Dominik (neue Fassung von "Obdachlos")

Text

von  Cathleen


Dominik

 

Gleichgültig blicken die Laternen

auf seine Schneespur durch die Nacht.

Demut, er wird sie schon noch lernen.

Weil Kälte Jeden mürbe macht.

Die Würde wird er schnell verlieren;

kein Mensch lebt nur von Flaschenpfand.

Er wird sich fürchterlich genieren

vor seiner eignen Bettlerhand.

 

Noch glaubt er, es wird wieder gut.

Das macht ihm Mut.

Doch immer öfter fragt er sich:

Und was, wenn nicht?

Und was, wenn nicht?

Warum bist du gegangen, Dominik,

als Mutter dich hinauswarf, Dominik?

War dieser Weg ins Dunkel, Dominik,

nicht schlimmer, als Zuhause dieser Krieg?

 

Am schlimmsten wird der Dreck ihn plagen,

der Schmutz, der in die Seele schleicht.

Das wird den Bessermenschen sagen:

Hier ist die Endstation erreicht.

Bald werden die Klamotten Fetzen

und seine Hoffnung Scherben sein.

Die Kinder werden sich entsetzen

und die Erwachsnen sagen „Schwein!“

 

Noch glaubt er, es wird wieder gut.

Das macht ihm Mut.

Doch immer öfter fragt er sich:

Und was, wenn nicht?

Und was, wenn nicht?

Warum bist du gegangen, Dominik,

als Mutter dich hinauswarf, Dominik?

War dieser Weg ins Dunkel, Dominik,

nicht schlimmer, als Zuhause dieser Krieg?

 

Gangs werden ihren Mut erproben;

vielleicht schlägt ihn ja jemand tot.

Dann steigt er als ein Hauch nach oben,

entkommt auf diese Art der Not.

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

erscheint ihm strahlend und entrückt.

Wie soll er die Erscheinung deuten,

wo sie ihm nur das Herz abdrückt?

 

Die Jacke ist schon steifgefrorn.

Die Handschuh hat er mal verlorn.

Die eine Hand hängt taub am Arm.

Er lutscht die starren Finger warm.

 

Noch glaubt er, es wird wieder gut.

Das macht ihm Mut.

Doch immer öfter fragt er sich:

Und was, wenn nicht?

Und was, wenn nicht?

Warum bist du gegangen, Dominik,

als Mutter dich hinauswarf, Dominik?

War dieser Weg ins Dunkel, Dominik,

nicht schlimmer, als Zuhause dieser Krieg?
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Dominik II

 

Gleichgültig leuchten die Laternen

auf seine Schneespur durch die Nacht.

Sie müssen keine Demut lernen,

auch nicht, dass Kälte mürbe macht.

 

Bei ihnen bröckelt keine Würde,

sie suchen nicht nach Flaschenpfand.

Und sie erleben nicht als Bürde

die ausgestreckte Bettlerhand.

 

Auch wird kein Dreck sie jemals plagen,

kein Schmutz, der in die Seele schleicht.

Kein kalter Blick wird ihnen sagen:

Hier ist die Endstation erreicht.

 

Die Jacke ist schon steifgefrorn.

Die Handschuh hat er mal verlorn.

Die eine Hand hängt taub am Arm.

Er lutscht die starren Finger warm.

 

Bald werden die Klamotten Fetzen

und alle Hoffnung Scherben sein.

Die Lampen wird es nicht entsetzen.

Sie werfen ihren Schein wie Stein.

 

Gangs werden ihren Mut erproben

und treten, wenn er eh schon liegt.

Kann sein, dass er als Hauch nach oben

entkommt und in die Freiheit fliegt.

 

Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen

erscheint ihm plötzlich als Gestalt.

Er gäbe viel für so ein Flämmchen,

denn die Laternen bleiben kalt.

 

Die Jacke ist schon steifgefrorn.

Die Handschuh hat er mal verlorn.

Die eine Hand hängt taub am Arm.

Er lutscht die starren Finger warm.



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