Mitternachtsfick

Kurzgeschichte zum Thema Nacht

von  RainerMScholz

Der Kronkorken der Bierflasche ploppte vom Flaschenhals und drehte halsbrecherische Pirouetten über das Linoleum, bis er an der Wand zerschellte und zu den anderen hinter das Sofa rollte. "Warmes Bier und kalte Frauen..." sang Tom Waits leise, schräg und melancholisch über die kaputte Stereoanlage an mein taubes Ohr.
Ich überließ mich meinen Träumen vom Untergang beim zarten Vollmondschein (und sah den toten Trabanten bereits mit gelichterter Geschwindigkeit auf mich und den Rest der Welt zurasen), als sich plötzlich die Tür öffnete und eine atomicbusige Nymphe eintrat, die grazil auf riesig langen Beinen durch das ganze Zimmer stökelte, um es sich mir gegenüber im Sessel bequem zu machen. 'Tja,', dachte ich, 'das ist doch `mal etwas ganz anderes.'. Ich fürchtete nämlich schon, dass, wenn nun schon die Bilder schief hängen und Vulkanausbrüche silbrigkochenden Blutes aus den Mauern brechen, ich demnächst vollends den Verstand verliere (von den kleinen gelbblauen Vögeln um mich herum ganz zu schweigen) (die sprechen auch manchmal mit mir) (meistens jedoch zwitschern sie nur dummes Zeug, dass ich gar nicht verstehen kann) (Idioten!).
Die blonde (na klar), wohlproportionierte Dame nahm einen Schluck aus der Flasche und räkelte sich behaglich in ihrer Sitzgarnitur, während mir meine sprachlose Verblüffung (wie so oft) tiefe Stirnfalten auferlegte. Sie ließ die Beine über die Lehne baumeln - die Armlehne links und die Armlehne zu ihrer Rechten - und - ja, wirklich - sie beginnt hier bei mir, genau hier, sich selbst zu streicheln, vor meinen Augen, die schier unter den Tisch gerolläpfelt sind vor entsetzlich gieriger Überraschung, steckt sich die Finger `rein, zwei Finger ihrer rechten Hand, die sie vorher sorgfältig mit dem Mund angefeuchtet hat, zwei Finger in die offenste, feuchteste, heißeste Muschi, die ich je zu Gesicht bekommen habe und wühlt, das Gesicht vor Verzückung außer Kontrolle geraten, in sich herum, bis ihre Hand fast verschwindet. Plop! - ich öffnete lieber noch ein Bier.
Die tiefroten prallen öligen Lippen wölben sich mehr und mehr nach außen, die Nippel ihrer zeppelinartigen Brüste, mein Gott!, - sie erigieren ins Unerdenkliche, und sie vibrieren scheinbar wie autark vor kaum, nein, eigentlich gar nicht verhohlener Verzückung.
Dann nahm sie endlich ihre lustglitschigen Finger aus der Möse und: - und eine Unzahl teuflischen Ungeziefers, schwarze Kakerlaken, steifbeinige Ameisen, schuppig behaarte Spinnen, speichelfleckige Fliegen, - alles was krabbelt und unnatürlich viele Beine hat, quoll aus ihrer fleischigen Lustgrotte, ergoss sich auf meinen Teppich und versuchte meine Beine zu erobern. Ihr Kopf neigte sich im Zeitlupentempo von der Brust in den Nacken, weiter und weiter, ihre Halsschlagader trat pochend hervor, das Gewebe um ihre Gurgel spannte sich bedrohlich, - neigte sich immer weiter nach hinten, um dann vollständig vom Hals zu kippen, dumpf auf die Dielen zu knallen und - ich hatte den blanken Halsstumpf vor mir sitzen! Ohne Kopf! Die Frau war ohne Kopf! Ein Torso ohne Kopf! Der vom Rumpf getrennte Schädel rollte unter das Sofa und blieb dort bei den Kronkorken liegen, starrte mich blond, mit lustvoll verdrehten Augen von unten herauf an und grinste.
Ich stand aus meinem orangefarbenen Sessel auf, schaltete das Licht an und wieder aus und ging zu Bett. Draußen begann es bereits zu dämmern. Mir auch.


(c) Rainer M. Scholz


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.02.22, 13:33)
"Marytilin" - was soll das sein?
Adrian (47)
(12.02.22, 04:12)
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 RainerMScholz meinte dazu am 15.02.22 um 14:50:
Solange ein fiktiver Leser (respektive ich)(oder ein tatsächlich physischer Leser)(oder wie auch immer man das ausdrücken möchte) den Text aufzunehmen vermag, darf der Autor aus artifizieller Sicht machen, was er will. Christian Kracht hat sich bei einer Dichterlesung die Stirn mit einer Klinge blutig geritzt. Inwiefern das den rezitierten und rotverschmierten Text befördert hat, weiß ich nicht.
Gruß + Dank,
R.
Adrian (47) antwortete darauf am 15.02.22 um 15:35:
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 RainerMScholz schrieb daraufhin am 15.02.22 um 15:48:
Duden hat nicht immer recht, auch wenn ein paar Spielregeln nat++d,mö sind.
Das war Rainald Götz? Beim Bachmann-Zirkus, stimmt`s? Mit deutschsprachiger neuester Literatur tue ich mich manchmal schwer.
Grüße,
R.
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