Fußball Live-Ticker ... mysteriös gelähmt

Kalendergeschichte zum Thema Gesundheit

von  eiskimo

Habt ihr schon mal plötzliche Lähmungserscheinungen gehabt? Morgens, beim Aufstehen – upps, da klemmt es, die Maschine blockiert...

Hier, da hat es Leute getroffen, die auf das perfekte Funktionieren dieser „Maschine“ voll angewiesen sind. Weil sie liefern müssen, brutal schnell liefern.


Es sind wahrscheinlich die schnellsten Autoren, die man sich vorstellen kann, diese 10-Finger-Performer in den Fußball-Arenen, die zeitgleich zum Spielgeschehen per Liveticker die Fans den Ballzauber miterleben lassen – schriftlich!

Minute für Minute wird da protokolliert, in markigen Sprüchen und blitzschnellen Analysen. Wer da diesen Reporter-Job ausübt, hat keine wechselnden Kamera-Perspektiven, keine Replay-Möglichkeit und auch keinerlei akkustische Unterstützung – die Atmosphäre muss da ganz anders transportiert werden, nämlich ausschließlich per Text.

Schon mal so ein Match live mitgelesen? Das bange Warten auf die nächste Zeile – ob das Powerplay der Platzherren endlich von Erfolg gekrönt wird? Schafft es der Underdog, den 1:0-Vorsprung über die Zeit zu retten?

Nun, wer diese Art Live-Lektüre mag und vielleicht die schrille Kino-Illusion der einschlägigen Fußball-Kanäle für zu teuer erachtet, der muss sich nun definitiv Sorgen machen.

Denn unter diesen Text-Reportern grassiert seit einigen Wochen ein rätselhaftes Virus – oder müsste man schon von einer Vergiftung sprechen? Fakt ist: Der rechte Zeigefinger weigerte sich, ein M zu tippen. Mit dem M, so erklärten die Betroffenen unisono, habe es angefangen. Die Worte „Mannschaft“, „Mittelfeld“, „Mauer“ oder „Mordsschuss“ ließen sich einfach nicht mehr tippen. Anfangs seien sie noch auf Umschreibungen oder Synonyme ausgewichen: „Die mit demselben Trikot“, „Zentrum des Spielgeschehens“, „Aneinanderreihung menschlicher Körper zwecks Unterbrechung des Ballweges“ oder „ein richtig fester Fußstoß gegen den Ball“ … aber mit diesen Ausweichmanövern kamen sie nicht weit. Warum?

Weil kurz darauf auch ihre Mittelfinger diese seltsame Lähmung entwickelten. Schon waren damit das A und das L blockiert – kein „Angstgegner“, kein „Abseits“ und kein „Angriff“ mehr, und auch der „Laufweg“ , der „Lupfer“ und die „Ladehemmung“ konnten in den Reportagen nicht mehr formuliert werden.

Natürlich zwangen sich die Erkrankten, ihre noch intakten Finger auf die Schnelle umzuschulen, damit sie wenigstens reduzierte Spiel-Kommentare in die Tastatur eingeben konnten. Doch auch diesmal dauerte es nicht lange, und schon versagten den armen Reportern Ringfinger und Daumen, natürlich beidhändig.

Es gab welche, die montierten sich Ersatzfinger an die geschlossene Faust, ja, sogar unter den Ellbogen und warfen sich mit diesen Hilfsmitteln in die Fußball-Schlacht, aber das reichte nicht einmal für die Pokal-Vorrunde oder Zweitliga-Spiele – die Texte waren bestenfalls Fragmente, geradezu, als hätten auf dem Rasen nur hüftlahme Grobmotoriker gestanden.

Nein, diesem sukzessiven Lockdown der Live-Ticker, dem musste man anders begegnen, radikaler!

Es musste erkundet werden, wer das heimtückische Virus so gezielt an jene 10-Finger-Performer verabreicht hatte und wem es nutzte, dass unsere begnadeten Texter inzwischen Totalausfälle waren.

Den Untersuchungsergebnissen einer Enquête-Kommission des DFB soll hier nicht vorgegriffen werden, doch es sickerte schon durch, dass nicht etwa Sky oder DAZN hinter jner perfiden Sabotage-Aktion stehen – dieser Verdacht konnte sehr schnell ausgeräumt werden - nein , es seien vielmehr Bekennerschreiben unterschiedlichster Provenienz eingegangen, von den Ultras, der Wett-Mafia, den Piraten und sogar einem Kurt-Brumme-Fanclub – die gelte es noch sehr sorgfältig zu prüfen.

Und ansonsten wünsche der DFB den betroffenen Text-Reportern natürlich rasche und komplette Wiederherstellung ihrer Fingerfertigkeit – was wäre der Fußball ohne das gelesene Wort?



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (26.02.22, 11:38)
Wegen dieser ewigen Hetze bin ich zu KaVau gegangen!

 eiskimo meinte dazu am 26.02.22 um 12:39:
...  und verspürst schon mal lähmendes Entsetzen. Aberr wenigstens die Finger bleiben heil.
pragmatische Grüße
Eiskimo

 Saira (26.02.22, 17:22)
Moin eiskimo,
 
du hest dat schafft, dat ik *Bloodhööftigkeit heff! Dor gifft dat en Extra-Steern för.
 
Lachend grött di
Sigrun

*Bluthochdruck

Kommentar geändert am 26.02.2022 um 17:24 Uhr

 eiskimo antwortete darauf am 26.02.22 um 18:56:
Welche Ehre! Da schlägt mein Herz auch gleich schneller.
Bist Du so fußball-affin?  Oder waren es die Ersatzfinger unterm Ellbogen, die auf der Tastatur herum suchten?
tickernde Grüße
Eiskimo

 Saira schrieb daraufhin am 27.02.22 um 18:24:
Mein Vater mit mir, als ich Kind war, einige Mal zu St. Pauli-Spielen am Millerntor. Das war immer aufregend😊.
 
Irgendwann in dieser Zeit, ich glaube in der 3. Klasse, bekamen meine Klassenkameraden und ich die Aufgabe, einen Erlebnisbericht zu schreiben. Ich schrieb über den Ablauf eines Fußballspiels und fühlte mich dabei ein wenig wie ein Fußballkommentator😊.
 
Deine Geschichte erinnerte mich daran. Ich finde deine Idee herrlich😊
 
Meine Lieblingsstelle ist diese:

Es gab welche, die montierten sich Ersatzfinger an die geschlossene Faust, ja, sogar unter den Ellbogen und warfen sich mit diesen Hilfsmitteln in die Fußball-Schlacht, aber das reichte nicht einmal für die Pokal-Vorrunde oder Zweitliga-Spiele – die Texte waren bestenfalls Fragmente, geradezu, als hätten auf dem Rasen nur hüftlahme Grobmotoriker gestanden.
 
LG Sigrun
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