Hier irrte Allah

Bericht zum Thema Religion

von  Graeculus

Der Koran ist wortwörtlich Gottes Wort. Was lesen wir da unter anderem?

Und sprich zu den gläubigen Frauen, daß sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre Keuschheit wahren sollen und daß sie ihre Reize nicht zur Schau tragen sollen, bis auf das, was davon sichtbar sein muß, und daß sie ihre Tücher über ihre Busen ziehen sollen und ihre Reize vor niemandem enthüllen als vor ihren Gatten, oder ihren Vätern, oder den Vätern ihrer Gatten, oder ihren Söhnen, oder den Söhnen ihrer Gatten, oder ihren Brüdern, oder den Söhnen ihrer Brüder, oder den Söhnen ihrer Schwestern, oder ihren Frauen, oder denen, die ihre Rechte besitzt [Sklaven], oder solchen von ihren männlichen Dienern, die keinen Geschlechtstrieb haben [Kastraten, Eunuchen], und den Kindern, die von der Blöße der Frauen nichts wissen. Und sie sollen ihre Füße nicht zusammenschlagen, so daß bekannt wird, was sie von ihrem Zierrat verbergen. Und bekehret euch zu Allah insgesamt, o ihr Gläubigen, auf daß ihr erfolgreich seiet.



[Sura 24, Vers 31]


Dieses Gebot, die Reize zu verhüllen, dient natürlich dem Schutz der Frauen vor Belästigung, sexuellem Mißbrauch und Vergewaltigung, liegt mithin in ihrem eigenen Interesse.

 

Interessant, vor wem die Frauen sich nicht verhüllen müssen: Familie und soziales Umfeld.

Sieht man einmal von den etwas aus dem Gebrauch gekommenen Sklaven und Kastraten ab, wird hier genau diejenige Sphäre ausgenommen, in welcher die meisten Fälle von Mißbrauch und Vergewaltigung vorkommen.

 

Hier irrte Allah.



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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(31.03.22, 07:37)
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 Graeculus meinte dazu am 31.03.22 um 18:24:
Das mag so sein, daß der Koran einst einen Fortschritt für Frauen darstellte; immerhin kennt er Rechte für Frauen, wenn auch nicht die gleichen wie für Männer. Und die Bekleidungsvorschrift ist natürlich eine auffallende Regelung, ohne irgendein Pendant für Männer.

Mich interessiert hier, klar, der Umstand, daß man damals weder wußte noch wissen wollte, was sich so alles in den Familien abspielt (das wollte man noch nicht einmal in meiner Jugend wahrhaben); doch der allwissende Gott der (angebliche) Autor der Koran, hätte das wissen müssen. Ein starkes Indiz dafür, daß der Koran menschengemacht ist. Denn hier liegt ein offenbarer Fehler vor.
Taina (39) antwortete darauf am 31.03.22 um 19:03:
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 Graeculus schrieb daraufhin am 31.03.22 um 23:43:
Selbstverständlich ist der Koran menschen gemacht, wie jedes Buch.

Ich kenne Menschen, die das leidenschaftlich bestreiten. Wenn man sie zum Nachdenken bringen will (und es handelt sich in der Tat um Frauen, die den Koran an dieser Stelle verteidigen, es gehe hier um den Schutz von Frauen), dann ist es gut, ein Argument zu haben.

Über das Leben innerhalb islamischer Familien weiß ich inzwischen mehr, als meinem Seelenfrieden guttut.

Immerhin haben Du und ich da keine Kontroverse.
Agnete (66)
(31.03.22, 10:01)
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 Graeculus äußerte darauf am 31.03.22 um 18:26:
Ich nehme weder den Koran noch die Bibel als wörtliches Wort Gottes ernst; sie sind von Menschen verfaßt worden. Aber man erkennt das selten so deutlich wie in diesem Falle, wo einfach ein menschliches Vorurteil über die Familie reproduziert wird.

 EkkehartMittelberg (31.03.22, 13:27)
Eigentlich ist Allahs Menschenbild in dieser Hinsicht sympathisch. Ich finde es verständlich, dass er sich irrte, denn ihm stand noch keine moderne soziologische Forschung zu Gebote.

 Graeculus ergänzte dazu am 31.03.22 um 18:32:
Ich bin davon überzeugt, lieber Ekkehart, wir haben alle - diesseits soziologischer und psychiatrischer Forschung - ganz, ganz fest die Augen zugemacht gegenüber dem, was in Familien geschieht. Denke nur daran, wie selbst Sigmund Freud die einschlägigen Berichte von Patientinnen als sexuelle Wunschvorstellungen (--> Ödipuskomplex) mißdeutet hat. Wir wollten es nicht wissen (womit ich mich ausdrücklich einschließe), wir wollten an eine Idylle glauben; und selbst da, wo wie bei Freud der Riß in der Fassade überdeutlich wurde, haben wir uns noch das Märchen von der frühkindlichen Sexualität ausgedacht.

Aber wie kann man solche Stellen im Koran noch heute als Wort des allwissenden Gottes ansehen?
Wir haben Bedürfnisse, die viel tiefer reichen als das Bedürfnis nach Wahrheit.

Antwort geändert am 31.03.2022 um 18:35 Uhr

 TrekanBelluvitsh (02.04.22, 11:04)
Das hat Allah bestimmt am Stammtisch aufgeschnappt. ;)

 Graeculus meinte dazu am 02.04.22 um 14:46:
Wobei es interessant wäre zu erfahren, wer da sonst noch an seinem Stammtisch teilnimmt. Wer nicht, das ahnt man ja.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 03.04.22 um 11:34:
Auf jeden Fall war "der heilige Geist" dabei. Und es ist somit auch klar, dass das ein Euphemismus war, der die Getränkewahl beschrieb.

 Graeculus meinte dazu am 03.04.22 um 18:13:
"Old Smoky", der Heilige Geist, ist vor allem in hochprozentiger Form bedenklich.

 Dieter Wal (02.04.22, 22:07)
Heute beginnt der muslimische Fastenmonat Ramadan. Der Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Mondjahr. Das Fasten an Ramadan ist eine der fünf Säulen des Islam. Für praktizierende Muslime bedeutet das 29 bis 30 Tage der Enthaltsamkeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Ich wünsche allen Musliminnen und Muslimen Ramadan Mubarak.

"Islamkritik" ohne Muslime ist Rassismus Light. Billig abzugeben.

Kritik eines akademischen Philosophen an seichter und nutzloser Kritik dagegen erschiene mir zumindest wertvoll.
Taina (39) meinte dazu am 02.04.22 um 22:29:
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 Graeculus meinte dazu am 02.04.22 um 23:06:
Für eine kleine Blasphemie bin ich immer zu haben - sofern sie einen sachlichen Hintergrund hat. Und der scheint mir hier gegeben zu sein: Das koranische Gebot beruht auf einer falschen Annahme (wozu Dieter sich nicht äußert).

 Graeculus meinte dazu am 02.04.22 um 23:08:
An Taina:

Um Rassismus handelt es sich nicht, wie Dieter suggeriert. Eine Religion kann man wechseln oder aufgeben - eine Rasse nicht; d.h. Religion beruht auf einer Entscheidung, die plausibel sein kann oder eben nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 02.04.22 um 23:19:
Rassismus verwende ich im erweiterten Bezug gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Und da wohlfeile "Islamkritik" mit Aufkommen des Rechtspopulismus nicht nur in Europa zunehmend selbst für Wähler der Mitte salonfähig zu sein scheint, wohingegen "Judentumskritik" eher als Antisemitismus bekannt wurde und dementsprechend selten salonfähig ist, dürfen "Islamkritiker" sich auf breite Mehrheiten überwiegend rechter Wählerschichten stützen. Sieht man hier sehr schön an den Likes. Von Verbalinspirationslehren halte ich ebenso wenig. Allerdings geht mir Muslimbashing auf den Geist. Schreib einen satirischen Essay über "Philosoph" Richard David Precht. Davon dürftest Du immerhin mehr als Ahnung haben.

Antwort geändert am 02.04.2022 um 23:21 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 02.04.22 um 23:25:
Ich habe dieses mein Argument noch nirgendwo gelesen. Früher habe ich noch öfters mit Moslems diskutiert - aber da war es mir noch nicht eingefallen; heute fehlt es mir an Gelegenheit.
In anderen Situationen kritisiere ich auch gerne andere Religionen. Religionen und kritisches Denken sind nicht immer kompatibel. Das erscheint mir jedenfalls als eine interessante Konfrontation.

 Dieter Wal meinte dazu am 02.04.22 um 23:37:
Dieser Auszug gefällt mir:


Hast du nicht gesehen, daß Allah es ist, Den alle lobpreisen, die in den Himmeln und auf Erden sind, und sogar die Vögel im Schwebeflug? Jedes (Geschöpf) kennt seine eigene (Weise von) Gebet und Lobpreisung. Und Allah weiß wohl, was sie tun.
Und Allahs ist das Königreich der Himmel und der Erde, und zu Allah ist die Heimkehr.
Hast du nicht gesehen, daß Allah die Wolken einhertreibt, sie dann zusammenfügt, sie dann aufeinander schichtet, so daß du Regen aus ihrer Mitte hervorströmen siehst? Und Er sendet vom Himmel Berge (von Wolken) nieder, in denen Hagel ist, und Er trifft damit, wen Er will, und wendet ihn ab, von wem Er will. Der Glanz Seines Blitzes nimmt fast das Augenlicht.
Allah läßt die Nacht und den Tag wechseln. Hierin liegt wahrlich eine Lehre für solche, die sehen können. Und Allah hat jedes Lebewesen aus Wasser erschaffen. Unter ihnen sind manche, die auf ihren Bäuchen kriechen, und unter ihnen sind manche, die auf zwei Beinen gehen, und unter ihnen sind manche, die sich auf vieren fortbewegen. Allah schafft, was Er will. Wahrlich, Allah hat Macht über alle Dinge.
24:41-43


Meteorologen, Astronomen und Biologen sehen dies völlig anders. Doch als arabische Poesie hat es selbst noch in dieser Prosa-Version etwas.

Um sinnvoll über den Koran zu schreiben, müsste man Hocharabisch lernen.

Webmaster studierte Islamwissenschaften. Er schreibt manchmal beeindruckend gelehrt darüber.

Antwort geändert am 03.04.2022 um 00:38 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 03.04.22 um 05:50:
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 Graeculus meinte dazu am 03.04.22 um 17:59:
Um sinnvoll über den Koran zu schreiben, müsste man Hocharabisch lernen.

Das hört man oft und mag für die Beurteilung der sprachlichen Qualität auch zutreffen; ferner ist mir bewußt, wie förderlich Griechischkenntnisse für das Studium des NT sind.
Hier aber hat man es mit einer auch in der Übersetzung zugänglichen Norm zu tun: daß nämlich Frauen sich außer Haus verhüllen sollen, innerhalb des Haushaltes jedoch nicht. Und dann darf man feststellen, daß genau dort die meisten sexuellen Übergriffe stattfinden. Was wiederum die Frage aufkommen läßt, ob der Koran tatsächlich - wie von den meisten Moslems geglaubt - das wörtliche Wort des allwissenden Gottes ist.
Hält man ihn hingegen für Menschenwerk, dann liegt der Fall klar: Der Verfasser wußte das einfach nicht oder wollte es nicht wissen - menschlich halt.

 Graeculus meinte dazu am 03.04.22 um 18:02:
An Taina:

Das strikte Verbot der Apostasie ist ein weiteres Manko des Islam. Allerdings nicht nur des Islam: Auch innerhalb der katholischen Kirche gilt dies als Todsünde. Nur daß die katholische Kirche bei uns nicht mehr die staatlichen Gesetze bestimmt. Soweit sind die meisten islamischen Staaten noch nicht.

(Auch über die Stellung der Frau im AT und NT kann man einiges sagen.)

 Roger-Bôtan meinte dazu am 08.04.22 um 00:25:
Um sinnvoll über den Koran zu schreiben, müsste man Hocharabisch lernen
 
Hochdeutsch heißt wörtlich die deutsche Sprache, die im Süden, in den gebirgigen Gegenden gesprochen wird, im Gegensatz zu den nördlicheren, niederdeutschen Dialekten, die näher zum Niederländischen stehen als zum Hochdeutschen.
Hocharabisch (bzw. Hochenglisch, Hochfranzösisch usw.) hört sich absurd an. Das klassische Arabisch stammt auf jeden Fall nicht von irgendwelchen Bergen, eher aus der glatten Wüste Arabiens.
Taina (39) meinte dazu am 08.04.22 um 05:35:
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 Graeculus meinte dazu am 08.04.22 um 23:15:
Um sinnvoll über den Koran zu schreiben, müsste man Hocharabisch lernen.

Man kann schon einiges über die diversen Religionen sagen, ohne die Orignalsprache ihrer Schriften zu kennen. Das mag dann allerdings ab einem bestimmten Niveau nicht mehr adäquat sein. Um diesen Wunsch zu verspüren, also eine fremde Sprache zu diesem Zweck zu erlernen, muß man aber zunächst ein Motiv haben, z.B. das Gefühl, daß dort etwas sehr, sehr Wichtiges gesagt werde. Und dieses Gefühl habe ich beim Islam als Gebots- und Verbotsreligion nicht. Hingegen Chinesisch zu lernen, um die Schriften des Taoismus adäquat(er) zu verstehen, das könnte mich schon eher reizen. Aber auch dafür ist es wohl  zu spät.

 Graeculus meinte dazu am 08.04.22 um 23:18:
An Taina.

Ja, Hochdeutsch ist der Dialekt von Hannover, so habe auch ich es gelernt. Und Hannover liegt nun wirklich nicht sehr hoch.
Taina (39) meinte dazu am 09.04.22 um 05:26:
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 Graeculus meinte dazu am 10.04.22 um 16:51:
Ich glaube, er hat weiter unten darauf geantwortet.

 idioma (03.04.22, 00:06)
PS noch :
Tatsache ist doch, das die jungen Frauen islamischer Länder
großteils sooo umwerfend schön sind, dass man sie ausgiebig betrachten möchte und dass man sich wundert, dass sie reden und lachen können, also keine Kunstwerke sind.......
Wenn ich mir vorstelle, ein Mann zu sein und solch eine schöne Frau zu haben, dann fände ich die verdammte Idee mit dem Schleier vermutlich doch ganz nett da hilfreich gegen meine andauernden Ängste und Sorgen, sie zu verlieren, weil sich ein anderer verguckt..........
Vollkommen unverständlich ist mir allerdings die Idee des Harems, diese permanente Qual der Wahl......

 Graeculus meinte dazu am 03.04.22 um 18:05:
Aus männlicher Perspektive gesehen, ist das Gebot der Verschleierung nachvollziehbar: keine Gelüste bei anderen wecken!
Allerdings ist diese Einstellung eines Gottes nicht würdig, zumal nicht eines Gottes, der - so die islamische Überzeugung - kein Geschlecht hat.

Schön wäre es, wenn ein Moslem mal zugäbe, warum er so viel Wert auf die Verschleierung seiner Frau legt.

 Dieter Wal meinte dazu am 04.04.22 um 21:09:

Hält man ihn hingegen für Menschenwerk, dann liegt der Fall klar: Der Verfasser wußte das einfach nicht oder wollte es nicht wissen - menschlich halt.
@Graeculus:
 
Verbalinspirationslehren, gleich, ob muslimische, christliche, mormonische oder thelemitische, verhindern meist historisch-kritische Exegesen.

Sehr wahrscheinlich ist die Vorstellung eines Propheten oder einer Prophetin als "Sprachrohr Gottes" falsch. Seit mir zB Hildegard von Bingens Auszüge ihres prophetischen Werks bekannt wurden, war ich entzückt. Doch seit mir ihr Hauptwerk "Scivias" ungekürzt begegnete, las ich enttäuscht Unmengen aus heutiger Sicht haarsträubende Aussagen darin. Genauso verhält es sich mit anderen heiligen Büchern der Weltreligionen. Wer sucht, findet Schönheit neben Unsinn, Fehler neben Weisheit.

Irgendwie putzig, wenn ausgerechnet Graeculus bluebirdet und laienhafte Texte über eine Weltreligion verfasst, die inhaltlich nicht falsch sind, doch Verallgemeinerer wie Taina ermutigen, ihren Unsinn anzumerken ("DIE Juden, DER Islam ...).

Ich befürchte, bei kV gibt es keine Muslime. Empfehle Mouhanad Khorchides Bücher.

Nur im Tao Te King fand ich noch keinen Bullshit.

Antwort geändert am 04.04.2022 um 23:15 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 05.04.22 um 14:59:
Also: keine Verbalinspiration. Damit haben wir uns schon vom Selbstverständnis der meisten Muslime entfernt.

Was Dich von mir unterscheidet, ist eine grundsätzlich andere Einschätzung von Religion als solcher (etwa im Vergleich zur Philosophie). Etwa so:

[...] die Religionen sind wie die Leuchtwürmer: sie bedürfen der Dunkelheit um zu leuchten. Ein gewisser Grad allgemeiner Unwissenheit ist die Bedingung aller Religionen, ist das Element, in welchem allein sie leben können. Sobald hingegen Astronomie, Naturwissenschaft, Geologie, Geschichte, Länder- und Völkerkunde ihr Licht allgemein verbreiten und endlich gar die Philosophie zum Worte kommen darf; da muß jeder auf Wunder und Offenbarung gestützte Glaube untergehn; worauf dann die Philosophie seinen Platz einnimmt. [...]
 
[Schopenhauer: P II 366]

Außer im Tao te-king fand ich auch beim Zhuangzi noch keinen Bullshit.

 Dieter Wal meinte dazu am 05.04.22 um 17:01:
Danke für den Hinweis auf  Zhuangzi. Das Buch der daoistischen Weisheit.

Für mich stand schon immer kritisches Denken über Glauben. Philosophie ist nicht davon ausgenommen. Denn sonst wäre es nur ein weiterer platter ideologischer Standpunkt, ein Austausch von "Theologia, der Königin der Wissenschaften" zu "Philosophia, der neuen Königin der Wissenschaften".
Menschen, die mit Symbolik wenig anfangen können oder unmusikalisch sind, dafür rational-dominante Wahrnehmungsstile pflegen, finden schwer Zugänge zu Religion. Kultgemeinschaften tradieren gerade emotionales, non-kausales Erleben. Was solls. Dann erfasst man die Welt eben ein wenig autistischer als andere Menschen.
Ludwig Feuerbachs Religionsphilosophie ist substanzvoll. Sie ersetzt in meinen Augen allerdings ebensowenig Religion. Sie ist jedoch ein niveauvoller Ansatz. Zum Theologiestudium gehört grundsätzlich ein Philosophiestudium.

Kennst Du die Erzählung "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran"?


Antwort geändert am 05.04.2022 um 17:12 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 06.04.22 um 00:05:
Über die Phase eines Glaubens an die Philosophie (in der befand ich mich tatsächlich einmal) bin ich inzwischen hinweg. Das ändert freilich nichts an dem Umstand, daß die Religionen (soweit ich sie kenne) Antworten haben, zu denen mir die Fragen fehlen. Selbst meine ästhetischen Bedürfnisse finde ich anderswo besser befriedigt. Das soll keine Absage an den Wert von Symbolik sein, auch keine Verteidigung eines dominant-rationalen Wahrnehmungsstiles. Ich suche nichts bei Gott: kein Leben nach dem Tod, kein Verzeihen meiner Sünden und ganz gewiß keine (Islam =) Unterwerfung unter eine höhere Autorität. Non serviam!

Dem Islam bin ich nie näher gekommen als in einer Phase der Beschäftigung mit dem Sufismus und sufistischer Musik. Das war wenigstens - platt ausgedrückt - ein Weg, high zu sein. Aber das geht mit Dionysos auch recht gut.

"Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" kenne ich, glaube ich, nicht. Das klingt jetzt blöd, aber es gibt erschreckend viele Bücher, von denen ich nicht einmal mehr weiß, ob bzw. daß ich sie gelesen habe. Steht jetzt auch auf meinem Zettel für morgen. (Und schon, sehe ich gerade, ist morgen heute.)
Taina (39) meinte dazu am 09.04.22 um 05:22:
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 Graeculus meinte dazu am 10.04.22 um 16:51:
Dieses Wesen gibt es. Es existiert. Und du suchst es, sonst würdest du nicht so viel darüber erzählen.

Nein. Und der Umstand, daß man über etwas spricht, legt uns nicht auf die ontologische Annahme fest, daß es auch existiert. (Denke an die Fantasy-Litetratur mit ihren Elfen, magischen Schwertern etc.)

Hier eine hübsche Aussage von Friedrich Nietzsche: "Wenn es einen Gott gäbe, wie hielte ich es aus, kein Gott zu sein?"

Daß ich relativ häufig über Gott spreche - notabene: in der Diskussion mit Gottgläubigen, nicht in meinem Privatleben -, hängt damit zusammen, daß ich den Glauben daran für gefährlich halte.
Taina (39) meinte dazu am 10.04.22 um 21:24:
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 Dieter Wal meinte dazu am 10.04.22 um 21:57:
Dieses Wesen gibt es. Es existiert.
@ Taina:

Wenn sich einem "Gott" offenbart, sagt das  nichts über die Existenz Gottes, sondern die spirituelle Erfahrung eines Menschen aus.

Die Aussage "Gott existiert" ist eine Glaubensaussage.

 Dieter Wal meinte dazu am 10.04.22 um 21:58:
daß ich den Glauben daran für gefährlich halte.
@ Graeculus: Weshalb?
Taina (39) meinte dazu am 10.04.22 um 22:26:
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 Dieter Wal meinte dazu am 11.04.22 um 21:08:
Ich suche nichts bei Gott: kein Leben nach dem Tod, kein Verzeihen meiner Sünden und ganz gewiß keine (Islam =) Unterwerfung unter eine höhere Autorität.
@Graeculus:

Geht mir ähnlich. Während einer mystischen Erfahrung vor einer halben Ewigkeit stellte ich fest, dass "Gott" völlig anders sein dürfte, als Menschen ihn (sie/es) sich jemals vorstellen konnten (Apophatischer Weg). Obwohl ich persönlich davon überzeugt bin, dass die Erfahrung authentisch war, bedeutet sie für mich keineswegs zwingend, dass "Gott" überhaupt existiert. Sie deutet jedoch für mich zumindest darauf hin. Wohingegen im eigentlichen Sinn Religiöse sich an dogmatischen Aussagen über Gott orientieren (Kataphatischer Weg). Mir ist keine Religion bekannt, in die man mit derart apophatischen Ansichten passt. Als ich Jahre nach der Erfahrung entdeckte, dass meine damalige Erfahrung keineswegs neu, sondern eher sehr alt sein dürfte (apophatischer Weg), fand ich dies tröstlich. Diskussionen über Wahrheitsgehalte religiöser Vorstellungen wurden damit für mich hinfällig. Die Erfahrung katapultierte mich aus meiner Religion. Dabei habe ich nichts gegen sie. Die Neigung, mich einer anderen anzuschließen, ist sehr gering. Deinen Flirt mit dem Buddhismus finde ich beeindruckend. Zu einem demokratischen Miteinander gehört in meinen Augen möglichst respektvoller Umgang mit anderen Religionen und Sensibilität im Umgang mit Religiösen. Albert Schweitzer lieferte mit seiner "Die Geschichte der Leben Jesu-Forschung" ein Meisterwerk der wissenschaftlichen Durchdringung der Bibel. Und auch noch in wunderschönem Deutsch.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 00:35:
An Dieter Wal 1:
 
Mit meiner Aussage über die Gefährlichkeit von Religion beziehe ich mich auf die dogmatische Version theistischer Religionen. Bei ihnen stelle ich die Tendenz fest, den Unsinn, den Menschen so machen ("Wille zur Macht"), unter Berufung auf Gott in einer überhöhten Weise zu legitimieren.
 
"Ich gebe dir eins auf die Nase" ist schlimm genug; aber "ich gebe dir eins auf die Nase, weil Gott das so will" ist heillos. Da gibt es keine Kritik, keine menschlichen Einwände, kein Halten mehr - denn Gott will es ja so, und das steht über allem menschlichen Denken. Angeblich.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 00:42:
An Taina:

Mir sind sowohl Beweise für als auch gegen die Existenz Gottes bekannt; was mir nicht bekannt ist, ist irgendein Beweis für den Agnostizismus, d.h. die These, daß wir darüber nichts Genaues wissen können. Für mich ist das lediglich eine resignierende Erfahrung ohne Beweiskraft.

Gelernt habe ich aber vor allem, daß man vor jeder Diskussion über die Existenz Gottes sich a) auf eine Definition des Begriffes "Gott" und b) auf Verifikationskriterien für Aussagen über Gott verständigen muß. Sonst geht es uns bzw. mir wie Arthur Schopenhauer, der einst seufzte: "Wann immer jemand mit mir über Gott redet, weiß ich nicht, wovon er eigentlich redet."

Wenn man sich auf die Definition "Schöpfer des Universums, Normgeber und Richter" verständigt hat, dann bin ich fest davon überzeugt, daß es einen Gott in diesem Sinne nicht gibt. Die Argumente dafür habe ich schon mehrfach vorgetragen und - falls Du die bist, für die ich Dich halte - auch schon mit Dir (unter damals anderem Namen) diskutiert.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 00:47:
An Dieter Wal 2:

Bei Dir und Deinem Gottesverständnis habe ich nicht den Eindruck, daß hier irgendeine gesellschaftliche Gefahr droht, wie ich sie ansonsten aus der Geschichte des Christentums kenne.
Allerdings korrespondiert Deine geschilderte Erfahrung auch mit keiner Erfahrung meinerseits ... und mit keinem Bedürfnis.
Hätte ich jemals eine solche Erfahrung, wie z.B. Johannes Seuse oder Philip. K. Dick sie beschrieben haben, ginge es mir wohl eher so wie PKD: Ich käme aus dem Zweifel an mir selbst nicht heraus. Denn jede Erfahrung läßt vielfältige Deutungen zu. Oder?

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 00:59:
An Taina 2:

Dann bist du doch ein Missionar des Atheismus, wenn auch nicht materialistisch.

Nein. Dazu spielt das Thema in meinem Leben - vor allem außerhalb von kV - eine zu geringe Rolle. Ich verspreche mir auch nichts davon, den Atheismus zu verbreiten. Ich selbst lebe allerdings besser mit ihm.
Taina (39) meinte dazu am 12.04.22 um 01:59:
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 Dieter Wal meinte dazu am 12.04.22 um 11:37:
Ich käme aus dem Zweifel an mir selbst nicht heraus.
@ Graeculus:

Damals studierte ich Theol. Praktische Mystik wurde zwar nicht gelehrt, schade eigentlich, doch sooo ungewöhnlich ist sie in dem Kontext auch wieder nicht.

Denn jede Erfahrung läßt vielfältige Deutungen zu.

Von der Bedeutung für mich her hatte es die Kategorie wie die Mutter am Sterbebett oder Geburt der Tochter. Als Mensch der Moderne widerstrebt es mir zu sagen, es verhielte sich damit so oder so. Ich weiß es nicht. Ein wesentlicher Faktor ist die Bereitschaft dazu. Hätte ich die Erfahrung auch machen wollen, wenn ich gewusst hätte, was sie bewirkt?  Vermutlich.

Antwort geändert am 12.04.2022 um 11:42 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 18:19:
An Taina:

Dennoch artikuliert sich der Glaube in Sprache und ist deshalb an sprachliche Regeln gebunden, will er nicht Unsinn reden.
Dazu hat es im 20. Jhdt. in der Sprachanalytischen Philosophie und der Sprechakttheorie ("How to do things with words") wichtige Erkenntnisse gegeben, von denen ich fürchte, daß sie im Sprechen über Gott oft nicht recht berücksichtigt werden.
"Gott kann man weder beweisen noch widerlegen" klingt für mich nach frühem 19. Jhdt. Heute gilt, salopp gesagt: Erstmal definieren und über Wahrheitskriterien sprechen, dann reden wir weiter.
Wittgenstein hat der religiösen Sprache eine eigene Sprachebene zugeordnet, die symbolische Sprache, in der es gar nicht mehr um Wahrheit oder Unwarheit geht, sondern um Lebensentscheidungen.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 18:21:
An Dieter Wal:

Kannst Du die Erfahrung, die Du gemacht hast, beschreiben? In Deinen Worten - und ich werde versuchen, es zu verstehen. (Bin gespannt, ob mir das möglich ist.)

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 18:28:
Noch an Taina:

Erfahrungen kann man sich nicht aussuchen, und vor Überraschungen ist man da nicht sicher. Allerdings würde mich ein Gotteserlebnis angesichts meines ganzen Hintergrundes sehr überraschen. Und dann wäre ja noch eine Deutung dieser Erfahrung angesagt.
Auf der anderen Seite ist natürlich auch ein religiöser Mensch gegen überraschende Erfahrungen nicht ganz gefeit. Kirchen (institutionalisierte Religionen) verfügen freilich über eine jahrtausendealte Routine im Zurechtbiegen solcher Erfahrungen. Unter ihnen finde ich "Gottes Wege sind unerforschlich" am putzigsten; dann ist freilich alles möglich.
Taina (39) meinte dazu am 12.04.22 um 19:17:
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 Dieter Wal meinte dazu am 12.04.22 um 22:55:
Allerdings würde mich ein Gotteserlebnis angesichts meines ganzen Hintergrundes sehr überraschen.
@ Graeculus:


Nach mystischen Überlieferungen und Erfahrung ist eine grundsätzliche Bereitschaft für sie und "Einladung" Voraussetzung. D. h., sie erfolgen nicht, wenn sie nicht erwünscht werden. Es handelt sich dabei eher nicht um spontane und völlig unerwartete Phänomene. Sie sind im Gegenteil über Jahrzente hinein angelegt. Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen prinzipiell dazu fähig sein dürften. Da Du keine solchen Erfahrungen wünschst, ist auszuschließen, dass welche gemacht werden. Einen Glauben an Gott halte ich als Voraussetzung dafür nicht für zwingend erforderlich.

 Dieter Wal meinte dazu am 12.04.22 um 23:09:
Philip. K. Dick sie beschrieben haben
@Graeculus:

Wo beschrieb er seine mystische Erfahrung?
Taina (39) meinte dazu am 13.04.22 um 06:16:
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 Graeculus meinte dazu am 13.04.22 um 23:53:
An Taina 1:


Dass etwas nicht beweisbar ist, bedeutet natürlich nicht, dass man nicht darüber sprechen kann.

Das ist richtig, war aber nicht das, was ich meinte, sondern: Daß man darüber sprechen kann, beweist nicht, daß man sinnvoll darüber sprechen kann (statt nur Gerede zu produzieren). Es gibt auch außerhalb der Theologie eine Reihe interessant klingender Sätze, die sich in der Sprachanalyse als sinnlos erweisen, weil sie weder auf Definitionen beruhen noch es Wahrheitskriterien für sie gibt, oder weil sie verdeckt tautologisch sind.

 Graeculus meinte dazu am 13.04.22 um 23:54:
Rudolf Carnap hat sowas Scheinsätze genannt.

 Graeculus meinte dazu am 14.04.22 um 00:07:
An Dieter Wal:

Ja, mir fehlen dafür wohl bestimmte Voraussetzungen. Sie sind offenbar auch in meiner Umgebung (Familie, Freunde) nicht vorhanden. Was schadet's, wenn ich es nicht vermisse?

Philip K. Dick hat nach zwei von ihm beschriebenen Gotteserlebnissen ca. 10000 Seiten [sic!] Reflexionen über ihre Deutung verfaßt, seine "Exegese". Ich weiß nicht, wie es in den USA steht, aber auf Deutsch liegen nur 500 Seiten davon gedruckt vor: "Auf der Suche nach VALIS". Das Buch ist völlig vergriffen und wird m.W. sehr teuer gehandelt; schon vor vielen Jahren habe ich 300 Euro dafür bezahlt.

 Graeculus meinte dazu am 14.04.22 um 00:08:
Habe gerade bei Booklooker festgestellt, daß es dort nicht angeboten wird.

 Graeculus meinte dazu am 14.04.22 um 00:10:
An Taina 2:

Unerklärliche Ereignisse sind mir in meinem Leben mehrmals widerfahren; sie hatten aber nichts mit Gott zu tun.
Falls Du recht hast, kann ich mich ja überraschen lassen.

 Graeculus meinte dazu am 14.04.22 um 00:12:
Aber wohlgemerkt: Ein Bedürfnis danach habe ich nicht.
Taina (39) meinte dazu am 14.04.22 um 06:07:
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 Graeculus meinte dazu am 14.04.22 um 15:26:
Das mit der Zeit habe ich einmal gelesen: daß im Raum-Zeit-Kontinuum alles statisch vorhanden und der zeitliche Ablauf nur ein Parameter ist. Ein interessanter Ansatz für das Verständnis des Hellsehens.

Sinnvoll = überprüfbar. Wenn man Aussagen prinzipiell nicht überprüfen kann (sind die über Gott solche?), dann hat es keinen Sinn (ist sinnlos), darüber mit Wahrheitsanspruch zu sprechen, oder? Falls man damit nur ein Gefühl ausdrückt, mag das in Ordnung sein.
Taina (39) meinte dazu am 14.04.22 um 15:38:
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 Graeculus meinte dazu am 14.04.22 um 23:03:
Der Glaube entspringt einem menschlichen Bedürfnis ... oder mehreren Bedürfnissen. Er bietet so viel: Hilfe, Orientierung, Erklärung, Gemeinschaft.
Dabei ist es eigentlich schnurz, an welche Religion man glaubt - sie taugen alle gleich viel.
Allerdings meine ich, daß sie nicht alle gleich gefährlich sind.

 Regina (03.04.22, 05:58)
Laut Überlieferung wurde der Koran dem Mohammed eingegeben, und zwar in der mathematischen Form einer Fibonacci-Reihe. Der Sprachrhythmus ist nur in der Originalsprache darstellbar und hat eine euphorisierende Wirkung auf den Leser/Hörer des Textes. Deshalb wird jede Übersetzung als ungültig angesehen.
Wie diese heilige Schrift interpretiert wird, das ist wieder eine andere Frage, rigide dogmatisch oder mit Raum für Interpretation, das gibt es alles.
Dass der Frau erlaubt wird, zu Hause unverschleiert herumzugehen, bedeutet ja nicht, dass Missbrauch innerhalb der Familie in Ordnung ist. Eher die Vorstellung, dass religiös eingestellte Männer sowas sowieso nicht ausführen. Im Koran steht ja: "Behandle deine Frauen gut, sonst wünschen sie deinen Tod." Die Realität sieht leider so aus, wie du sie darstellst, aber deine Schlussfolgerung stimmt so nicht.
Allah kann nicht irren, denn er ist ein allumfassendes transzendentes Phänomen. Irren konnte allenfalls der Prophet als Mensch.

Kommentar geändert am 03.04.2022 um 12:50 Uhr

Kommentar geändert am 03.04.2022 um 12:52 Uhr

Kommentar geändert am 03.04.2022 um 12:55 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 03.04.22 um 18:11:
Die ästhetische Seite des Koran interessiert mich - offen gesagt - wenig. Der Inhalt hat den Charme eines Gesetzbuches: lauter Verbote (Strafe!) und Gebote (Belohnung!). Nicht einmal eine Geschichte wird dort erzählt.

Natürlich bedeutet die Erlaubnis, sich innerhalb des Hauses unverschleiert zu bewegen, nicht, daß damit der Mißbrauch legitimiert würde. Aber wenn Frauen geschützt werden sollen, müßten sie auch dort geschützt werden, wo ihnen Gefahr droht. Und da hatte der Verfasser dieses Zeilen offenbar nur ganz unzulängliche Kenntnisse.
Und das stellt die Frage nach dem Verfasser: Du weißt, daß es für einen gläubigen Moslem Gott selber ist, nicht der (menschliche) Prophet. Hier stimmt also etwas nicht!

 Regina meinte dazu am 03.04.22 um 20:51:
Wenn es in der Ehe oder im weiteren Sinn in der Großfamilie gar nicht läuft, ist auch in den meisten muslimischen Ländern die Scheidung möglich. Warum soll es da eine extra Vorschrift für Kleidung zu Hause geben? Wenn eine zu Hause missbraucht wird, ist Trennung angesagt.

 Graeculus meinte dazu am 04.04.22 um 13:25:
Wir bleiben beim Koran, ja?

1. Daß eine Frau sich von ihrem Mann scheiden läßt, ist dort nicht vorgesehen. Sondern etwa:

Und (was) jene (betrifft), die ihren Gattinnen (Ehebruch) vorwerfen und keine Zeugen (dafür) außer sich selbst haben – von solchen Leuten soll die Aussage des Mannes allein (genügen), wenn er viermal bei Allāh schwört, daß er die Wahrheit rede; und (sein) fünfter (Eid) soll sein, daß der Fluch Allāhs auf ihm lasten möge, falls er ein Lügner sei. Von ihr aber soll die Strafe abgewendet werden, wenn sie viermal den Schwur bei Allāh leistet, daß er ein Lügner sei. Und (ihr) fünfter (Eid) soll sein, daß Allāhs Zorn auf ihr lasten möge, falls er die Wahrheit rede. [Sura 24, 8 f.]

Siehst Du? Der Mann!

2. Der Mißbrauch muß nicht durch den Ehemann stattfinden, vgl. die Auflistung, inkl. Haussklaven.

3. Dir wird bekannt sein, daß in vielen islamischen Ländern eine vergewaltigte Frau als entehrt gilt und verstoßen wird. Das steht so nicht im Koran, aber man hätte erwarten können, daß er die Frauen ausdrücklich gegen diese Möglichkeit in Schutz nimmt. Jedenfalls ist das nicht so einfach für die Frau, wie Du es suggerierst.

 Regina meinte dazu am 05.04.22 um 10:04:
Scheidung ist nie so ganz einfach. In arabischen Ländern gibt es den Talak, mit dem der Mann die Frau verstoßen kann. Syrerinnen erzählten mir, dass die Frau, wenn sie unzufrieden ist, den Mann auffordert, ihr den Talak zu geben. Schwierig für uns zu verstehen ist die umfassende Unterwerfung unter die Familie. die Familie ist alles, Sozialversicherung, Religionshüter, Bewacher des Einhaltens von Regeln, Gesundheitsdienst, aber auch Versorger. Man muss auch versuchen zu unterscheiden zwischen arabischer Kultur, älter als der Koran und den Suren des Korans, was da gefordert wird, aber auch großzügig oder wortklauberisch brutal interpretierbar ist.

 Graeculus meinte dazu am 05.04.22 um 14:54:
Ja, ich unterscheide zwischen (patriarchalischen) Familienstrukturen und dem Wort des Koran. Wie man die in Frage stehende Stelle "großzügig" interpretieren könnte (statt einfach als psychologisch/sexualwissenschaftlich falsch), erschließt sich mir nicht. Und deshalb sehe ich es an als Argument gegen einen allwissenden Gott als Autor.

 Dieter Wal meinte dazu am 05.04.22 um 17:17:
Die ästhetische Seite des Koran interessiert mich - offen gesagt - wenig. Der Inhalt hat den Charme eines Gesetzbuches: lauter Verbote (Strafe!) und Gebote (Belohnung!). Nicht einmal eine Geschichte wird dort erzählt.
@Graeculus:


Du könntest es mit Friedrich Rückerts metrischer Koran-Nachdichtung versuchen.

Antwort geändert am 05.04.2022 um 20:33 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 05.04.22 um 23:54:
Dann muß ich mal nachschauen, ob diese Übersetzung in meiner Rückert-Ausgabe enthalten ist. (Ich bin skeptisch.) Das hatte ich eben schon tun wollen, habe es jedoch wieder vergessen. Morgen also. Es ist notiert.

 Graeculus meinte dazu am 06.04.22 um 13:49:
Inzwischen habe ich festgestellt, daß beide Werke, das von Rückert und das von Schmitt, nicht zu meinen Beständen zählen; also kann ich auch nicht nachschauen.
In meiner Rückert-Ausgabe habe ich aber ein längeres Werk über brahmanische Weltweisheit gefunden.

 Dieter Wal meinte dazu am 06.04.22 um 18:28:
 Hier Rückerts Koran-Nachdichtung online beim Projekt-Gutenberg.org.


brahmanische Weltweisheit

Ein zumindest im 19. Jh. beliebtes Rückert-Rollengedicht.

 Sein "Mache deinem Meister Ehre, o Geselle, baue recht!" mag ich.

Ghaselennähe und freimaurerische Gedanken, die mich an Sufismus erinnern.

 Graeculus meinte dazu am 06.04.22 um 22:40:
Danke! So kann ich mir einen Eindruck verschaffen. Erster Eindruck: sprachlich interessant. Aber gleich in Sura 2 geht's los, was mich so befremdet:

Und ihrer wartet Strafe peinlich

Ich schrieb oben irgendwo, daß der Koran für mich den Charme eines Gesetzbuches hat: lauter Gebot plus Belohnung und Verbote plus Bestrafung.
Was sind das für Menschen, die daran ein Gefallen haben? Ehrlich gefragt.

 Dieter Wal meinte dazu am 06.04.22 um 23:46:
Verstehe. Gerichtsandrohungen finden sich auch in der Bibel. Sie haben die Funktion, die Zuhörer/Leser zur Umkehr zu bringen. In unserer Zeit verstehen wir unter Pädagogik etwas anderes.

Vielleicht wirfst Du einen Blick in die Leseprobe von  Mouhanad Khorchides:  Gottes falsche Anwälte Der Verrat am Islam.

Ein wundervolles Buch.

 Graeculus meinte dazu am 07.04.22 um 23:07:
Natürlich, mein Lieber, findet sich dergleichen auch in der Bibel; aber immerhin werden dort auch Geschichten erzählt oder - wie im Kohelet, den ich über die Maßen schätze - großartige Literatur vorgetragen. Im Koran sehe ich dergleichen nicht.

Von dem Khorchides habe ich gehört bzw. in der Zeitung gelesen; das hat mich schon beeindruckt! Es hat mir allerdings den Koran nicht sympathischer gemacht.

Ich kann ein Buch lesen und bin begeistert, fasziniert - manchmal. Tao te-king, Zhuangzi, einige Buddha-Predigten (um nur einmal im Bereich der Religion zu bleiben); beim Koran stellt sich für mich nur ein Gefühl der Fremdheit, der Abneigung ein. Verstehst Du, was ich meine? Die These "Das ist das Wort Gottes!" beindruckt mich dabei natürlich null.

 Dieter Wal meinte dazu am 07.04.22 um 23:15:
Ich kann ein Buch lesen und bin begeistert, fasziniert - manchmal. Tao te-king, Zhuangzi, einige Buddha-Predigten (um nur einmal im Bereich der Religion zu bleiben); beim Koran stellt sich für mich nur ein Gefühl der Fremdheit, der Abneigung ein. Verstehst Du, was ich meine?
Völlig. Islamischer Spiritualität begegnet man eher in Moscheen und islamischer Architektur. Nichtmuslimen ist Koranlektüre eher kein "Erlesnis". Wenn ich einen Bootsbauplan studiere, entwickle ich nicht zwangsläufig ein Gefühl fürs Bootfahren.

 Graeculus meinte dazu am 08.04.22 um 23:07:
Ich habe religiöse Tiefe bei einem Auftritt/Gottesdienst von Derwischen erlebt, an dem ich vor vielen Jahren einmal teilgenommen habe (mit einem Vortrag von Annemarie Schimmel, die Du sicher noch kennst).
Ein anderes, noch früheres Mal bei einem Fürbitten-Ritual in Sagorsk am Schrein des heiligen Sergius, noch zu UdSSR-Zeiten.
Beides war beeindruckend - aber mir fehlen (ich kann es nicht besser sagen) die Gefühle, die hier zum Ausdruck kommen: die vertrauensvolle Zuwendung zu einem höheren Wesen, selbst die Sehnsucht danach.

Dabei bin ich übrigens kein Materialist, also nicht die Art von Religionskritiker, die Bluebird früher gerne auf mich projizieren wollte.

Bei Deiner Beziehung zur Religion ist mir übrigens auch nach etlichen Jahren der Kommunikation noch Entscheidendes unklar. Nicht dogmatisch, nicht konfessionell gebunden ... aber das sagt ja nur, was es nicht ist.

 Dieter Wal meinte dazu am 09.04.22 um 21:20:
Nicht dogmatisch, nicht konfessionell gebunden ... aber das sagt ja nur, was es nicht ist.

Schwer zu sagen. Irgendwo zwischen religiös interessiertem Agnostiker und  apophatischem Weg in Bezug auf Mystik.

Ich fürchte, das wirkt völlig unklar. Oder?

Annemarie Schimmel erlebte ich einmal in ihren letzten Jahren, als sie einen Vortrag über Sufismus in Coburg hielt.

 Graeculus meinte dazu am 10.04.22 um 16:45:
Annemarie Schimmel liebte und lebte den Sufismus mit Herz und Seele. Das kam auch bei mir so an.

Deine Selbstbeschreibung fasse ich auf als "zwei Seelen in einer Brust": das rationale und das irrationale bzw. transrationale Element.
Falls das einigermaßen zutrifft: Damit kann ich etwas anfangen. Das war das Thema meiner Dissertation, übrigens ("Die Aporie der reinen Vernunft", 1977).

 Teichhüpfer (03.04.22, 23:54)
Graeculus, Siegmund Freud und die Kirche ...

 Graeculus meinte dazu am 04.04.22 um 13:26:
Ja, Teichhüpfer, Sigmund Freud hat solche Mißbrauchsberichte als Phantasien seiner Patientinnen fehlgedeutet.

 Teichhüpfer meinte dazu am 04.04.22 um 16:22:
;-)

 Graeculus meinte dazu am 05.04.22 um 14:51:
Darüber grinsen wir.

 Roger-Bôtan (08.04.22, 00:01)
Ich kannte mal einen Kerl aus Mauretanien, wir sprachen einmal auch über genau dieses Thema. Ich sagte, es gab ähnliche Bräuche auch hier in Europa, aber das war im Mittelalter. Seine Antwort war: Mais nous vivons au Moyen Âge !

 Graeculus meinte dazu am 08.04.22 um 23:09:
So erscheint es auch mir. Man sagt das ja übrigens häufig, daß dem Islam die Epoche der Aufklärung fehle.

 Roger-Bôtan meinte dazu am 09.04.22 um 12:18:
Hochdeutsch = Gebirgsdeutsch,

darauf muss man erst mal kommen. Weil Hannover in den Alpen liegt?
Die Hannoveraner haben Hochdeutsch gelernt, deswegen gebrauchen sie es so unwahrscheinlich richtig. Ursprünglich sprachen sie Niederdeutsch (bzw. Plattdeutsch).
Etwas Ähnliches geschah auch in anderen Sprachen. In der Provence spricht man richtiger als in Paris, weil sie Pariser Französisch erlernt hatten, wobei ihre provenzalische Muttersprache verloren ging.  
Der Hauptunterschied steckt in der Phonetik: Niederländisch und Niederdeutsch haben die zweite Lautverschiebung nicht mitgemacht, d. h. Hochdeutsch Pferd bleibt nach wie vor Perd, Wasser – Water, was – wat usw.

 Graeculus meinte dazu am 10.04.22 um 16:41:
Aha. Die Hannoveraner sprechen nicht 'von Natur aus' so? Im Prinzip glaube ich Dir, aber ich frage einmal bei Freunden aus Hannover nach. Möglicherweise wissen die das gar nicht.

 Graeculus meinte dazu am 10.04.22 um 16:52:
P.S.: Ich vermute, daß Dein Beitrag etwas weiter nach oben gehört.
Taina (39) meinte dazu am 10.04.22 um 21:31:
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 Regina meinte dazu am 11.04.22 um 07:18:
Niedersachsen hat keine Auslandsgrenze wie andere Bundesländer, wo der jeweilige Akzent der anderen Sprache hineinwirkt, z.B. italienische Diphtonge im Bajuwarischen, tschechisch anmutendes Fehlen des "ü" im Fränkischen, französisches "ä" statt "e" im Schwäbischen und niederländische Anklänge im Nordwesten. Hannoveranisch ist deutschestes Deutsch. Gerhard Schröders "Ich sach mal" ist aber auch kein Bühnendeutsch.

 Roger-Bôtan meinte dazu am 11.04.22 um 14:07:
Hochdeutsch ging aus dem Mitteldeutschen hervor (Luther). Es heißt hoch, weil es die Hochsprache im Sinne von hochgestellt ist. Nicht wg. der Höhenlage des Entstehungsortes. Es kontrastiert nicht mit dem Niederdeutschen, sondern mit der Umgangssprache.
Da sehe ich nun, dass Ihr keine Linguisten seid.
Ich weiß wohl, dass die meisten Deutschsprecher das Wort Hochdeutsch nicht richtig verstehen, indem sie es im Sinne Standarddeutsch verwenden. Diese Bedeutung ist im Grunde umgangssprachlich.
Wenn Ihr euch die Mühe gebt, die Geschichte der deutschen Sprache (und der übrigen germanischen Sprachen) zu erkunden, dann wisst Ihr, dass es ursprünglich zwei deutsche Sprachen gegeben hatte, nämlich Hochdeutsch (vorwiegend im Süden, wo es viele Berge gibt) und Niederdeutsch (etwas nördlicher bis hin zur See, in der Ebene). Zum letzteren gehört auch Niederländisch, sprachhistorisch gesehen. Im Großen und Ganzen handelt es sich dabei um westgermanische Sprachen, zu welchen auch Friesisch und Englisch gehören.
Man unterscheidet drei Sprachgeschichtsperioden: Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch; Altniederdeutsch, Mittelniederdeutsch und Neuniederdeutsch.
Luther war ein Hochdeutschsprecher, das ist klar.
Ansonsten, informiert euch hier:   
 
 https://www.weikopf.de/was-bedeutet-hochdeutsch.html
 
Noch besser: Lest Bücher zur Sprachgeschichte.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 00:24:
Um für mich zu sprechen: nein, ich bin kein Sprachgeschichtler. Allerdings habe ich von Hoch- und Niederdeutsch gehört. Kann es sein, daß das, was man heute unter Hochdeutsch versteht, etwas ganz anderes als den sprachgeschichtlichen Terminus meint?
Die Bedeutung Luthers für das Neuhochdeutsche ist mir bekannt; allerdings scheint das, wenn ich Dich recht verstehe, nicht für das Neuniederdeutsche zu gelten.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 00:24:
Der Bezug zum Thema meines Textes ist mir unterwegs verlorengegangen.

 Roger-Bôtan meinte dazu am 12.04.22 um 10:51:
So ist es, man versteht das Wort falsch und die falsche Bedeutung ist in der Umgangssprache quasi zur einzig richtigen geworden, aber nicht für Germanisten und sonstige Sprachforscher.

„Neu“ ist nicht wörtlich zu nehmen, Neuhochdeutsch umfasst eine Zeitperiode vom ca. 17. Jhdt. bis heute. Dass soll nicht heißen, dass die Sprache während dieser Zeit sich nicht weiterentwickelte. Das gleiche gilt für Neuniederdeutsch: Es wird immer noch im Norden Deutschlands gesprochen, soviel ich weiß. Man nennt es Plattdeutsch.
Taina (39) meinte dazu am 12.04.22 um 12:32:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 12.04.22 um 18:13:
Das mit dem Hochdeutschen ist mir jetzt - hoffe ich - klar.

Beginnt der Unterricht in Koranschulen nicht mit der langwierigen Prozedur, den Koran auswendig zu lernen?
Für Afghanen, Pakistani usw. hat das ja noch nichts mit Verstehen zu tun. Und kritisches Nachdenken sowie Diskutieren stehen wohl auch später nicht auf dem Programm.
Taina (39) meinte dazu am 12.04.22 um 19:13:
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 Graeculus meinte dazu am 13.04.22 um 23:49:
Das ist sicher so - selbst wenn sie ihn auswendig können.
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