Porta Nigra

Kurzgeschichte zum Thema Apokalypse

von  RainerMScholz

In dieses Haus kommt niemand mehr. Und niemand kommt mehr heraus. Die Wände sind aus Knochen von Äonen und der Kitt ist aus verdorbenem Fleisch. Keine Fenster, keine Türen, das Innere ist schwarz, dunkel und verschattet. Es atmet röchelnd, mühsam, keuchend. Es teert die Wege im Haus. Es lebt nicht, doch es stirbt auch nicht. Die Tinte, die den Boden verklebt, ist dicker als das Blut, das konsistenter sei als Wasser, aber nicht fester ist als die Haut, die es ummantelt, damit es nicht unwillkürlich fließe in die Welt.

Durst wird hier anders gelöscht, oder gar nicht. Auch der Hunger existiert nicht. Körperliche Bedürfnisse sind irreal. Alles ist nicht das, was es scheint. Ein Mond liegt auf der Erde und brennt weißes Feuer; Sonne strahlt schwarz, wie das Negativ eines gestorbenen Himmelblau; das Weiße spiegelt die Schemen, die lebendige Schatten weben.

Zähneblecken – ein Lächeln, vielleicht. Das Wort ist Lüge und die Wahrheit ward so nie gewahr. Das Bild ist Lüge und man stiehlt uns unsere Seele. Die Musik ist nicht der Klang von Elfen. Das, welches wir fühlen, - eine stumpfe Feder. Z – und wir gewinnen den Krieg. Die Himmel stürzen ein und neue Menschen werden aus Lehm geboren. In dieser bleiernen Sphäre geht jeden Tag eine Tausendsonne auf und der Blitz zaubert ein Grinsen in die Knochengesichter der Schongestorbenen. Da ist kein Platz mehr für Zweifel, kein Platz für das Leben, das nicht kriecht. Revolutionen fegen die Mächtigen hinweg, die Mächtigen Revolutionen. 1789 hat nichts befreit, aber alles entfesselt, und es gibt einfach keine Lehre, die in diesem dunklen Haus daraus zu ziehen wäre. Die Uhren wurden vorgestellt, dann zurückgedreht, dann sprangen die Federspulen aus dem Gehäuse und es wurde eine Zeit ohne Zeit. Was nicht geschehen kann, geschieht. Schwarz wird weiß. Die Umwertung der Werte wertet alle Werte um. Dann bin ich wieder in diesem Haus. Und alles ist schwarz, dunkel und verschattet. Der Boden schreit Teer, ruft Blut, und die Wärme dieses Blutes tut mir gut. Und ich weiß, dass die Haut dicker ist. Und dass die Farbe der Haut im Dunkeln keine Rolle spielt und den Blinden nichts bedeutet. Oder das gesprochene Wort, was ist es für Taube. Dann reiße ich mir die Zunge mit der Kneifzange heraus, damit ich nichts mehr schmecke und verbrühe meine Haut, um nichts weiter fühlen zu vermögen. Ich will das Schwarz. Mich will ich nicht mehr.

In diesem Haus. Dieses Haus. Im Bunker. Unter der Erde, unter dem Fundament, unterhalb der Quellen, der Steine und des Himmels. Die Stahltür fällt zu. Die Raketen schlagen ein, die Bomben, sie fallen, und mögen die Sterne auf die Welt hin fallen: euch sehe ich nicht mehr. Euch nicht. Nicht.

Aber selbst in diesem Schattenhaus bin ich weiß. Ich bin weiß, wenn ich brenne, weiß, wenn ich zürne, weiß vor Liebe, weiß vor schwarzem Hass. Ich bin ein Weißer in einer weißen Welt, mag ich noch so grau und dreckig und dunkel sein. Das will ich nun nicht länger. Bunt will ich sein, grün, rot, ockerfarben, lila, zitronengelb und rosa, ultramarin, beige, gefleckt, gestreift, mit hellblauen Punkten, ich will durchscheinend sein, chamäleonhaft, getarnt vor braungelbpinken Kacheln. Ich werde in meinem schwarzen Haus ein Schwarzer sein, mit schwarzer Haut über rotem Blut, schwarzer Seele, schwarzen Zähnen, schwarzer Lunge, schwarzen Haaren, schwarzen Augen. Ich will die Blutlinien zerreißen und nicht mehr Teil dieses Blutes sein, das die Häute färbt, weiß oder schwarz oder bunt. Ich will das dunkle Blut. Ich will das Schattenblut. Ich will das Dunkle nicht mehr dunkel, und das Weiße nicht so weiß. Das Helle will ich im Schatten und die Sonne in der Nacht. Hell. Ich will nicht mehr hell. Ich will den Holzgriff der Machete in der Handfläche spüren und das blanke Metall auf der Haut.

Denn meine Handflächen und Fußsohlen sind immer noch weiß. Und deswegen flehe ich zu Gott dem Barmherzigen. Der ein Weißer ist. Ich dachte, er verstünde das, doch wurden die Gebete nicht erhört, die entzündeten Kerzen missachtet, die gelesenen Messen verhallten in leeren Krypten. Verflucht seist du, weißer Gott, mit deinen weißen Händen, deinem weißlich gräulichen Hirn, das diese Welt verkehrt sich ausgedacht so hat. Ein Schweinegott, der jeden alles vertilgen lassen will, penetrieren, parasitieren, auslöschen und absorbieren. Rosa und weiß: Wir kreuzigten ihn. Doch Erlösung fanden wir nicht.

Bomben fallen in mein

schwarzes Heim.

Ich denke nicht

und mach´ mir keinen Reim.

Die Wüsten stehen offen.

Kojoten sind besoffen

von diesem roten Odem.

Sie tanzen um das Totem

und beten an des Kreuzes Pfand:

Dies ist mein Land.

Es ist schwarz, dunkel und kühl. Schön ist es. Die leisen Stimmen singen. Dann lauter. Die Stimmen. Sie sind ganz nah an meinem Ohr. Schrill und krächzend jetzt und atonal. Die Stimmen, sie singen nicht mehr. Die Stimmen. Die Stimmen. Ich muss hinunter, immer weiter in die Tiefe. Komm doch, sagen sie. Komm doch. Komm. Die Stimmen – singen nicht mehr. Aus diesem Haus gibt es keine Tür. Kein Fenster lässt Licht hinein. Nichts kommt heraus.

Der Krieg ist ein langes Warten. Dann sterben Menschen. Die kommen niemals wieder.

Das Tor öffnet sich zu der einen Seite, aber nicht zu der anderen.

Ich werde mich bücken müssen um hindurchzugehen.



© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (28.03.22, 19:11)
Ja, so schön ist es in Trier!
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