Monokultur

Text zum Thema Traum/ Träume

von  Moja

Endlich ist es soweit, das deutsche Kulturinstitut in Westafrika widmet Gebrauchsgegenständen aus Deutschland die erste Retrospektive. Als ich sehe, dass etliche Afrikaner in das Gebäude hineingehen, verspüre auch ich den Wunsch, die Ausstellung anzuschauen. Drinnen begegnen mir einige afrikanische Kollegen, gemeinsam gehen wir durch die Räume. Heiter gestimmt schlendere ich vor den Vitrinen und Regalen umher und verliere mich in Erinnerungen. Die Ausstellung dokumentiert seit den frühen 1960er Jahren eine Sammlung von Alltagsgegenständen, die die gesamte Bandbreite an Putz- und Scheuermitteln umfasst. Pril, OMO, Weißer Riese, K2r erwecken die Vergangenheit wieder zum Leben. In Gedanken sehe ich meinen Vater, wie entspannt er die Fleckenpaste aus der Tube aufträgt und zufrieden einwirken lässt. „Hab immer K2r zur Hand - der Fleck ist weg - ganz ohne Rand!“ – sage ich laut. Und dort im Regal: Palmolive, ich höre mich wie Tilly reden – „Sie baden gerade Ihre Hände drin!“ – und muss kichern. Vereinzelte Besucher schauen verwundert zu mir herüber, die Runde bricht in Gelächter aus. Mein Kollege liest beflissen die Beschriftung unter einer Packung Persil vor: „Hergestellt in der Bundesrepublik Deutschland.“ So steht es unter jedem Produkt, stelle ich nach einer Weile fest. „Das entspricht aber nur der halben deutschen Geschichte“, sage ich entrüstet zu meinem afrikanischen Begleiter, „es fehlen die Produkte aus der DDR.“ Schon fällt mir der nächste Slogan ein: „Wer wird den gleich in die Luft gehen, greife lieber zu HB“.

 

 



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (17.02.22, 18:02)
Ja,
es gibt sicherlich eine Vielzahl an Dingen, die Erstaunen hervorrufen.
Nehmen wir beispielsweise den Eierkocher ... wie willst du einem Normalmenschen erklären, wozu der gut ist?

Der8.
(der sich auch einmal zu einem Kauf hat hinreißen lassen ...)

 Moja meinte dazu am 18.02.22 um 18:37:
Den Eierkocher gab es sogar in beiden deutschen Staaten, lach, aber erkläre das mal einem Afrikaner!

Sogar Zwerge lassen sich also zum Kaufrausch verführen, ich sag's nicht weiter...

schmunzelnde Grüße,
Moja

 harzgebirgler (17.02.22, 18:19)
das hb-männchen ist wirklich legendär
und der abschied von ihm fiel echt vielen schwer! :(

abendliche schmunzelgrüße
harzgebirgler

 Jedermann antwortete darauf am 17.02.22 um 19:09:
Das ist bei mit hängen geblieben: "Wenn einem also Gutes widerfährt, das ist schon einen Asbach Uralt wert. Im Asbach Uralt ist der Geist des Weines." Trotzdem habe ich nie einen getrunḱen. :D
Die Werbung in der DDR hieß Tausend-Tele-Tips und wurde bereits 1975 eingestellt. Sie war sehr bieder. Im Sprechgesang hieß es z.B.:  Baden mit Badusan, Badusan, Badusan, baden mit Badusan, Badusan, Badusan.
Noch einfacher ging es zu mit: "Möhren so gesund". Aber, das stimmt ja auch!

 Tula schrieb daraufhin am 17.02.22 um 21:33:
Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol ..

unvergesslich  :D

 monalisa äußerte darauf am 18.02.22 um 09:03:
Hallo Moja,
ich habe natürlich erst mal ebenfalls in Erinnerungen geschwelgt, unter anerem bei der "Riesenwaschkraft" des weißen Riesen und "Mister Proper putzt so sauber, dass man sich drin spiegeln kann" (bemerkenswert, dass sich damals die Hausfrau von starken Männern beim Putzen und Waschen unterstützen ließ, der Gesellschaft weit voraus!) und den österreichischen Spezialitäten "Manner mag man eben", "Schartner Bombe, die Bombenerfrischung" ...

Aber eigentlich gehts doch vor allem um die Monokultur (in der Ausstellung), die Einseitigkeit der Retrospektive, die den Osten unterschlägt, ... als hätt es ihn nie gegeben! Oder?

Liebe Grüße
mona

 Moja ergänzte dazu am 18.02.22 um 19:00:
@harzgebirgler: Alles hat seine Zeit!

@Jedermann: So verinnerlichen wir Werbung, auch woran du dich erinnerst, wurde ausgespart...

@Tula: Den Minol-Pirol - musste ich googeln - reiche ich nach im nächsten Traum... :)

@mona
Ja, Mona, der Traum spiegelt die einseitige Perspektive, als hätte es nicht zwei deutsche Staaten gegeben. Oft erlebte ich bei Lesungen, Vorträgen Darstellungen aus rein westlicher Sicht, Ostdeutsche standen auf, erhoben empört ihre Stimme, sie kamen nicht vor - in Berlin, dem gespaltenem Gedächtnis der Stadt - ist das besonders spürbar. 
Mich amüsierte die Putz- und Scheuermittel, das Klischee der bundesdeutschen Hausfrau klingt an. 
Ich staune, wie sehr wir doch jahrzehnte alte Werbung verinnerlicht haben. Auch Deine Beispiele riefen in mir gleich Bilder und Töne hervor.
Sogar in der Nationalbibliothek in Banjul (Gambia) war deutsche Literatur in den 90ern nur durch Grass Blechtrommel vertreten, bisschen dürftig, aber immerhin. 

Herzlichen Dank für eure Kommentare,
Moja
Agnete (66)
(13.03.22, 10:20)
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 Moja meinte dazu am 14.03.22 um 18:43:
...und vor allem im Traum, liebe Agnete,
grüße herzlich zurück!
Moja
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