2000

Revue zum Thema Erinnerung

von  Terminator

Juli 2000

Glück ist ein innerer Zustand, er kann nicht von außen bewirkt werden, und auch nicht von außen verhindert.


August 2000

Neue Schul, neues Glück. Melancholie zu Beginn des Monats, leichte Depression in den Zwanzigern. Ich attestiere in einem Rap-Song der Mehrheit einen "Lack of Depression" - als Erklärung, warum die meisten Menschen so unterirdisch oberflächlich sind.


Oktober 2000


Eine nicht nur fussballerisch erbärmliche Zeit. So trostlos alles. Ein Riesenglobus im Klassenraum  gegenüber dem Schulparkplatz für Fahrräder. Ein letzter, ungewollter Blick zu ihr hin. Ich hatte gehofft, sie wäre nicht im Raum. Was mag sie wohl gedacht haben? So ein Idiot. Hat er noch nie einen Globus gesehen? Dann Herbstferien. Die Halsentzündung verhindert jegliche Atemübungen und macht Monate harter Arbeit zunichte. Ich hatte bis dahin noch nie eine Atemwegserkrankung, die länger als eine Woche dauerte. Diese verweilte den ganzen Oktober lang. Mitte September war ich ein junger Mann, der auf andere Menschen zuging, wie man es ihn gelehrt hatte. Anfang November war ich ein mitschülermeidender und lehrerfeindlicher Stotterer, der nun gar nicht mehr sprach, da er nicht als Stotterer Ende August in die neue Schule kam, sondern gerade die Schule gewechselt hatte, um unbelastet neu anfangen zu können.


November 2000


Lass die Mücken auf deinen Fehlern reiten, und es werden Elefanten sein, die dich in den Boden stampfen.

Wenn ich an diesen Jungen denke, der so unverbesserlich gut war, dass er die Schuld dafür, wie Scheiße sie ist, auf sich nahm, um die Welt moralisch zu retten, und daran, wie wenig sie es zu schätzen weiß, dann denke ich manchmal, sie hätte einen Schurken mehr verdient.



Anmerkung von Terminator:

4.4.2000


Man gebar ihn und fragt:
"Warum bist du geboren?"
Man schlägt ihn und fragt:
"Warum liegst du am Boden?"
Man sticht ihn mit´m Messer und brüllt:
"Tropf´nicht mit dein´dreckigem Blut!"
Man heizt ihn auf und schreit:
"Du hasst uns, daher deine Wut!"
Man verkrüppelt ihn und stellt fest:
"Du bist ja zu gar nichts fähig".
Man saugt sein Gehirn aus und meint:
"Du kannst ja doch gar nicht denken".
Man reißt ihm das Herz heraus.
"Wieso liegst du da wie ein Toter?"
Man wirft ihn in die Kälte hinaus.
"Zitter´doch nicht wie ein Trottel!"
Man wirft ihn ins Feuer und ruft:
"Wie kann man sich nur so verstellen?"
Er wird in die Hölle heruntergestuft.
"Es gibt viel´außer dir, die sich quälen".
Man zerschneidet ihn mit dem Messer.
"Warum denn lächelst du nicht?"
Man zersägt ihn lachend mit der Säge.
"Warum denn lachst du nicht mit?"
Man tötet ihn mit allen Mitteln.
"Womit bist du denn unzufrieden?"
Durch´s zynische Lächeln klingt es:
"Jeder will doch für dich nur das Beste".

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Kommentare zu diesem Text


 Tula (19.02.22, 07:01)
Hallo Terminator
Der Erkenntnis des ersten Eintrags würde ich nicht unbedingt zustimmen. Aber ansonsten ein gelungener Ausflug in die Erinnerungen.

Bei

hatte gehofft, sie wäre nicht im Raum

dachte ich aber sofort an ein Mädchen und begriff erst am Ende, dass du die Welt meinst. Kurioserweise dasselbe Wort für Frieden. Der Oberschurke versteht das nicht, wenn er schon wieder nach ihr greifen will.

LG
Tula

Kommentar geändert am 19.02.2022 um 07:04 Uhr

 Terminator meinte dazu am 19.02.22 um 07:07:
Witzigerweise stammt der Satz wie der Rest der Einträge bis Ende 2011 aus der "Autogeologie", geschrieben 2011/2012, und bezieht sich auf die Wirkunglosigkeit äußerer Erfolge auf die depressive Grundstimmung im Jahr 2000 (Unfähigkeit, glücklich zu sein). Nun als erster Satz eingetragen, weil er heute wieder mit meinen Erfahrungen übereinstimmt: seit Jahren bin ich trotz widriger (und manchmal widerlicher) Umstände immer glücklicher, eben aufgrund der gewonnenen Fähigkeit, glücklich zu sein.

 Naja (26.12.22, 09:26)
Irgendwann muss man Mückenklatschen lernen, auch wenn man nicht will. Anders und Idealist sein, ist die ungünstigste und schwerste aller Mischungen. Meine ich, muss nicht stimmen.

 Terminator antwortete darauf am 26.12.22 um 23:02:
Man kann das Leben auch günstig haben: sogar so günstig, dass es nicht mehr lebenswert ist. Ich bevorzuge angstrengend und sinnvoll.
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