Vorwärts, Mannheim

Text zum Thema Menschen

von  RainerMScholz

Da stand das Paket in der Ecke, perfekt umklebt mit durchsichtigem Band, aber dennoch nachhaltig, weil die Pappe offensichtlich schon verwendet worden war. Meine Frau hat sich gewundert, weil ich nichts erzählt hatte, aber Clara wusste schon Bescheid. Über die Karte habe ich mich auch gefreut. Als ehemaliger oder permanenter Comiczeichner weißt du bestimmt um die Tücken des Verlagsgeschäfts. Wir sind ja nicht alle umsonst hier. Die aufgeklebte Schraube gab mir insofern zu denken, als die Fächer im CD-Fach damit gehalten werden. Bei dir ist also keine Schraube locker, sondern die CDs schief, jedenfalls eines der Fächer des Ikea-Regals, voll mit Klassik und Joe Cocker, wenn ich nach dem mitgeschickten Bild gehe, das dich bei einer Mallorcasause zeigt nach dem obligatorischen Tauchkurs in der Villa Esperanza. Die erste Kassette war Megadeth: Rust in Peace. Wenigstens „ein bisschen Frieden“ in der heutigen fucking Zeit. An meinem Kassettendeck gab oder gibt es (ich traue der Sache noch nicht ganz, erst einmal 30.000 Stunden laufen lassen) so einen Wappelknopf, wenn dieser Begriff existiert (na, jetzt tut er das ja), der alle Funktionen wie Vor- und Rücklauf, Start und Stopp beinhaltete, insofern ist der jetzt eben am Arsch, und es war eine Nervenzerreißprobe, den Startknopf zu drücken zu versuchen, um 8 Minuten später dann Knorkator in mäßiger Qualität zuhören, aber an der falschen Stelle des Tonbandes, dafür ganzkörpertätowiert. Ja, professionell verpackt, ich bin auch Packer; heute habe ich ungefähr 12.723 Klebepunkte auf Hygienepläne für die Scheißhäuser von Penny geklebt und die verpackt; danach ist man schon gewissermaßen ein Hirni, oder läuft vor Blindheit Amok gegen die Kalkwand der Fabrikhalle im Gewerbegebiet von Rosbach, mit Autobahnzubringer und Shell-Tanke, wo ich mir neulich Van Nelle zware gekauft habe, weil ich meinen Tabak zuhause vergessen hatte, was, neben Kaffee, einfach nicht geht, aber da hätte ich mir auch Schwarzen Krauser holen können und zehn Minuten später an Lungenkrebs sterben; da habe ich wohl nicht aufgepasst; aber Filter waren dabei, acht Millimeter, immerhin. So blöd bin ich dann auch wieder nicht.

Eben stand ich daheim vor der verschwiemelten Kloschüssel, nachdem ich 13 Äppler getrunken habe, und bekomme das Zugband der ausgeleierten Jogginghose nicht aufgeknöpft.

Mein Schwiegervater, also der leibliche, kommt übrigens aus Viernheim, das ist doch bei dir um die Ecke. Der ist merkwürdig, irgendwie ein antagonistischer Cowboy aus dem letzten Jahrhundert, als man noch bedenkenlos Sonnenblumenöl aus Plastikflaschen in den Tank füllen konnte, mit einem Mazda ich-weiß-nicht-was in ehemalig bordeauxroter Farbe, auf dessen Dach Mooskulturen wachsen, also auf dem Automobil, nicht auf meinem Schwiegervater. Einmal im Jahr kommt der her und wir reden über Fussball, den Autoverkehr und Ausländer, die die Fußgängerzone (?) von Viernheim übernommen haben, oder wir fahren zu ihm und gehen dann in den Vogelpark (?) um – ich weiß nicht, was wir da machen, ehrlich. Das ist alles kompliziert, wie es aussieht. Außerdem ist er alt.

Clara möchte vielleicht in Mannheim studieren, ich weiß nicht wieso. Wegen des ganzen Betons vielleicht, hier ist ja alles so grün, also die Umgebung.

Ja, mit der Kohle für das formidable Tonbandabspielgerät, das auf den anderen Audio-HiFi-Video- oder Sonstwiegeräten thront – wir hatten ja über eine Spende gesprochen, um die neozaristische postsowjetische Faschistenclique zu besiegen, diese Typen, die Nazis sind und andere als Nazis beschimpfen und verunglimpfen, die Leichen an der Macht sind, kalte Leichen in der Regierung und in den Vorständen, den Chefetagen – man sollte sie begraben mit ihren Hunden, ihren Inszenierungen, ihrem Gesinde, den Dienern und Lakaien, verscharren an einem unbekannten Ort -, ich würde für Ärzte ohne Grenzen plädieren, allein schon deswegen, weil die nicht die Caritas sind oder so eine konfessionsgebundene Missionshilfegesellschaft, die im Grunde vom Staat finanziert wird, aber bei mir dauernd um Spenden klingelt, und ohnehin habe ich da meine eigenen Nachbarschaftserfahrungen als Kind - Hut ab und dreimal bekreuzigt, in die Ecke gespuckt und scheel zur Seite gesehen.

Crumbsuckers: Bullshit Society; aber auf Vinyl. Mein letzter Bildschirmschoner ist ein Atompilz, aus dem ein Clown mit roter Knollennase lacht. Vom Bombardieren habt ihr doch auch aus der Vergangenheit Ahnung.




für mannemvorne




© Rainer M. Scholz


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Kommentare zu diesem Text


 mannemvorne (18.03.22, 21:09)
________________
Gudn Morsche,
ja, das mit der Schraube hab ich in letzter Sekunde noch behoben,
also das „Alle Mann ans Tapedeck“ shorthändlich mit nem Kreuzschraub  aufgeschlitzt  
und siehe da IKE-ahhh den Rassel-Ding-Dong-Regalbodenstöpsel-CD-Fuck-Einlege-Nippel-Stöpsel entfernt.
Frag nich wie das da rein gekommen sein soll, kann ja nur über die Kassettenklappe den
Passierschein bekommen haben!

Ha Ha ;)) mitgeschicktes Bild ! 
Das war vor ca zwölf Jahren, da hab ich ein KV Treffen in Mannheim ausgerichtet, vorm 
„Mc Donnlds“
und stell dir vor, es kam keen eenziger! 
War Super, hab mich bestens unterhalten und ausgetäuscht!
Na ja, ich hatte ja auch niemandem Bescheid jesacht…

Ja, Viernheim - um die Ecke kwasie, 
(da ist galub ich der älteste Meckes wo gibt in Umgebung 
(MetroPROLETENregion)
Hässlich, Hessisches Terrain - RNZ -
Platz da !! Mazda
Scheiss Autos, Transporter und LKW  überall - Seuche!

Na Grün hamm wir hier auch, und nicht nur auf dem Autodach, 
und de Rhein und de Neckar und den Stadtpark und den Käfertaler Wald 
die BASF AnilinAnal IndustrieROHmantik 
Schlechte Luft, wie Schwarzer Krauser-rauchschwaden - grad genug!!

Spenden gegen Blutin’s neozaristisch postsowjetische Faschistenclique, 
bis die Ärzte (mit über ohne die Grenzen) kommen 
hört sich gut an!
Coole Sache ! 
mit besten Grüßen
mv

BODY COUNT 


 _______________ Institutionalized

.

 RainerMScholz meinte dazu am 22.03.22 um 21:32:
Ma dud ja sons nix von dacauch aus auser Fernseh - et is schlimm und ma selwer aach.
De Kanon is krumm, de Kinner wollen nit mea auser de Bilscherm un ma huckt da un glotzt in de Kriech wie de Aff vor der Schlang. Ma könnt dat Schawelche nuff un runner grabbele. Zum värrickt gen.
Grüße,
R.

 AchterZwerg (19.03.22, 18:36)
Genau.
Vorwärts und nich vajessen!
Und außerdem: Dem Mannemer sein Lieblingstext is auch meina.
Von Haus aus! :D

 RainerMScholz antwortete darauf am 22.03.22 um 21:33:
Genau. Niemand hat die Absicht einen Atomkrieg loszubrechen.
Gruß + Dank,
R.

 Dieter_Rotmund (07.11.22, 12:47)
Viernheim kenne ich auch.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 07.11.22 um 13:00:
Und Mannheim ist in der Tat nicht die schönste Stadt der Welt. Aber schöner als die Ungetüme im Ruhrgebiet.

 RainerMScholz äußerte darauf am 08.11.22 um 15:02:
Die alle ihren postindustriellen Reiz zu verströmen vermögen. Das Saarland nicht zu vergessen. Und den Hunsrück, die Eifel...
Gruß + Dank,
R.

Antwort geändert am 08.11.2022 um 15:03 Uhr
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