Die Geschichte der Kernfamilie 1

Dokumentation

von  Fridolin

Vater und Mutter, und auch die im Elternhaus lebende Tante haben wir bereits kennengelernt. Die Geschichte der jungen Familie beschreibt meine Mutter folgendermaßen:

26.11.1908

In einer stillen Feierstunde verband Hochw. H. Stadtpfarrer Roll meine lieben Eltern fürs Leben. Glücksonne mag den trüben Novembertag erhellt haben. Große Feier brauchte es und durfte nicht sein. Großvater lag auf dem Krankenbette. (=Johann Josef Schork) So reisten die Neuvermählten am Mittag nach festlichem Frühstück nach Karlsruhe zu Mutters Schwester Elise. Nach einigen gemütlichen Tagen ging die Fahrt gen Freiburg im Breisgau. Dort besuchten sie Vaters Bruder Karl, der dort im Hotel als Koch angestellt war. Doch jäh endete die schöne Reise, als mein lb. Vater plötzlich an das Sterbebett seiner Großmutter zurückgerufen wurde. Ohne Verzögerung eilten sie heimwärts. 3 Tage darauf starb Großmutters Mutter. (=Anna Gaul) Das war ein trauriger Anfang der jungen Ehe. Doch es folgten Freudentage!


17. September 1909

Früh 11h lag ein strammes Erdenbürgerlein in der Wiege. Mariechen taufte sie Hochwürdiger Herr Pfarrer Roll. Tante Maria Berberich wurde Taufpatin. Kräftig wuchs die Kleine heran. Bald schon konnte sie unwiderstehlich von Mutter „Nineli“ erbetteln. Das war ihre Leckerei, nämlich Rosinen.

23. November 1910

Ein Schwesterliebe kam früh 3h an und wurde Margareta getauft. Tante Gretchen Haas trug den kleinen Schreihals zur Taufe. Die Dritte im Bunde erschien frühzeitig am


9. März 1912

Rosa war ein gar zartes Pflänzchen. Als sie zur Welt kam, fehlten ihr noch die Fingernägel ganz. Alle Wärmflaschen trug Tante Maria zusammen, um das schwache Leben zu erhalten. Als Mutter sie nach einigen Tagen zum ersten Mal in den Armen hielt, weinte sie und klagte: „Warum habt ihr mir noch nicht gesagt, dass es so elend Ist? Wir bringen’s nicht groß“ Aber dennoch wurde sie groß und größer als alle anderen.


Der 11.6.1913

Brachte ein um so kräftigeres Dickerle, Elisabeth. Doch Vater war untröstlich, weil er sich einen Stammhalter wünschte. Für Mutter bereiteten die vier Mädchen Arbeit in Hülle und Fülle. Doch Tante sorgte stets umsichtig mit. Rosa musste immer noch im Wagen gefahren werden, dagegen konnte Tante Elise Müssig sie, Elisabeth, im Tragekissen zur Taufe bringen.


Der 1. August 1914

Brachte nach langer politischer Schwüle den Donner „Mobilmachung“

Onkel Anton Link, der von Amerika zu Besuch bei uns weilte, zeigten meine Eltern Schloss Waldleiningen. Auf dem Wege dorthin traf sie der Schreckensruf. Sofort eilten sie bestürzt nach Hause. Onkel verließ so schnell als möglich Deutschland, denn er hatte Familie und Geschäftsbetrieb zurückgelassen.

Wegen Herzleidens durfte Vater noch einige Zeit zuhause bleiben, während seine Brüder und sein Schwager Eduard Haas einberufen wurden.


Am 18. 2. 1915

Durcheilte die Schreckenskunde der Eröffnung der Unterseeblockade das deutsche Volk. An diesem Tage erblickte endlich ein Stammhalter, Karl Ludwig, nachts 12hdas Licht der Welt. Drei Wochen darauf, am


11.3.1915

musste Vater ins Feld Er kam zuerst nach Würzburg. Mutter und Tante standen allein mit fünf Kindern und dem Geschäft. Mariechen kam im September zur Schule und konnte in ihrer Freizeit auf die Geschwister achten. Sie erfüllte stets gewissenhaft ihre Aufgabe und Mutter konnte sich auf sie verlassen.

Neben der Hausarbeit und Landwirtschaft half Mutter noch in der Werkstätte, denn dort war Hochbetrieb. Sie befand sich zu dieser Zeit Miltenbergerstr. 23 im 2. Stock

Vom Bekleidungsamt Würzburg kam Auftrag um Auftrag. Von Zeit zu Zeit packte man die fertigen Stiefel in große Kisten und Mutter begleitete sie zum Amt in der Kiliansstadt, um Abrechnung zu halten. Einmal musste sie von dort den Weg ins Luitpoldkrankenhaus antreten, wo sie wegen eines Unterleibleidens operiert wurde. Der ärztliche Eingriff verlief gut.

Greta kam 1916 zur Schule. Beide Schülerinnen lernten tüchtig. Vaters Urlaubsbesuch erfreute einige Male die Familie, wie ich in der Kriegschronik berichtete. Allmählich wurden Lebensmittel und Kleidungsstücke knapp.

Greta benötigte dringend ein Paar Schuhe. Niemand war da, der sie gemacht hätte. Vater sandte das Leder aus Russland und ein Kriegsgefangener Russe fertigte endlich die Schuhe. Wie sorgsam sie aber damit umgehen musste! Nach der Schule hieß es „in die alten oder barfuß laufen“ Das tat sie gerne.


Am 5. Januar 1918

Endlich kam noch mal ein Mädchen zur Welt. Diesmal war ich´s. Vater erhielt die Nachricht an der Ostfront. Hochwürdiger Herr Stadtpfarrer Weber taufte mich zuhause. Wegen meines Namens gab es Meinungsverschiedenheiten. Mutter wollte gerne eine Anna unter ihren Kleinen. Patin A. Schork meinte, man solle mir einen selteneren Namen geben. Sie schlug Emilie vor. Schließlich einigten sie sich auf Emilie Anna Barbara.

Im November 1918 kehrte Vater aus dem Felde zurück. Nun konnte er wieder die Geschäftsbürde auf sich nehmen. Mutters kleine Schar bereitete ihr ja mehr und mehr Arbeit. Oft sagte sie jedoch später: „Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen.“

Seit dem 1. Nov. 1919 schaut ein Englein auf unsre Familie. August kam am 21. Okt. 1919 nachts 10h zur Welt und schloss sein kurzes Dasein bald wieder.

Großvater Johann Josef Schork ging ihm am 16. Okt. 1919 in die Ewigkeit voraus Das waren trübe Trauertage und ungern ruft man sie in Erinnerung zurück

Man erzählte mir, die unter dem Krieg herrschende Grippe habe sich auch bei uns unangenehm bemerkbar gemacht. Die ganze Familie, Mutter, Tante, Mariechen, Greta, Rosa, Elisabeth und sogar Klein-Karl hüteten das Bett! Großmutter oder die gesündeste der Kranken besorgten abwechselnd das Notwendige im Haushalt. Zur selben Zeit lag Vater ebenfalls schwer erkrankt an Grippe im Lazarett. Allmählich genasen unsere Lieben wieder.

Es war Sommerszeit. Mutter, Tante Maria und die zwei Großen arbeiteten im Feld. Elisabeth und Karl spielten alles vergessend im Hofe. Dort liefen beflaumte junge Hühnchen, kaum vier Wochen alt, umher. „Wie dreckig sie sind!“ rief Elisabeth. Karl entgegnete altklug: „Die muss mer wasche!“ Gesagt, getan! Sie liefen zur Wasserleitung und füllten einen großen Zuber. Dann gabs eine Jagd. Die Küken schienen ihr Los zu ahnen. Triumphierend trug Elisabeth das erste zum Wasser. Wie sich das Tierlein wehrte! Es half nichts, Elisabeth tauchte es unbarmherzig ins Wasser, bis es sich in sein Schicksal ergab. Da aber war es ertrunken! So erging es sechs Küken. Sie wurden endlich des Reibens müde und suchten für die Hühnchen ein sonniges Plätzchen zum Trocknen. . Da kehrte Mutter heim. Voll Schreck sah sie das angerichtete Unheil. Die kleinen Missetäter wurden sich jetzt erst ihrer Schuld bewusst. Bange Herzlein gab es, und die verdiente Strafe fiel nicht knapp aus.

Ich selbst, erzählte man mir, konnte schon früh reden und schnatterte immer eifrig. Abends musste man mich immer in den Schlaf singen. Mein Lieblingslied war; „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“ Ich erinnere mich noch gut, wie oft ich das mit Rosa vor dem Schlafengehen sang. Sollte ich einmal bei Vater schlafen, so sträubte ich mich stets, da ich mich vor dem Schnarchen fürchtete. Diesen Grund jedoch wollte ich nicht sagen, und so tröstete ich Vater mit seinem Vorsang treuherzig unentwegt, bis man mich lachend in Mutters Bett brachte


5.4.1920

Maria und Greta gingen zur ersten heiligen Kommunion. Ein lichter Freudentag in dieser unruhigen Zeit. Die Inflation machte sich schon bemerkbar. Nur schwer und für viel Geld konnte man einen ordentlichen Festbraten beschaffen. Onkel Karl übte seine Kochkunst zu allseitiger Zufriedenheit aus.



9.12.1921

Ein zweiter Junge lag in der Wiege. Er bekam den Namen des jüngst Verstorbenen August Otto. Hochwürden Herr Kaplan Keller taufte ihn zuhause. Onkel August Schlett war sein Pate.

August, 2 Jahre alt, infolge doppelseitiger Lungenentzündung am Sterben. Herr Doktor Meyer behandelte ihn und hatte ihn bereits aufgegeben. Die Nachbarn glaubten, er sei schon tot. Als am nächsten Morgen der Arzt ihn besuchte, kam Mariechen mit einem Stück Butterbrot in das Zimmer. Da streckte er seine abgezehrten Händchen verlangend danach. Der Arzt erlaubte es und mit viel Appetit verzehrte er es. Von da an besserte sich sein Zustand.

Über die Inflation berichtete ich in dem Kriegschronikheft. Nebenstehend ein kleiner Auszug. Soviel mußte der Bürger für seinen Schoppen zahlen

1922 durften Rosa und Elisabeth zur ersten heiligen Kommunion gehen. Sie waren die größten unter der stattlichen Schar. Karl schritt als Engelchen dem Zuge voran. An diesem Tage hieß es von dem hochverehrten Herrn Stadtpfarrer Weber Abschied nehmen. Sein Andenken ist noch frisch und rege in der Bevölkerung. An seine Stelle trat Hochwürden Herr Dekan Kernwein.


13.7.1924

Früh 10h kam mein jüngster Bruder Eduard Josef zur Welt. Sein Pate war Eduard Haas Ich ging zu dieser Zeit in die 1. Klasse Volksschule. Nach dem Mittagessen führte mich Tante zu Mutter und zeigte mir das Brüderchen. Unentwegt blieb ich am Bettende stehen und zählte meine Geschwister auf. Drauf altklug: „Mutter , jetzt sind´s vier acht! Gell jetzt langt´s!“ worauf Mutter und Tante herzlich lachten. Und dabei blieb es auch.



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