Gerundium

Erzählung

von  Fridolin

Betz hieß er, und er war noch kleiner als ich, das will was heißen!

Er war die letzten drei Jahre bis zum Abi mein Klassenlehrer, und er war ein Meister des geflügelten Wortes. Was darauf hinauslief, dass ich in diesen drei Jahren eine recht umfangreiche Sammlung seiner merkenswertesten Aussprüche anlegte, die sich als sehr brauchbar für die Abiturzeitung erwies. Die meisten begannen mit einem breit gedehnten „Eeeeh“. Ich glaube, er hat es mir nicht übel genommen, dass wir seine besten Sachen so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machten.

Er unterrichtete Deutsch, Latein und Griechisch. Eines Tages machte er uns aufmerksam auf eine sehr seltene Verwendungsweise des Gerundiums in einem griechischen Text, die einen eigenen Namen gefunden hatte.

Ich kannte meinen Betz; ich wusste, darauf reitet er nicht umsonst herum und merkte mir diesen Namen. Und wie geahnt, erschien diese Form einige Tage später erneut in einem Text, sodass ich, einen Moment lang glänzend, mit der korrekten Benennung die Ernte einfahren konnte. Er quittierte das mit hochgezogenen Augenbrauen und anerkennender Erwähnung meines Namens. „Eeeeh, der Fridolin“

Seit dem weiß ich nicht mehr so recht, ob wir nicht doch – entgegen dem Sprichwort - mehr für die Schule als fürs Leben gelernt haben, denn dieses Gerundium würde ich heute nicht mehr erkennen, nur die Geschichte ist mir geblieben. Andererseits, wenn ich mich heute noch daran erinnere, war's  wohl doch etwas die Schule Überdauerndes.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (20.02.22, 09:45)
Falscher Schluss des Erzählers, aber gut und pointiert gemacht, der Text!
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