Atheismus heute

Wenn der Atheismus keine Freizeitbeschäftigung ultradekadenter Degeneraten ist, die das Bedürfnis geistig gesunder Menschen nach Transzendenz und die verwirklichte Selbsttranszendenz höherer Menschen auslachen, was soll er heute sein? Oder ist der Atheismus einfach die Lebenseinstellung "Wenn es Gott nicht gibt, ist alles scheißegal", mit dem Unterpunkt, dass dann auch alles erlaubt ist? Die Frage, was der Atheismus ist, wird leider oft als die Frage verstanden, was der Atheismus für das Vieh ist. Weil der Religiot ein Ochse ist, ist für ihn auch der Ungläubige ein Ochse.

Atheismus bedeutet nicht zwangsläufig Nihilismus. Im Theismus ist sogar mehr Nihilismus enthalten: ein willkürlich herrschender absolut mächtiger und deshalb absolut korrupter Perversengott, Liebhaber der Völkermorde und Freund pädophiler Pfaffen, eine abartigst parasitäre Einstellung gegenüber der Natur, eine verabscheuungswürdige Weltuntergangsgeilheit. Der Atheismus beinhaltet mehr Nächstenliebe als jede theistische Religion; die humanistischen Werte einschließlich der Menschenrechte kommen nicht aus der jüdisch-christlichen, sondern aus der atheistisch-aufklärerischen Tradition.

Zu sagen, dass es Jehova oder Allah nicht gibt, ist nicht falsch, aber auch nicht sehr ehrgeizig. Zu sagen, dass der Christenmob, der vergewaltigten Frauen das Abtreibungsrecht wegnehmen will, zur Hölle fahren soll, ist schon besser. Dreckige Islamofaschisten, die bis heute den Genozid an den Armeniern leugnen, zu beschämen, gehört zu den aktuellen Aufgaben eines aufrichtigen Atheisten. Aus Respekt vor Religion bei kirchlich gesegneten Kinderschändern wegzuschauen, ist feige. Warum brennen die Kirchen nicht? Warum bewegen sich katholische Geistliche, Mittäter oder Verschweigetäter, angstlos auf den Straßen, während Menschen jüdischer Identität (nicht unbedingt Religionszugehörigkeit) Angst vor antisemitischen Muslimen und Nazis haben müssen?

Der Atheismus kämpft heute gegen längst besiegte Feinde. Zu sagen, was Voltaire damals sagte, ist heute keine Heldentat, weil das Recht keine Geisel des Gotteswahns mehr ist. Natürlich ist die Bibel eine Sammlung grausamer Märchen. Selbstverständlich ist der Koran ein schlecht zusammengeklautes politisches Kampfbuch. Aber die Religiotie ist wieder auf dem Vormarsch: zynische Oligarchen, gehässige Chauvinisten und widerwärtige Menschenfeinde basteln sich aus parareligiösem Wahnschatz Heiligenscheine; die rücksichtslosesten Politiker in Russland sind ostentativ orthodox und in den USA jesusgeil-evangelikal. Ohne theistische Religionen wäre Geisteskrankheit ein Fall für den Psychiater, stattdessen wird sie akzeptiert, respektiert und hofiert. Die historische Verantwortung der heute lebenden Atheisten ist, dass die Menschheit nicht wieder irre wird.