So dicht vor dem Hort des Lichtes

Erzählung zum Thema Wohlergehen

von  eiskimo

Ich wollte Lucy den „Park der Echten Glückseligkeit“ zeigen. „Das klingt gut!“ sagte sie, und wir zogen beschwingt los. Es ging unter Palmen am Parfümfluss entlang bis hin zum „Altar der Spirituellen Erkenntnis“. Lucy war neugierig, sie wollte die seltsamen Ornamente und Symbole entziffern, ja, sie schien von der Aura dieser Anlage tatsächlich fasziniert! Schon lockte uns ein großes Ton-Relief,  „Erweckung“ genannt. Hibiskus säumte den Weg. Ich spürte vor diesem Sinnbild den Einklang von Kunst und Natur, echt!  Am „Garten der Segensreichen Wohltaten“ hielten wir inne. Es gab die „Göttinnen der Sieben Himmel“ zu bestaunen, grazile Frauengestalten aus reinstem Marmor. Ob Lucy  noch mehr vom Zauber dieses exotischen Parks entdecken wollte? Ja, doch...!

Also weiter, Hand in Hand. Die Luft war lau. Bunte Falter flatterten uns voran.  Wir kamen zum „See des Halben Neumondes“. Er war bedeckt mit Lotus in voller Blüte. Die Sonne versank hinter den Duftakazien. Da entdeckten wir im Gegenlicht schon die „Hügel der Glorreichen Tugend“ , grandiose Silhouetten am Horizont. Der „Weg der Aufrechten Seelen“ sollte uns direkt dorthin leiten, mitten durch den „Duftenden Hain der Tiefen Zweisamkeit“. Meine Begleiterin war etwas langsamer geworden, aber ich spürte eine nie gekannte Vorfreude in mir aufwallen, und mein innigstes Verlangen war, diese tolle Erwartung mit Lucy zu teilen.
Da! Hinter einer sanften Biegung tauchte das Ziel unserer so harmonischen Wegstrecke auf! Greifbar nah, der berühmte „Tempel der Befreiung aus der Finsternis“. Geradezu magisch fühlte ich mich hingezogen, und mit diesem erhabenem Glücksgefühl hob ich an, Lucy jenen Hort des Lichtes  anzukündigen – Lucy?

Sie war stehen geblieben, und ich sah sie ein paar Meter hinter mir, angelehnt an einen rostigen Wegweiser.
„Ich check das lieber nochmal bei Google-Maps!“ rief sie mir zu, unerwartet frostig. „Schließlich will ich wissen, wie ich hier aus dieser Hallelluja-Kulisse wieder weg komme!“  Und schon hantierte sie in profaner Hingabe an ihrem Smartphone.
Zehn Minuten später saßen wir bei Starbucks. Lucy wollte weder Licht noch Befreiung – „ich brauche jetzt dringend einen Kaffee!“  Außerdem fand sie, müsste man es mit der Kultur ja nicht übertreiben.



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Kommentare zu diesem Text


 Regina (19.02.22, 03:42)
Schön bildhaft. Dann zieht Lucy die Notbremse. Irgendwas hatte sie misstrauisch gemacht.

 eiskimo meinte dazu am 19.02.22 um 10:05:
Ja, wenn die Seele plötzlich Flügel bekommt, da zieht so manche(r) die Notbremse. Schade hier für den Partner, der hätte ganz andere Sphären touchiert....
Browiak (67)
(19.02.22, 07:11)
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 eiskimo antwortete darauf am 19.02.22 um 10:10:
Nee, Danke. Diese Tofu-Esoterik ist nicht wirklich bewusstseinserweiternd. Dann lieber eine Tee-Zeremonie mit allem Drum und Dran.

 AchterZwerg (20.02.22, 08:17)
Gut, dass Erleuchtung auch durch ein Heißgetränk erlangt werden kann und Befreiung durch Starbucks!

Vertraue nur auf Google-Maps,
dann gibts zum Kaffee einen Happs! :D


Very amused

 DanceWith1Life (20.02.22, 15:24)
Also wenn du sowas oder vergleichbares zu den Vorfreuden der Kriegstreiber und Börsenspekulanten schreibst, bin ich voll bei Dir, aber wieder diese Esoterikverulke, aus der Seifenblase der "glückseeligen Zweisamkeit", gut geschrieben, immer noch dieselbe Leier, da brauch ich jetzt auch nen Kaffee

Kommentar geändert am 20.02.2022 um 15:34 Uhr
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