Versuchung der Jungfrau

Kurzgeschichte zum Thema Nacht

von  RainerMScholz

Du bist bei mir, sitzt mir an meinem Tisch gegenüber; bist eingeschlafen, besoffen und zugekifft; dein Kopf ist auf die Brust gesunken und du schnarchst leise. Dein weißes Fleisch schimmert unter dem blauen Spotlicht bleich und adrig. Das Fleisch einer weißen Jungfrau.

Es ist Winter. Du trägst immer noch den wollenen Pullover, vermutlich selbst gestrickt, wenn auch nicht von dir. Obschon die Heizung viel zu hoch eingestellt ist und ich längst im Unterhemd dasitze. Draußen vor dem Fenster fallen schwere graue Flocken nassen Schnees. Kondensierter Atem rinnt am Glas hinunter. Dein Hals ist frei, der Schal zu Boden gerutscht. Dein weißer Hals. So weiß. Und schlank. Und makellos. Dein unschuldiges Gesicht im Rausch. Friedvoll. Madonnengleich.

Ich beuge mich über den Tisch und schiebe den groben Pullover etwas höher. Scheinbar lasziv fällt deine rechte Hand schlaff von der Lehne des Sessels. Meine Fingerspitzen an deinen Brüsten dann; rosig, warm und weich, deine Brüste.

Nein, Vorsicht! Sie darf nicht erwachen.

Sie ist noch so jung. Jung, unverbraucht und unschuldig. Ich könnte ihr mit dem Brotmesser die Titten abschneiden, ihre Augen aushöhlen. Ich könnte ihr einen Besenstiel bis ins Hirn treiben.

Ich sollte ihre Muschi aussaugen. Ich sollte ihr eine weiße breiige Ladung auf die halbgeöffneten Lippen klatschen.

Ich sollte mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank holen. Es ist Winter.

Im Vorübergehen habe ich ihre linke Brust in der Hand, so weich, so süß, so fertil. Die Heizung ist jetzt aus: Die Brustwarzen stehen erektil ab. Ich gehe in die Küche.

Das Bier in der Linken, das Messer in der Rechten setze ich mich ihr gegenüber. Und betrachte sie. Ein Schauer läuft mir den Rücken hinab, den kalten Stahl in der linken Armbeuge. Das letzte Glas. Der letzte Schnitt.

Und Simone schläft auf Armeslänge. Wie in Trance. Neben mir. Die Musik schreit 'Neurosis': Enemy of the sun.

Ich nehme eine Decke aus dem Schlafzimmer, wünsche ihr unerwidert eine gute Nacht.

Dieses Mal ging es noch einmal gut. Der Morgen graut. In der Stille fällt reiner leichter Schnee auf grauen Asphalt.


© Rainer M. Scholz


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