Die Mutter

Dokumentation

von  Fridolin

Dazu schreibt meine Mutter in ihren Jugendjahren:

Meine liebe Mutter: Anna Luise Berberich * 10.1.1884 zu Amorbach Miltenbergerstr. 27. Sie erlernte bei Schneiderin Jakob das Nähen und half zuhause bis zu ihrer Verheiratung. Als Mitgift brachte sie unser heutiges Wohnhaus mit in die Ehe. Nr. 23 Miltenbergerstr.

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Ca. 40 Jahre später schrieb sie:


† 23.April 1971 zu Amorbach

Meine liebe Mutter überlebte Vater um 17 Jahre. Die Aufgabe ihres Lebens – 8 Kindern das Leben zu schenken und sie zu erziehen, dem Mann Gefährtin zu sein, ja seine Aufgabe in Familie mitzutragen, da unser Vater durch seine Öffentlichkeitsarbeit sehr in Anspruch genommen war – meisterte sie großartig, teils mit Güte, aber auch mit Festigkeit. Sie war tief fromm und praktizierte ihren Glauben echt. Ihre Nächstenliebe ist uns allen ein leuchtendes Beispiel geblieben. Mit 62 Jahren, als Vater schwer erkrankte, musste sie noch das Schuhgeschäft übernehmen – eine völlig neue Aufgabe. Sie war allem Neuen gegenüber aufgeschlossen und machte es sich noch im Alter zu eigen, sofern es ihr richtig dünkte. Ihre Selbständigkeit gab sie auch im Alter nicht auf, obwohl sie auch oft und gerne bei ihren Kindern zu Besuch weilte. Betreut von unserer alten Haushilfe Elise Käsmann verbrachte sie ihre letzten Lebensjahre im Elternhaus, freute sich über die häufigen Besuche aus der ganzen großen Familie. Selbst fernstehende Verwandte hielten sie als den Mittelpunkt der Familie. Manchmal seufzte sie unter den Mühen, die die vielen Besuche in ihrem Alter mit sich brachten – aber niemand wurde abgewiesen. Und jeder öffnete ihr sein Herz – auch seinen Kummer. Und für sie alle zu beten, das war ihr ein Anliegen – dafür war ein Großteil des Tages oder der Nacht reserviert. Oft sprach sie vom Tod, den sie herbeiwünschte wegen der Mühseligkeiten des Alterns. Aber als ich nach einem schweren Herzanfall, der das Ende zu bedeuten schien, mit ihr sprach, sagte sie: „oh Mädle – ich leb doch no gern!). In den letzten Wochen wechselten wir in ihrer Pflege ab. Sie starb in den Armen Marias in der Nacht zum 23. April 1971  – betrauert von vielen, vielen. Eine ihrer Nichten faßte es in Worte, was alle fühlten: „unser Mittelpunkt, der ruhende Pol, ist verloren gegangen.“  


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und so habe ich sie in Erinnerung: Vor ihrem großen Herd in der Küche stehend, mit dem Schürhaken in der Hand, mit dem sie die eisernen Ringe nach Bedarf wegnehmen oder wieder zusammenschieben konnte, um die Kochhitze zu regulieren; sehr konzentriert auf ihr Schaffen und doch immer mit offenem Ohr für die anderen.




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