es keine wirklich bösen Menschen. Ich denke, viele glauben, ihre (berechtigte, verständliche) Angst vor bösen Taten mit Strafen bekämpfen zu können, und das ist im Moment mein großes Rätsel:
 Woher kommt der Glaube an Sanktionen?
Das haben wir da ja schon ausgiebig diskutiert. Man könnte das inzwischen wissen, dass Sanktionen letztlich nichts bringen.  Sanktionen haben natürlich eine unendlich lange Tradition, aber ich meine, die Zeit wäre reif, mit diesen Gewohnheiten zu brechen. Wenn jemand aus Angst nach Strafen ruft, ist das natürlich nicht böse, aber ein bisschen dumm ist es in meinen Augen schon. Wenn Politiker oder Leitmedien nach Strafen rufen, ist das aber wohl nicht einfach nur Dummheit, sondern da kommen schließlich auch gewaltige geschäftliche Interessen ins Spiel, angefangen bei der jeweils eigenen Karriere bis hin zu den Profiten der Rüstungsindustrie.  Da kommen wir dann in Bereiche, wo es weitaus gefährlicher zugehen kann als in jedem Gefängnis. Aber auch hier ist niemand nur "böse"; auch Hitler liebte Schäferhunde, und Eva Braun.
Kurz gefasst: Man sollte Taten verurteilen, nicht Menschen. Und wer böse Taten verhindern will, erreicht mit Strafe wenig. Da gehört mehr dazu. Und es tut mir leid, dass ich mit Deinem eher spielerisch gemeinten Text so bierernst umgehe.

 eiskimo äußerte darauf am 06.02.22 um 10:25:
Ja, das Thema "Strafen" ...  Bußgelder für zu schnelles Fahren, Führerscheinentzug bei Alkohol am Steuer, der Abschleppwagen, wenn das Auto im absoluten Halteverbot steht. Vergehen, die man nicht mehr unter "Strafe" stellen soll??  Sind wir Menschen wirklich so "gut", dass s auch ohne geht?
Ich frage mich das wirklich, nicht nur spielerisch.

 Fridolin ergänzte dazu am 07.02.22 um 04:15:
Sind wir Menschen wirklich so "gut", dass s auch ohne geht?
natürlich sind wir das nicht, aber wir können es - bei intelligenterem Umgang mit Fehlverhalten - werden. Nicht von jetzt auf gleich, und es kann auch in manchen Fällen ziemlich schwierig werden, klar.


Die grundsätzliche Frage ist, Was bewirkt was?

Gefängnisaufenthalte habe ich in manchen Fällen durchaus als wirksam erlebt, zB wenn sie eine Ausbildung ermöglicht haben, manchmal hatte sogar allein der geregelte Tagesablauf eine heilsame Wirkung. Muss das nun aber notwendigerweise in einem Gefängnis passieren, das so viele unerwünschte Nebenwirkungen hat? Muss man das als Strafe verkaufen? Was würde passieren, wenn man das einvernehmlich verabredet?

Abschleppen und Führerscheinentzug sind in meinen Augen eher logische Konsequenzen als Strafe.

Alle Geldbußen sind, so wie sie sind, Freifahrtscheine für gut Betuchte, lösen deshalb in diesen Kreisen kaum Widerstand, aber auch kaum Umdenken aus; allenfalls wenn sie besonders geizig sind. Bei Hartz4-Empfängern wirken sie, aber empfinden sie das als gerecht? Zugegeben: Teilweise wird dem - bei Ersatzfreiheitsstrafe - Rechnung getragen durch einkommensbezogene Tagessätze, aber am Prinzip ändert das nicht wirklich etwas.
Zu schnelles Fahren kann man zumindest teilweise begrenzen durch "eingebaute" Höchstgeschwindigkeiten.
Ich bin aber grundsätzlich auch nicht puristisch; vielleicht braucht man da und dort noch Strafen, ich fände es nur schön, wenn die Richtung sich ändern würde.

Antwort geändert am 07.02.2022 um 04:29 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 07.02.22 um 08:28:
Da sind wir nicht mehr weit auseinander. Wenn ich  Verhaltensänderung einvernehmlich, durch Einsicht hinbekomme, wäre das allemal nachhaltiger  als jene aus Angst vor Strafe. D´accord.
Die Frage  bliebe: Wie viele Menschen erreiche ich auf dieser Schiene? Und wie gehe ich mit "Missbrauch" um?

 Fridolin meinte dazu am 08.02.22 um 04:45:
Gute Frage(n). Im Weg steht meiner Ansicht nach vor allem der weithin unreflektierte Glaube an Sanktionen. Hoffnung macht mir da paradoxerweise die Diskussion um die Impfpflicht. Da ist wohl so manchem bewusst geworden, wie schwierig sie durchzusetzen wäre, d.h. welche Probleme mit welchen Sanktionen verbunden wären. Wenn es gut ausgeht, wird vielleicht auch die Sache mit der Ukraine ähnliches bewirken.
Aber konkret:
Recht erfolgreich war mein Kampf um "grüne Tinte". Man kann Rechtschreiben ganz gut trainieren, wenn man grün anstreicht, was richtig ist, statt Fehler mit rot zu markieren. Wenn man konsequent Erfolge betont statt Fehler zu betrafen, kann man sehr viel erreichen, und da das schöne unmittelbar erlebbare Resultate hatte, wirkte das nicht nur für Eltern, sondern auch für etliche Lehrer sehr überzeugend. Das ist natürlich sehr verkürzt dargestellt, aber hier interessiert ja nur, wie viele kann ich erreichen.
Missbrauch ist natürlich erheblich schwieriger, vor allem wenn die Opfer Kinder sind. Es handelt sich da um ein denkbar schlecht erforschtes und auch ein denkbar schlecht erforschbares Delikt, zusätzlich noch belastet durch den Missbrauch des Missbrauchs. Mensch und Delikt nicht in einen Topf zu werfen ist aus diesen Gründen hier einerseits besonders wichtig, andererseits aber auch ausnehmend schwer, weil die Tat besonders viel Abscheu hervorruft. Dazu kommt, dass man auch auf Opferseite Mensch und Delikt dringend auseinander halten muss, und dass man im Interesse der Opfer mit den Fallgeschichten auch sehr behutsam umgehen muss.
Die Strafandrohung ist hier aus diesen Gründen genauso wenig hilfreich wie sonst auch. Eine besonders große Rolle wird aber die Wiedergutmachung spielen müssen. Das gehört zu meinen Wunschträumen: Die Geschichte einer gelungenen Wiedergutmachung.
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