Die BWL-Studentin

Kurzgeschichte zum Thema Versprechen

von  Koreapeitsche

Die BWL-Studentin 
 
Es war einmal eine junge blonde Frau, die sich an der Uni für den Studiengang BWL einschrieb. Die schöne neue Uni-Welt gefiel ihr sehr, denn sie hatte den Eindruck, dass alle sich um sie bemühten. Und sie hatte viel Respekt vor dieser Institution mit ihren vielen Forschungslabors und Bibliotheken.  
Einer der BWL-Dozenten an dieser norddeutschen Universität hatte ein besonderes Faible für hübsche junge Studentinnen. Er unterhielt sich mit ihnen gerne eine ganze Weile, meistens in Einzelgesprächen, und er wurde häufig dabei gesehen, wie er durchaus interessiert und engagiert diskutierend den Veranstaltungsraum verließ. Es waren zumeist die hübschesten seiner Teilnehmerinnen, mit denen er sich im Anschluss der Veranstaltung noch eine Weile auseinandersetzte. Er war rhetorisch durchaus ausreichend geschult, um Gesprächspartnerinnen in kurzen Worten für ein Gespräch an sich zu binden oder den Laufpass zu erteilen. Die Studenten hatten viel Respekt vor ihm, er war noch recht jung, wirkte jedoch ein wenig plump und unsportlich. Niemand wollte ihm etwas Negatives nachsagen und schon gar nicht, weil er sich gerne mit den jungen Studentinnen unterhielt. 
Nach einer der Veranstaltungen kam er mit der blutjungen blonden Studentin mit kleinen Löckchen ins Gespräch. Sie unterhielten sich über die vorangegangene Veranstaltung, die Theorie wurde noch einmal aufgegriffen. Da in den nächsten Wochen in Hannover eine Messe stattfinden sollte, schlug er ihr spontan vor, sie für ein paar Tage auf die Messe mitzunehmen. Sie dachte, dass das eine große Chance, bei der sie wichtige Erfahrungen für ihr Studium sammeln könnte. Sie wusste nicht, ob sie so ein Angebot noch einmal bekommen würde. Vielleicht könnte sie durch seine Tipps ihr Studium besser und effektiver abschließen. Er bot ihr an, die Unterkunft zu bezahlen, ebenso die Verköstigung. Sie verabredeten eine Uhrzeit, und er holte sie vor ihrem Hauseingang ab. Auf der  kurzen Anreise sprachen sie in erster Linie über die Messe, die Aussteller und deren Klientel, aber auch über das BWL-Studium an sich. Und die junge Frau hatte Schwierigkeiten als Studentin beim Fachsimpeln mit dem Fachmann in Unternehmensfragen mitzuhalten. Sie fuhren direkt zum Messegelände, er parkte und sie gingen zusammen in eine der großen Hallen. Sie schauten flüchtig an diversen Ausstellungsständen, bis er sich an einem der Stände festredete. Er führte ein Fachgespräch, auch seine studentische Begleiterin wurde in ein Gespräch eingebunden. So brachten sie allmählich den restlichen Nachmittag rum, sie erhielten eine Mahlzeit in einem der Messerestaurants, tranken später an einer der Bars mehrere Cocktails und brachen schließlich mit dem PKW in ein kleines aber feines Hotel auf. Sie hatten zwar ein Doppelzimmer belegt, jedoch mit getrennten Einzelbetten. Beim Zimmerservice bestellten sie sich noch ein paar Getränke, und sie saßen noch eine Weile im Separee und redeten sich wieder fest. Jetzt rang er sich dazu durch, ihr ein unmoralisches Angebot zu machen, und er wusste, dass er vorsichtig sein musste, denn er war immerhin Universitätsdozent und sie eine seiner Studentinnen.  
„Unter bestimmten Voraussetzungen kann ich dir einen sehr gut bezahlten Job besorgen.“,  
sagte er,  
„Dieses BWL-Studium führt bei dir zu nichts, du solltest außerdem besser einen Spezialstudiengang absolvieren."  
Sie hatte großes Vertrauen zu ihm und hörte dem Mann, der doppelt so alt war wie sie, aufmerksam zu. Ihr war noch nicht ganz klar, weshalb ihr diese Hilfsbereitschaft zu Teil werden sollte. Sie vermutete einen Moment, dass die Dozenten durchweg dermaßen hilfsbereit sind.  
„Ich kann dir den Arbeitsplatz und auch den Studienplatz besorgen, jedoch nur unter einer Voraussetzung",  
er hielt an dieser Stelle kurz inne und schaute ihr in die Augen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht damit gerechnet, dass der gemeinsame Messeaufenthalt auf diese prekäre Situation hinauslaufen würde. Jetzt fuhr er fort:  
„Du müsstest mit mir schlafen!"  
Sie war zunächst baff, als sie das hörte, ihr wurde ein wenig mulmig und sie lief im Gesicht rot an, reagierte jedoch sofort und sagte:  
„Ja, das geht in Ordnung",  
denn sie dachte, dass es wirklich eine große Chance sein könnte, von einem Dozenten Tipps für die eigene berufliche Entwicklung zu bekommen und obendrein auch eine Arbeitsstelle. Er sagte:  
„Zieh dich aus",  
und sie musste mit ihm schlafen.  
Erst am nächsten Morgen beim Frühstück und während der Fahrt zum Messegelände wurde er konkret und ging auf das Versprechen des gestrigen Abends ein:  
„Die Stelle, die ich für dich vorgesehen habe, ist im Promotion-Bereich. Du hast dabei ein überdurchschnittliches, festes Einkommen... Ansonsten empfehle ich dir, dich an einer Fachhochschule in Süddeutschland zum Wellness-Coach ausbilden zu lassen. Die genauen Daten und Kontaktadressen erhältst du in den nächsten Tagen von mir."  
Sie hörte ihm aufmerksam zu und stellte keine weiteren Fragen.  
„Diese Ausbildung ist für eine attraktive Frau wie dich, die ihre Selbständigkeit behalten möchte, genau das Richtige. Das Marktsegment Wellness wird in Zukunft immer stärker gefragt sein. Und mit einem Abschluss an dieser Hochschule ist dein Berufsleben gesichert."  
„Ja, das interessiert mich",  
erwiderte sie.  
Den Tag verbrachten sie wieder auf dem Messegelände. Nach etlichen Fachgesprächen, nach einer Mahlzeit in der Kantine und ein paar Cocktails an der Bar fuhren sie wieder ins Hotel, und wieder forderte er sie auf, mit ihm ins Bett zu gehen.   
Sie willigte wieder ein, sie war mit seinen Berufstipps vorerst zufrieden und wollte sich den Promotion-Job nicht durch die Finger gehen lassen. Am folgenden Samstag gingen sie morgens noch einmal auf die Messe, schliefen am Mittag noch einmal im Hotel miteinander und fuhren am frühen Nachmittag zurück in ihre Stadt. Sie gab ihm ihre Telefonnummer und er rief in der folgenden Woche an. Sie sollte sich eine Kontaktnummer notieren, bei der sie sich wegen der Arbeitsstelle melden könne. Er nannte ihr außerdem die Anschrift der Fachhochschule in Süddeutschland, bei der sie die empfohlene Ausbildung zum Wellness-Coach absolvieren könne. Das BWL-Studium aber solle sie nach diesem Semester abbrechen:  
„Das bisher gelernte stelle eine gute Grundlage dar und diene der Orientierung",  
gab er ihr noch mit auf den Weg.  
Schon in den folgenden Wochen konnte sie die Promotion-Tätigkeit aufnehmen. Sie arbeitete in diesem Bereich fast ein volles Jahr und verdiente ein gutes Geld. Der Vertrag wurde nicht mehr verlängert, das war auch so vereinbart, und sie schrieb sich, wie vom ehemaligen Dozenten empfohlen, für das Studium zum Wellness-Coach ein. Es dauerte knapp drei Jahre, bis sie diese Ausbildung beendet hatte. Zu ihrem damaligen Dozenten hatte sie schon lange keinen Kontakt mehr. Sie versuchte mit diesem Diplom Arbeit zu finden, versuchte auch sich selbstständig zu machen - ohne Erfolg. Doch sie wollte die Hoffnung so schnell nicht aufgeben, dass sie mit dem Ausbildungsweg, den der Universitätsdozent so dringlich empfohlen hatte, ihren Traumjob finden würde. Sie führte ihre Arbeitslosigkeit auf eine momentane Flaute auf dem Arbeitsmarkt zurück. So entwarf sie weiterhin ihre Konzepte und Wellness-Programme, bot Firmen ihre Mithilfe an und begann, allerlei Prospekte zum Thema Wellness und Gesundheit zu sammeln. Sie wollte dokumentieren, welche Firmen sich mit dem Thema Wellness beschäftigen, welche Leistungen diese anboten und wie sie für ihre Leistungen und Produkte werben. Das Sammeln wurde zur Leidenschaft und schließlich zur Sucht. Sie hatte nach wenigen Wochen einen Stapel mit Prospekten und Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften zusammen, druckte sich später immer häufiger Seiten zu ihrem Thema Wellness aus dem Internet aus. Aus einem Stapel wurden zwei Stapel, bald lag der Boden voll mit Prospekten, ebenso die Couch, das kleine Nebenzimmer und der Flur. Sie hatte bald tausende von Prospekten, Zeitungs- und Zeitschriftenannoncen gesammelt, hinzu kam eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Computerausdrucken von Job- und Wellnessangeboten. Und sie wurde langsam zu einem Messi, zu einer Person, die krankhaft alles sammelt, was sie für wichtig hielt. Und wenn sie nicht in die Psychiatrie gekommen ist, dann sammelt sie auch heute noch. 
 
 
 


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (22.03.22, 10:09)
zu Teil -> zuteil

Der nüchterne Erzählstil gefällt mir. Du hast aber immer noch einige Details im Text, die völlig irrelevant sind z.B. die Disco Pfefferminz.

 Thal (22.03.22, 19:32)
Ach jaaa... die lieben ✨💫💞 Schnipsel.....

 Koreapeitsche meinte dazu am 23.03.22 um 08:18:
Hallo Thal, was willst Du mir damit sagen? ;)
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